# taz.de -- Gemeinden sollen fusionieren: Leipziger Kirchenkampf
       
       > Bernhard Stief will nicht, Pfarrerin Britta Taddiken lehnt auch ab. Doch
       > Nikolai- und Thomaskirchen-Gemeinde sollen fusionieren. Zeit für
       > Widerstand.
       
       Die [1][Nikolaikirche] bietet die bequemsten Kirchenbänke von ganz Leipzig
       – geschwungen, glatt und weiß wie Elfenbein. Man kann lange darin verweilen
       und den Blick schweifen lassen zu den zartgrünen Palmwedeln oben an der
       Decke. Selbst an einem trüben Novembertag erscheint die Kirche geradezu
       transparent. Vor gut zweihundert Jahren wurde diese älteste und größte
       Kirche der Stadt im Stil der Zeit umgekrempelt.
       
       Doch das klassizistische Schauspiel ist es nicht, was die Nikolaikirche
       weit über Sachsen hinaus berühmt gemacht hat. In den achtziger Jahren war
       sie eines der Zentren der DDR-Opposition. Die montäglichen Friedensgebete
       waren die Keimzelle der Leipziger [2][Montagsdemonstrationen], die am 9.
       Oktober 1989 die SED-Herrschaft ins Wanken und wenig später zum Einsturz
       brachten.
       
       Seit dem Herbst 1989 ist die Nikolaikirche ein begehbares Denkmal von
       nationalem Rang. Höhepunkt der Erinnerung ist die alljährliche „Rede zur
       Demokratie“, ein weltlicher Gottesdienst mit viel Prominenz. Neulich erst
       predigte hier Vitali Klitschko, der Bürgermeister von Kiew. Der
       Zwei-Meter-Mann, kampferprobt im Ring und bei der Revolution des
       „Euro-Maidan“, hielt keinen akademischen, sondern einen [3][praxisnahen
       Vortrag]. Es war wie eine Anleitung zum Kampf: „Ohne echten Kampf gibt es
       keinen wirklichen Sieg!“
       
       Bernhard Stief dürfte es dabei in den Ohren geklungen haben. Denn der
       Pfarrer der Nikolaikirche steht im Kampf um den Fortbestand seiner
       Gemeinde, da kann er Hinweise vom Champion gut gebrauchen. Und weil es auch
       um die berühmte Kirche geht, weckt der Konflikt Erinnerungen an das Jahr
       1989. Gegner ist allerdings keine Staatspartei, sondern die eigene
       Landeskirche.
       
       ## Rückbau statt Aufbau
       
       So eine Kirche besteht aus mehr als den Gläubigen und ihrem Bischof. Sie
       hat Kirchenbeamte, Verwaltungsbezirke und eine eigene Rechtsprechung,
       beaufsichtigt von Theologen und Juristen im Landeskirchenamt, kurz LKA. Und
       dieses Amt, durchaus verwandt mit einer Staatskanzlei, spendet nicht nur
       geistliche Worte, sondern verfügt über reale Macht.
       
       Leipzig erreichte sie in Form eines Schriftstücks. Das LKA in Dresden
       verfügt darin, dass sich die Nikolaigemeinde Leipzig zum 1. Januar 2022 mit
       der benachbarten Thomasgemeinde verbinden solle. Dass dieser Bescheid, von
       dem keiner etwas ahnte, auch noch so kurz vor den Sommerferien
       hereinplatzte, empfinden viele hier zusätzlich als unfreundlichen Akt.
       Pfarrer Bernhard Stief hatte Mühe, seinen Kirchenvorstand zu einer
       Sondersitzung zusammenzubekommen. Der Widerspruch, den die Gemeinde
       formulierte, umfasst elf Seiten.
       
       Stief ist enttäuscht. Predigt er nicht Sonntag für Sonntag, dass die
       Christen wie Sauerteig wirken sollen? Dass sie das neue, andere Reich
       verkündigen und vorleben? Käme der Bescheid vom Finanzamt, wäre keiner
       erstaunt. Aber er kommt von den eigenen Leuten.
       
