# taz.de -- Hadernde AthletInnen: Das Leiden am Sport
       
       > Wie zufrieden sind SpitzensportlerInnen in Deutschland? Die
       > Sporthochschule Köln hat das untersucht. Viele beklagen vor allem ein
       > Manko.
       
 (IMG) Bild: Kampf um Wertschätzung: die Turnerin Pauline Schäfer bei einer Boden-Übung
       
       Zufriedenheit sieht anders aus. 35 Prozent der deutschen
       Spitzensportlerinnen und Sportler verdienen zu wenig Geld, um sich auf
       ihren Sport konzentrieren zu können. Ebenfalls etwa ein Drittel gibt an,
       bei seinem Saisonhöhepunkt 2021, also den Olympischen oder Paralympischen
       Spielen, „mental nicht voll da“ gewesen zu sein. Sogar bei denen, die die
       jeweiligen Finals erreicht haben, sind es noch 21 Prozent, denen es partout
       nicht gelang, sich hundertprozentig auf den Sport einzulassen.
       
       Viele Bereiche des aktuellen Spitzensports wurden in einer Studie der
       Deutschen Sporthochschule Köln abgefragt, die in der vergangenen Woche
       vorgestellt wurde. Johannes Herber von Athleten Deutschland e. V. lobt den
       Ansatz, „dass die Athleten zu ihrem Umfeld befragt werden“. [1][Sehr viele
       Studien zu diesem Thema gibt es tatsächlich nicht.] Die, die jetzt
       vorliegt, wurde von der Stiftung Deutsche Sporthilfe in Auftrag gegeben.
       
       „Es geht um drei Ebenen: Athleten, Trainingsbedingungen, Gesellschaft“,
       erläutert Kirstin Hallmann vom Institut für Sportökonomie und
       Sportmanagement der Sporthochschule, die gemeinsam mit Christoph Breuer die
       Studie geleitet hat. Auf all diesen Ebenen gibt es großen
       Verbesserungsbedarf: Was etwa die Situation der Athleten selbst angeht,
       entstehen oft Probleme mit dem Zeitmanagement, gerade wenn man vom Sport
       nicht leben kann.
       
       ## Verbesserungspotenzial allerorten
       
       „[2][Die duale Karriere – Leistungssport und Berufsausbildung] – ist
       herausfordernd“, sagt Hallmann. Am ehesten gab es noch Zufriedenheit im
       Bereich des Trainingsalltags. Die Qualität der Sportstätten in Deutschland
       wird von den Spitzensportlern überwiegend gelobt. „Verbesserungspotenzial
       gibt es in der Trainerqualität und -bezahlung“, sagt Hallmann. Die Trainer
       selbst sind für die Athleten da, loben 87 Prozent. Sie haben viel Ahnung,
       sagen immerhin noch 72 Prozent und einen guten Führungsstil, urteilen 67
       Prozent – es nimmt langsam ab.
       
       Überhaupt kann sich sogar in diesem Bereich die Studie nicht zum ganz
       großen Lob hiesiger Verhältnisse aufschwingen: „Im internationalen
       Vergleich hat Deutschland Nachholpotenzial, Trainer:innen in anderen
       Ländern erfahren bessere Aus- und Weiterbildung, arbeiten unmittelbar und
       unbürokratisch mit sportwissenschaftlichen Instituten zusammen und werden
       häufig besser vergütet als in Deutschland.“
       
       Johannes Herber sagt: „Nur jeder Zweite hat individualisierte
       Trainingspläne. Von Sportlern wird zu Recht Leistung gefordert, im Sinne
       von Medaillen, aber es gibt keine optimierten Trainingspläne! Das passt
       nicht zusammen.“ Die Situation der Trainer erinnert Herber an die der
       Pflegekräfte während der Pandemie: „Alle wissen, wie wichtig die sind, aber
       ordentlich bezahlt werden sie nicht.“
       
       Ein großes Manko offenbart sich auch in der Rolle, die die Athleten in der
       Gesellschaft spielen. Nur 56 Prozent fühlen sich von der Gesellschaft
       insgesamt wertgeschätzt. Fragt man genauer nach bestimmten Bereichen, sind
       es bezüglich der Medien nur 37 und seitens der Politik nur 31 Prozent. „Die
       höchste Wertschätzung wird den Athleten vermutlich noch von Lieschen Müller
       entgegengebracht“, sagt Kirstin Hallmann. „Allerdings wird die Beachtung
       für die klassischen olympischen Sportarten immer mehr zugunsten von Fußball
       und Formel 1 zurückgedrängt.
       
       Das assoziiert man mittlerweile vor allem mit Spitzensport.“ Das nervt auch
       Herber, der selbst früher Basketballer war. „Einige Sportarten, die nur bei
       Olympischen Spielen die große Bühne betreten, geraten aus dem Fokus.“ Die
       „Finals“, ein Multisportevent, bei dem die Deutschen Meister in gleich 18
       Sportarten ermittelt werden, hält Herber für einen guten Ansatz, da
       gegenzusteuern: „So entsteht Wertschätzung.“
       
       Mitten in der Coronakrise, die viele Vereine und Sportler vor enorme
       Herausforderungen stellt und kurz vor den Olympischen und Paralympischen
       Winterspielen in China bekommt der deutsche Sport attestiert, dass er nicht
       so gut dasteht. „Wir liefern die Evidenz“, sagt Kirstin Hallmann. „Welche
       Handlungen daraus entstehen werden, müssen andere entscheiden.“
       
       Und Johannes Herber, dessen Verein Athleten Deutschland sich als
       Sportlergewerkschaft versteht, sagt: „Ich glaube, dass alle Akteure in der
       Sportpolitik sich die Ergebnisse genau anschauen müssen.“ Sie zeigen
       nämlich in einigen Bereichen „einen Mangel an Professionalität“.
       
       25 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dshs-koeln.de/fileadmin/redaktion/Aktuelles/Forschungsnewsletter/2019/Nr.1/Breuer_et_al.__2018__Lebenssituation_Spitzensportler.pdf
 (DIR) [2] https://duale-karriere.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
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