# taz.de -- Verschwundende Tennisspielerin: Von der Macht des Sports
       
       > Die Volksrepublik lässt die Profitennisspielerin Peng Shuai verschwinden.
       > Um sich den Sport einzuverleiben, riskiert die Kommunistische Partei eine
       > Machtprobe.
       
 (IMG) Bild: Peng Shuai bei den Madrid Open 2018
       
       Auch wenn sich derzeit vieles noch nicht erklären lässt, so verbieten sich
       dennoch Zweifel: Die Profitennisspielerin Peng Shuai ist massiver
       Repression seitens des chinesischen Staates ausgesetzt. Das ist sie, weil
       sie öffentlich gemacht hat, dass sie vergewaltigt wurde. Und weil der Täter
       nach bisherigem Kenntnisstand ein hoher Staatsfunktionär, damaliger
       Vizepremierminister, ist.
       
       Zweifel an [1][Pengs Geschichte] verbieten sich schon deswegen, weil die
       Volksrepublik sich gar nicht um eine andere Version der Geschichte bemüht.
       Vielmehr wird Peng schlicht zum Schweigen gebracht: In China sind alle
       Medien, die darüber berichten [2][gesperrt]. Der Sprecher des
       Außenministeriums sagt, er wisse nichts, da gebe es nichts. Und von Peng
       wird eine angebliche Mail verschickt, die als Fälschung sehr leicht
       erkennbar ist und wirklich nicht von Peng selbst stammen kann.
       
       Was bleibt, ist die sehr schwierige Frage, warum der Apparat der KP China
       das macht. Warum lassen die nicht eine subalterne Figur wie einen früheren
       Vizepremier fallen, zumal der sich ja wohl erkennbar eines Verbrechens
       schuldig gemacht hat? Sie KP macht das nicht, und dafür muss es ja Gründe
       geben.
       
       Peng Shuai stellt ganz offensichtlich eine Gefahr für die Volksrepublik
       dar. Sie ist gefährlich, weil sie eine Geschichte erzählt, die die Mär von
       integren Parteifunktionären widerlegt. Sie ist dies auch, weil sie als
       Weltklassesportlerin, die schon Wimbledon gewonnen hat, eine Kosmopolitin
       ist, eine Repräsentantin der Weltöffentlichkeit, die, wie es bei solchen
       Menschen üblich ist, auch über einen Twitteraccount verfügt, dem auch
       gefolgt wird.
       
       ## Machtkampf zwischen Sport und Repression
       
       Die KP-Funktionäre wollen sich mit Spitzensportlern und -sportlerinnen
       schmücken, sie wollen so tun, als ob deren Erfolge die Überlegenheit ihres
       Systems belegen. Es geht ihnen also um eine in jedem politischen System
       sehr übliche Instrumentalisierung des Sports, einerseits. Andererseits
       wollen gerade Regime wie das chinesische (oder manch anderes autoritäres
       Regime) den sehr liberalen und weltoffenen Charakter des Weltsports nicht
       akzeptieren. Sie stellen sich das so vor, dass Spitzensportlerinnen wie
       Peng quasi als Marionetten ihres Systems durch die Welt reisen. Wogegen
       Peng schon deswegen etwas haben muss, weil ihr solches Gebaren schaden
       würde.
       
       So gesehen ist Peng Shuai also ins Zentrum eines Machtkampfs gerückt und
       droht sein Opfer zu werden – vermutlich und leider ist das schon. Es ist
       der Machtkampf zwischen der zur Weltmacht in Sport und Politik aufgerückten
       Volksrepublik und der politischen und gesellschaftlichen Macht des Sports.
       
       Der Sport, genauer: Pengs herausgehobene Stellung im Welttennis erlaubt es
       ihr, ihre Geschichte von dem Vizepremier zu erzählen. Sie findet eine
       Öffentlichkeit, was etwa einer chinesischen Studentin, die Ähnliches mit
       einem Professor erlebt hat, oder einer Arbeiterin, die so etwas mit einem
       Manager durchmachen musste, nicht gelingen würde. Die Staatsfunktionäre
       glauben, mit der Weltkassesportlerin verfahren zu können, wie sie sonst mit
       der Studentin oder der Arbeiterin verfahren.
       
       Das könnte die unglaublich brutale und auf den ersten Blick unverständliche
       Repression erklären: Dass die Funktionäre nicht wollen, dass das Verbreiten
       solcher Geschichten einreißt. Daher darf niemand in China etwas davon
       erfahren. Peng Shuai wird aus dem Verkehr gezogen, damit niemand auf die
       Idee kommt, auch seine und ihre persönliche Geschichte von schlimmer
       Unterdrückung zu erzählen.
       
       Der Sport, das ist vielleicht das einzig tröstliche an dieser großen
       Tragödie, die Peng erleidet, bietet immerhin einigen Menschen die
       Möglichkeit, sich von solchen Unterdrückern zu befreien und damit anderen
       Menschen zu zeigen, was möglich ist.
       
       19 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Raetsel-um-verschwundene-Tennisspielerin/!5812627
 (DIR) [2] /Zensur-bei-Winterspielen-in-Peking/!5807364
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Frühsport
 (DIR) Tennis
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) Schwerpunkt #metoo
 (DIR) Schwerpunkt #metoo
 (DIR) China
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) WTA streicht Tennisturniere in China: Angst vor einer Olympiadebatte
       
       Die chinesische Regierung reagiert schockiert auf den Boykottbeschluss der
       Tennisorganisation. Sie kritisiert die Politisierung des Falls Peng Shuai.
       
 (DIR) Chinesischer Tennis-Star Peng Shuai: USA verlangen Infos über Verbleib
       
       Angeblich aktuelle Fotos der Sportlerin kursieren auf Twitter. Doch
       inzwischen ist ihr Verschwinden ein Thema auf internationaler politischer
       Ebene.
       
 (DIR) Rätsel um verschwundene Tennisspielerin: „Ich habe mich nur ausgeruht“
       
       Chinas Staatssender CGTN hat eine angebliche E-Mail der vermissten
       Tennisspielerin Peng Shuai veröffentlicht. Kolleg:innen machen sich
       Sorgen.
       
 (DIR) Tennisprofi in China verschwunden: Wo ist Peng Shuai?
       
       Weltklasseprofi Peng Shuai wirft dem Vize-Premierminister Vergewaltigung
       vor. Nun weiß niemand, wo sie ist. Die Profikollegen sind besorgt.
       
 (DIR) #MeToo in China: Die Mätresse packt aus
       
       Mit Vorwürfen von Chinas Tennisspielerin Peng Shuai gegen den
       Ex-Vize-Premier erreicht #MeToo die Politelite. Der Zensurapparat reagierte
       sofort.