       Bernhard Stief bittet in den Gemeindesaal. Hinter ihm hängt ein Gobelin,
       edel gewirkt, dazu Wandmalerei, verzierte Balken, überhaupt viel Holz. In
       Jeans und Pulli bildet Stief den Kontrast. Der Pfarrer ist froh, dass es in
       seiner Gemeinde auch Juristen gibt. Ohne sie wäre es schwierig, sich in das
       zu vertiefen, was von der Landessynode, dem Kirchenparlament, 2018
       beschlossen wurde und nun seine volle Wucht im Leipziger Zentrum entfaltet
       – das Kirchgemeindestrukturgesetz.
       
       Es gibt Worte, die kennt die Bibel nicht und die wirken dennoch wie Sätze
       von Paulus. Der hat sich auch mit Gemeindefragen befasst, allerdings mit
       Fragen des Aufbaus. Hier geht es um Rückbau. Gemeinden sollen
       zusammenarbeiten, fusionieren, Synergien nutzen. Das Wort
       Strukturverbindung fällt inzwischen häufiger als die blumigen Begriffe
       Kirchspiel, Kirchgemeindebund oder Schwesterkirchverhältnis. Zu so einem
       Schwesterverhältnis werden die beiden Leipziger Gemeinden St. Nikolai und
       St. Thomas per Ordre aus Dresden verpflichtet. Und die Thomasgemeinde soll
       die größere Schwester sein und über die Besetzung von Stellen in der
       Nikolaigemeinde entscheiden. St. Nikolai wäre nicht viel mehr als eine
       Filiale.
       
       Bernhard Stief macht deutlich, dass es mit der Thomaskirche keine Rivalität
       gebe. Im Gegenteil, man kooperiere auf vielen Gebieten. Auch die
       Thomaskirche wolle diese aufgezwungene Verbindung nicht, sie hat ebenfalls
       Widerspruch angemeldet. Beide Kirchen engagieren sich auf unterschiedlichen
       Feldern, erklärt Stief. In Nikolai ist es das Andenken an das Ende der
       SED-Herrschaft. Die montäglichen Friedensgebete werden von verschiedenen
       Gruppen mit aktuellen Anliegen bis heute fortgeführt. In der Südkapelle
       erinnert eine Ausstellung an die Geschichte der Friedensgebete. 2009
       gründete sich die Stiftung Friedliche Revolution und bündelte Aktivitäten,
       die das Profil Leipzigs als Zentrum der Bürgerrechtsbewegung schärfen. Die
       Stiftung ist beim Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal involviert,
       verleiht einen Filmpreis und plant jetzt ein interkulturelles Orchester.
       
       ## Bach und die Thomaskirche
       
       Dieses musikalische Unterfangen berührt noch am ehesten den Wirkungskreis
       von St. Thomas. Die [4][Thomaskirche] pflegt als Heimstatt des
       Thomanerchores das Erbe Johann Sebastian Bachs. Im Chorraum ruhen die
       Gebeine des Thomaskantors. Die Kirche lebt mit Bach, für Bach und vor allem
       von Bach, von seinen Motetten, Kantaten und Orgelmusiken, von seinem
       gewaltigen kirchenmusikalischen Œuvre, das er in Leipzig erschuf.
       
       Was die Pflege der Markenkerne betrifft, sind beide Gemeinden vorbildlich.
       Doch darüber hinaus hätten sie ihre Profile vertieft, fährt Stief fort. Die
       Thomaskirche fusionierte 2002 mit einer anderen Gemeinde jenseits des
       Innenstadtrings, wirkt seitdem in das bildungsbürgerliche
       Waldstraßenviertel im Westen hinein und hat das Forum Thomanum gegründet,
       einen Campus mit Kita, Grundschule und Gymnasium für hochkarätige musische
       Bildung.
       
       Und die Nikolaikirche? Kümmert sich um die Mühseligen und Beladenen. Sie
       hat sich 2014 mit einer Fusion weit in den Leipziger Osten ausgedehnt, eher
       kirchliches Ödland, geprägt von sozialen Differenzen, Migration und Armut.
       Den Grundstein für dieses Engagement legte Stiefs prominenter Vorgänger
       [5][Christian Führer], der 1991 eine kirchliche Erwerbsloseninitiative
       gründete und das damals neue Thema Massenarbeitslosigkeit in die Kirche
       holte.
       
