# taz.de -- Dmitriew-Prozess in Russland: Paranoia des Putin-Regimes
       
       > Der russische Historiker Dmitriew wurde zu 15 Jahren Lager verurteilt.
       > Angeblich soll er Minderjährige sexuell missbraucht haben.
       
 (IMG) Bild: Juri Dmitriew am 27. Dezember 2021 vor Gericht
       
       Zynisch und menschenverachtend: Ein russisches Gericht legt in dem absurden
       Verfahren gegen den Historiker Juri Dmitriew noch einmal nach. Jetzt soll
       er 15 Jahre lang im Lager verrotten – der Mann, der sich, genauso wie viele
       seiner Mitstreiter*innen bei der Menschenrechtsorganisation Memorial,
       um die Aufarbeitung der Stalin’schen Verbrechen verdient gemacht hat.
       
       Genau darum geht es der Justiz: An jedem, der sich weigert, die dunklen
       Seiten der sowjetischen Geschichte ad acta zu legen, soll ein Exempel
       statuiert werden. Dafür ist keine Anschuldigung zu abwegig, seien es
       Steuerhinterziehung, illegaler Drogenbesitz oder sexueller Missbrauch von
       Schutzbefohlenen wie im Fall Dmitriew. Mit diesen „Netzbeschmutzern“ kurzen
       Prozess zu machen, folgt der Logik der Machthaber. Die Leichen sollen im
       Keller ruhen bleiben, da auf der politischen Agenda jetzt ganz oben steht,
       die Vergangenheit zu Glanz und Gloria umzudichten und zu alter Größe
       zurückzukehren. Dass durch diese staatlich verordnete Amnesie das
       historische Gedächtnis ausgelöscht werden soll und die Millionen Opfer ein
       zweites Mal getötet werden, wen interessiert das schon.
       
       Und überhaupt: Wer ist Dmitriew? Das ganz große Finale kommt erst noch,
       vielleicht schon in dieser Woche. Da geht der [1][Prozess gegen Memorial]
       in seine nächste und vielleicht letzte Runde. Dem „ausländischen Agenten“
       soll komplett der Garaus gemacht werden. Da jeder weiß, wo derartige
       Urteile verfasst werden, kann ein Verbot dieser Nichtregierungsorganisation
       als beschlossene Sache gelten. Denn das Regime Putin wähnt sich nicht nur
       von äußeren Feinden umzingelt, diese lauern angeblich auch im Inneren.
       
       Kaltschnäuzig beschied Kremlsprecher Dmitri Peskow einem Journalisten am
       Montag auf Nachfrage, die Causa Dmitriew stehe dort nicht auf der
       Tagesordnung. Das sollte im Westen allen zu denken geben, die immer noch
       auf einen Dialog mit dem Regime Putin setzen. Denn wo Paranoia, Argwohn und
       Größenwahn herrschen, dürfte die Hoffnung auf Verständigung ein frommer
       Wunsch bleiben.
       
       28 Dec 2021
       
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