# taz.de -- Abschiebung nach Ghana: Wenn Menschen Nummern werden
       
       > Am späten Montagabend startete in Hannover ein Abschiebeflug nach Ghana.
       > Dort ist eines der härtesten Anti-LGBTIQ-Gesetze der Welt geplant.
       
 (IMG) Bild: Ein Betroffener der Abschiebung wird durch ein Polizeispalier zum Flughafenbus gebracht
       
       Hannover taz | Am späten Montagabend ist der Flughafen Hannover-Langenhagen
       menschenleer. Nur vor dem abgelegenen Terminal D herrscht reges Treiben.
       Zahlreiche Polizist*innen stehen vor und in der weißen Blechhalle.
       Viele tragen gelbe Westen mit der Aufschrift „Escort“ oder „Backup Team“.
       Ein weißer Bus mit vergitterten Fenstern parkt auf der Flughafenstraße.
       Davor und dahinter stehen weitere Gefangenentransporter. Deren Kennzeichen
       verraten: Sie stammen aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und
       Nordrhein-Westfalen.
       
       Kurz vor dem Ende der Amtszeit von Horst Seehofer als Innenminister werden
       25 Menschen abgeschoben, darunter mindestens zwei Kinder. Bis
       Redaktionsschluss antwortete das Innenministerium nicht auf eine Anfrage
       der taz.
       
       Angekündigt wurde die Abschiebung am 3. November mit einer diplomatischen
       Verbalnote durch die deutsche Botschaft in Accra, die der taz vorliegt. Die
       25 Abzuschiebenden würden durch Polizist*innen und einem Doktor
       begleitet, heißt es darin. Um die Gefahr einer Corona-Infektion zu
       minimieren, würden Abschiebehäftlinge und ihre Bewacher*innen getestet
       und erhielten Masken, steht in dem englischsprachigen Dokument.
       
       Ghana galt mal als stabile Demokratie in der Afrikanischen Union. 2017
       unterzeichnete die Regierung die Afrikanische Charta der Menschenrechte.
       Das Land gilt als „sicherer Herkunftsstaat“. Reisende nach Ghana warnt das
       Auswärtige Amt indes: „Es besteht insbesondere im Norden eine erhöhte
       Gefahr terroristischer Gewaltakte und Entführungen.“
       
       Seit dem Sommer wird in Ghana ein Gesetzesentwurf im Parlament diskutiert,
       laut dem Homosexualität noch härter bestraft werden soll. Bereits jetzt
       sind bis zu drei Jahre Haft möglich – künftig sollen es bis zu zehn werden.
       
       ## Eisige Temperaturen
       
       Auch die öffentliche Unterstützung queerer Menschen soll unter Strafe
       gestellt werden. Die Neue Züricher Zeitung nennt das „Gesetz zur Förderung
       ordentlicher menschlicher Sexualrechte und ghanaischer Familienwerte“ eines
       der härtesten Anti-LGBTIQ-Gesetze der Welt. „Die bereits jetzt bestehende
       staatliche Verfolgung von queeren Menschen würde mit der Verabschiedung des
       Gesetzes eine neue, erschreckende Qualität annehmen und der Einordnung
       Ghanas als ein sicherer Herkunftsstaat Hohn sprechen“, sagt Sigmar
       Walbrecht vom Flüchtlingsrat Niedersachsen der taz und kritisiert die
       Abschiebung.
       
       „Jetzt Nummer 24“, sagt eine Polizistin. Die Türen eines Wagens gehen auf
       und ein junger Mann, der in dem Transporter eingesperrt war und sich auf
       dem Boden seiner Zelle zusammengerollt hatte, wird als Vorletzter von
       zahlreichen Polizist*innen herausgeführt. Die Gruppe verschwindet um
       1:20 Uhr in der Abfertigungshalle.
       
       Durch ein Spalier von Polizeibeamt*innen werden die einzelnen
       Menschen auf der Rückseite des Gebäudes zu einem Flughafenbus gebracht.
       „Ja, alle Befunde bekommen“, ruft ein Mann mit einer Weste mit der
       Aufschrift „Medic“ einem anderen zu.
       
       Mehrmals durchbrechen die Stimmen von fünf Aktivist*innen die Stille.
       Sie sind trotz der eisigen Temperaturen und des einsetzenden Nieselregens
       zum Flughafen gekommen. Am Nachmittag hatte sich eine Meldung über die
       anstehende Sammelabschiebung nach Ghana auf Twitter und Telegram
       verbreitet. Am 11. Dezember ruft die Gruppe Solinet Hannover außerdem zum
       Protest auf dem Opernplatz in Hannover auf. Die Aktivist*innen wollen
       Abschiebungen nicht einfach so hinnehmen.
       
       Auf dem Rollfeld steht bereits die Maschine zur Abschiebung bereit. Die
       Boeing 737 der spanischen Charterairline „Privilege Style“ ist eines der
       Flugzeuge, die für Abschiebeflüge eingesetzt werden. „Privilege Style“ ist
       einer von mehreren Profiteur*innen von Abschiebungen.
       
       ## Tragische Geschichten
       
       Recherchen von Corporate Watch UK belegen, wie Firmen sich auf diese
       schmutzige Arbeit spezialisiert haben. Es geht um enorme Summen. 544.387
       Euro gab die Bundesregierung im Jahr 2020 für drei Abschiebungen von
       insgesamt 51 Menschen nach Ghana aus. Im Jahr 2021 dürfte die Zahl mit
       bisher neun Charterflügen deutlich höher liegen. Um 3:13 Uhr hebt das
       Flugzeug mit mehr als einer Stunde Verspätung ab.
       
       Zu den Betroffenen der aktuellen Abschiebung ließ sich bisher kein Kontakt
       herstellen. Wie häufig sind die Bemühungen um sogenannte Rückführungen nach
       Ghana gezeichnet von tragischen Schicksalsgeschichten. So berichtete die
       taz etwa im September über den Fall des 19-jährigen Seth Darko, der nach
       Ghana abgeschoben wurde, obwohl seine Mutter in Hamburg lebt und er eine
       Lehrstelle hatte.
       
       Ende September schob die Bundesregierung dann Tagoe Quashie ab. Er hatte
       mit fünf weiteren Geflüchteten gegen die Hausordnung der
       Landeserstaufnahmeeinrichtung Freiburg geklagt. Das Problem, dass eine
       gerichtliche Überprüfung von höchst fragwürdigen Zuständen durch die
       Abschiebung von Betroffenen, die ihre Rechte einfordern, verhindert wurde,
       sei nicht neu, heißt es in diesem Fall vom Flüchtlingsrat
       Baden-Württemberg.
       
       30 Nov 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Trammer
 (DIR) David Speier
       
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