       Kamen vor dem Mauerfall mit den Oppositionellen auch viele Ausreisewillige,
       oft genug bar jeder religiösen Sozialisation, waren es später Menschen ohne
       Job, ohne Geld und ohne Halt. Sollte man als Besucher der Thomaskirche
       schon etwas wissen über den „fünften Evangelisten“ Johann Sebastian Bach,
       so ist die Schwelle zu St. Nikolai niedriger gelegt. „Nikolaikirche offen
       für alle“, ein solches Banner hat Christian Führer schon zu DDR-Zeiten an
       der Kirche befestigen lassen. Heute prangt die Einladung am Fahrradständer
       vorm Portal.
       
       Bernhard Stief berichtet über den Kummer freundlich, geradezu mild. Es
       schleicht sich kein Zorn in seine Stimme. Der Widerspruch beider Gemeinden
       wurde inzwischen abgewiesen, was bleibt, ist das Gericht. Nikolai und
       Thomas haben die eigene Landeskirche vor dem kirchlichen Verwaltungsgericht
       verklagt. „Es kostet Zeit, es kostet Kraft und es kostet Geld. Das lähmt“,
       sagt Stief dann doch aufgebracht, hält kurz inne und sagt: „Manchmal fehlen
       einem die Worte.“ Widerstand weht um St. Nikolai.
       
       Ein Schaukasten an der Kirche erzählt von der Geschichte der
       Friedensgebete. Ab 1988 gab es nach den Gebeten Polizeieinsätze, wurden der
       Nikolaikirchhof abgeriegelt und Dutzende Kirchenbesucher „zugeführt“, so
       die DDR-Umschreibung für eine Festnahme, und auf Lastwagen fortgeschafft.
       Im September 1989 vermochten es die Polizeiketten allerdings immer weniger,
       den Menschenstrom aufzuhalten.
       
       Nikolaipfarrer Christian Führer war zwar der Hausherr, aber zu der Zeit
       nicht die treibende Kraft, auch nicht der Organisator. Das waren andere.
       Allerdings war es Führer, der die Nikolaikirche nach 1990 so professionell
       als Marke positionierte, als wäre der Mann mit dem Bürstenschnitt und der
       Jeansweste nicht Experte für das Reich Gottes, sondern für Marketing. 2008
       verabschiedete sich Führer, längst Talkshowgast und Buchautor, in den
       Ruhestand. Sein Nachfolger wurde der ruhige, ganz nach innen wirkende
       Bernhard Stief. Christian Führer starb vor sieben Jahren im Alter von 71
       Jahren.
       
       Warum beschädigt die sächsische Landeskirche die Nikolaikirche geradezu
       mutwillig? Wer sich in den Schriftwechsel zwischen Dresden und Leipzig
       vertieft, erhält zwei Antworten. Die kurze: Weil es das
       Kirchgemeindestrukturgesetz gibt. Die lange: Die evangelische Landeskirche
       Sachsens geht den Weg aller Kirchen. Die Mitgliederzahl sinkt und damit der
       Einfluss, die Relevanz. In der Coronapandemie wurde es schmerzlich spürbar.
       Im ersten Lockdown waren Bund und Ländern die Kirchen ziemlich egal. Auch
       Christdemokraten war der ungestörte Verkauf in Baumärkten erheblich
       wichtiger als der Gottesdienst zu Ostern.
       
       Britta Taddiken hat noch eine dritte Antwort parat. Die Pfarrerin von St.
       Thomas hält die Tür zum Gemeindehaus offen. Das Gebäude, in dessen
       Vorgängerbau die Familie Bach lebte, wirkt steinern wie eine Bastion.
       Drinnen ist es herrschaftlicher als bei St. Nikolai – geschwungene Treppe,
       Diele, Kamin. Hier haben die Thomaspfarrer, lange mit Halskrause, Hof
       gehalten. Diese Zeiten sind vorbei. Nicht erst mit Britta Taddiken, aber
       die Pfarrerin führt konsequent fort, was ihr Vorgänger begonnen hat. Sie
       hat nichts Sanftmütiges wie ihr Kollege Stief. Es ist viel Entschlossenheit
       im Blick, auch Schärfe. Es liegt gewiss an ihrem Naturell, Taddiken kommt
       von der Küste. Aber sie ist auch aus einem anderen Grund angefasst.
       Taddiken hat eine Krebstherapie überstanden, die Thomasgemeinde war über
       Monate geschwächt. Den „Geschwistern“ in Dresden dürfte das bekannt
       gewesen sein, Rücksicht genommen haben sie nicht.
       
