# taz.de -- WTA streicht Tennisturniere in China: Angst vor einer Olympiadebatte
       
       > Die chinesische Regierung reagiert schockiert auf den Boykottbeschluss
       > der Tennisorganisation. Sie kritisiert die Politisierung des Falls Peng
       > Shuai.
       
 (IMG) Bild: Beste ihres Landes: die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai bei den Australian Open 2013
       
       Peking taz | Die [1][Ankündigung der Damentennis-Organisation WTA,
       sämtliche Turniere in China zu streichen], hat in China regelrechte
       Schockwellen ausgelöst. Dies ließ sich an der bemerkenswerten Stille
       ablesen, die zeitweise unter Chinas Staatsmedien und Diplomaten herrschte.
       Normalerweise reagieren diese bei jeder Kritik umgehend mit verbalen
       Gegenangriffen. Doch dieses Mal musste das Propagandaministerium in Peking
       offenbar lange an einer offiziellen Argumentationslinie tüfteln. Für die
       Volksrepublik steht viel auf dem Spiel.
       
       Ein Rückblick: Peng Shuai, die vielleicht beste Tennisathletin des Landes,
       bezichtigte den ehemaligen Vizepremier Zhang Gaoli in einem Onlineposting
       vom 2. November, sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Erstmals
       erreichte ein #MeToo-Fall also die Pekinger Politelite. Der
       Sicherheitsapparat reagierte – wie so oft –, indem er die Nachricht
       zensierte und die Tennisspielerin [2][aus der Öffentlichkeit verschwinden
       ließ].
       
       Doch nach immensem internationalem Druck stand Chinas Regierung unter
       Zugzwang. Die Staatsmedien veröffentlichten zunächst [3][eine
       offensichtlich fingierte E-Mail von Peng] – und als die Aktion ihr Ziel
       verfehlte, posteten sie [4][Kurzvideos der 35-Jährigen bei einem
       Restaurantbesuch]. Damit war klar, dass Peng Shuai unversehrt ist. Doch
       ebenso klar war, dass sich die Athletin nicht frei äußern kann. Auch ein
       unter Aufsicht geführtes Telefonat mit IOC-Präsident Thomas Bach ändert an
       diesem Befund nichts.
       
       Während das IOC riskiert, sich mit dem chinesischen Propagandaapparat
       gemeinzumachen, ist die WTA-Entscheidung durchaus mutig. Zwar konnte der
       Tennisverband seit zwei Jahren pandemiebedingt ohnehin keine Turniere in
       China veranstalten. Doch allein 2019 hielt die WTA neun Turniere in der
       Volksrepublik ab, darunter das Saison-Finale in Shenzhen mit über 30
       Millionen Dollar Preisgeld.
       
       ## Kritik im Netz zensiert
       
       Im chinesischen Netz wurden unlängst alle Äußerungen über die
       Boykott-Nachricht gelöscht. Doch es gab auf den sozialen Medien ein kurzes
       Zeitfenster von wenigen Minuten, ehe die Zensoren einschritten. Bis dahin
       zeigten sich einige chinesische Internetnutzer auf der Onlineplattform
       Weibo überraschend solidarisch: „Dieses Mal stehe ich auf der Seite der
       WTA“, kommentierte etwa eine Userin. „Die WTA zeigt echtes Rückgrat“,
       lautete eine andere Meinung.
       
       Stunden später folgten die offiziellen Staatsmedien mit ihren
       Gegenattacken. Zunächst brach Hu Xijin, Chefredakteur der nationalistischen
       Global Times, sein Schweigen auf Twitter: „Die WTA zwingt Peng Shuai, den
       Angriff des Westens auf das chinesische System zu unterstützen. Damit
       beraubt sie Peng Shuai ihrer Meinungsfreiheit.“ Er bediente sich einer
       abstrusen Täter-Opfer-Umkehr, deren Botschaft im Westen wohl nicht
       verfangen wird.
       
       Das Perfide ist, dass Chinas Journalisten zu dem Thema ausschließlich auf
       Twitter und Facebook publizieren können – Plattformen also, die in der
       Volksrepublik seit Jahren zensiert sind. Auf ihren eigenen Medien dürfen
       sie sich nicht zu der Thematik äußern. Dort nämlich existiert der Fall
       offiziell nicht. Auch das Pekinger Außenministerium antwortete in den
       vergangenen Wochen stets, dass man sich der Angelegenheit „nicht bewusst“
       sei. Am Donnerstag ließ Regierungssprecher Wang Wenbin nun verlauten: „Wir
       sind entschieden dagegen, den Sport zu politisieren.“
       
       ## Angst vor der Boykottdebatte
       
       Für Peking steht schlussendlich weitaus mehr auf dem Spiel als nur ein paar
       abgesagte Tennisturniere. Denn zum einen ist das Risiko groß, dass weitere
       Sportorganisationen weitere Konsequenzen ziehen werden. Vor allem aber
       könnte die Causa Peng Shuai die Boykottdebatte rund um die Olympischen
       Winterspiele in Peking wieder beleben.
       
       Dass hochrangige Regierungsvertreter aus dem Westen im Februar in die
       Volksrepublik reisen werden, gilt ohnehin als unwahrscheinlich, schon
       aufgrund der Pandemie. Doch abseits von einem sogenannten diplomatischen
       Boykott könnten einige Staaten in Erwägung ziehen, ihre Athletinnen und
       Athleten nicht nach China zu entsenden. Deutschlands künftige
       Außenministerin Annalena Baerbock schloss etwa jüngst im Interview mit der
       taz einen Boykott der Olympischen Spiele nicht explizit aus.
       
       2 Dec 2021
       
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 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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