       Im Gegenteil. Der Gesprächsprozess wurde einseitig abgebrochen,
       demokratisch gefasste Beschlüsse der Synode vor Ort übergangen, Vertreter
       beider Gemeinden zitierte man wie Untergebene nach Dresden. So wie es
       Taddiken aufzählt, wähnt man sich in der Zeit, als der sächsische König
       noch die Kirche lenkte. „Diese Nichtkommunikation, diese Machtmittel, das
       ist wirklich krass“, sagt Britta Taddiken. „Und es hat eine gewisse
       Unanständigkeit, drei Tage vor den Ferien so einen Bescheid rauszugeben.
       Das ist landesherrliches Kirchenregiment.“
       
       Dieses Regiment ist mit dem Ende der Staatskirche 1919 eigentlich
       Geschichte. Aber in Dresden sind aristokratische Traditionen zählebiger als
       in der Bürgerstadt Leipzig. Dazu gehört auch ein lutherisch geprägter
       politischer Konservatismus. Schon 1988 betrachtete das Landeskirchenamt die
       oppositionellen Umtriebe in Leipzig mit Sorge und wollte die Montagsgebete
       kräftig zurückschneiden. Die Gruppen sollten nicht mehr ihre
       umstürzlerischen Botschaften verkünden, sondern einzig das Evangelium.
       
       Als ob die Botschaft Jesu nicht immer auch politisch wäre. Für Britta
       Taddiken hat das Pfarramt eine politische, eine öffentliche Dimension.
       Gegen die AfD und Pegida hat sie sich genauso positioniert wie für den
       Christopher Street Day, als sie 2016 dessen Botschafterin war. Das
       Verhältnis zum Landeskirchenamt dürfte generell nicht das innigste sein.
       
       Taddiken und Stief haben in einem Friedensgebet im Oktober in „Worten der
       Betroffenheit“ den Druck aus Dresden öffentlich gemacht. Der ganze Vorgang
       erscheint in der Darstellung wie die Maßregelung, und das Landeskirchenamt
       tut wenig, das Bild dieser herrschaftsgesättigten Kommunikation
       abzumildern. Dazu passt, dass selbst Landesbischof [6][Tobias Bilz] von dem
       Vorgang in seinem Hause zuerst aus Leipzig erfuhr.
       
       ## Der alte und der neue Bischof
       
       Bilz wurde erst im Februar 2020 von der Landessynode zum Bischof gewählt.
       Mit seiner Einführung endete die schwerste Krise in der neueren Geschichte
       der sächsischen Landeskirche. Im Oktober 2019 war Bischof [7][Carsten
       Rentzing] zurückgetreten. Der Vertreter einer erzkonservativen Theologie
       war von seinem publizistischen Frühwerk eingeholt worden, das er als
       Student verfasst hatte und in dem er den Niedergang der deutschen Nation
       beklagte und die herrschende „liberale Ideologie“ dafür verantwortlich
       machte. Außerdem hatte Rentzing seine Mitgliedschaft in einer schlagenden
       Verbindung verschwiegen wie auch seine Nähe zu neurechten Netzwerken.
       
       In Leipzig starteten Gemeindemitglieder daraufhin eine Onlinepetition, in
       der sie den Rücktritt forderten. Doch auch Rentzings Unterstützer machten
       mobil. Sie klagten in einer eigenen Petition über „einen kleinen, aber
       lautstarken Teil der Landeskirche“ und forderten Rentzings Verbleib.
       Vergeblich. Der Bischof nahm seinen Hut, bei seinem Abschied wetterte er
       aber noch einmal heftig über Rufmord und Verleumdung in der eigenen Kirche.
       
       Bischof Tobias Bilz versucht seitdem, die Wunde zu schließen. Es scheint
       manchmal, als ob es zwei sächsische Kirchen gäbe. Hier das großstädtische
       Milieu, weltoffen, liberal, links, sein Zentrum ist Leipzig. Und dort die
       konservativen, pietistisch geprägten Kreise, die die offene Gesellschaft
       als Zumutung begreifen, sich davon abgrenzen und auch Fremdes eher
       ablehnen. Ihr Kernland ist das Erzgebirge, es reicht aber weit ins
       Tiefland. Irgendwo dazwischen liegt die Bischofs- und Landeshauptstadt
       Dresden.
       
       „Tobias Bilz ist klar auf unserer Seite“, vermutet Britta Taddiken.
       Vielleicht. In Leipzig gilt der Bischof jedenfalls als Kenner der örtlichen
       Verhältnisse. Aber hat er auch Rückhalt? Bilz ist ein freundlicher,
       zugewandter Mann. Das ist beim Zoom-Gespräch zu spüren. Am Rande der
       Landessynode Mitte November äußert sich Bilz zum Konflikt mit den beiden
       Leipziger Gemeinden und lässt Distanz zu den Juristen in seinem Hause
       anklingen. Diese haben eine juristische Position, er habe eine andere. Und
       deswegen wolle er mit dem Leipziger Superintendenten ein Gespräch beginnen.
       Der Superintendent, wie Bernhard Stief Prediger an der Nikolaikirche,
       „steht ein wenig abseits“, wie Bilz betont. Das Gespräch solle offen sein.
       Welches Ziel ihm vorschwebt, daran lässt Bilz keinen Zweifel. „Der
       juristische Prozess ließe sich jederzeit stoppen“, bekräftigt er. „Ich
       würde mich freuen, wenn das gelänge.“
       
       Nach der Thomasgemeinde hat auch die Nikolaigemeinde am 5. November ihre
       Klage gegen die Landeskirche beim kirchlichen Verwaltungsgericht
       eingereicht. Im Kern wollen sie eine Ausnahme von der Pflicht zum
       Zusammenschluss erwirken, die im Strukturgesetz zwar vorgesehen, bisher
       aber nie eingeräumt worden ist. Solange kein Urteil feststeht, bleibt die
       Fusion ausgesetzt.
       
       Es gibt nicht wenige in Leipzig, die glauben, in diesen Konflikt wirke das
       Zerwürfnis um den Rücktritt von Bischof Rentzing nach. Ein Pfarrer im
       Leipziger Süden, wo vier Gemeinden schon in einem Schwesterkirchverhältnis
       leben, teilt diese Vermutung. Er sagt aber auch, die Grundfrage sei, wohin
       die Reise für die Kirche überhaupt gehen solle. Für das Jahr 2040
       prognostiziert die sächsische Kirche nur noch 420.000 Mitglieder. Derzeit
       sind es rund 650.000. In Deutschlands Osten kommt zum allgemeinen
       Bedeutungsverlust der Kirchen noch das Erbe der DDR hinzu. Mit einem
       aggressiven Atheismus hat es die SED vermocht, die Bindung an die Kirchen
       zu zerstören.
       
       In Leipzig mit seinen knapp 600.000 Einwohnern zählen sich noch 11 Prozent
       zur evangelischen Kirche.
       
       Die Stadt allerdings wächst. Ob Neuankömmlinge den Weg in die Kirche
       finden, hängt auch von der Attraktivität ihrer Gemeinden ab. Ehrenamtliche
       aus St. Nikolai berichten, dass sie angesichts der Anordnung aus Dresden
       über einen Rückzug nachdenken, gar von Kirchenaustritt ist die Rede.
       Mitarbeiter, etwa aus dem Kindergarten, bangen um ihre Zukunft. Die
       Nikolaigemeinde, derzeit 2.600 Mitglieder, verzeichnet seit Jahren Zuwachs.
       Die Thomasgemeinde mit ihren 4.700 Mitgliedern auch. Bis jetzt.
       
       22 Nov 2021
       
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