# taz.de -- Soziale Absicherung in Fernsehbranche: Durch alle Raster gefallen
       
       > Für Menschen, die in der Film- und Fernsehbranche arbeiten, ist soziale
       > Absicherung ein Problem. Die Pandemie hat ihre Unsicherheit verschärft.
       
 (IMG) Bild: „Fast ein Jahr mussten wir warten, bis die Politik verstanden hat“, sagt Heinrich Schafmeister
       
       Mitarbeiter*innen in der Film- und Fernsehwirtschaft sind oft nicht
       fest angestellt. Ihr Status ist versicherungstechnisch häufig kompliziert,
       wenn sie beispielsweise als Soloselbstständige, kurzfristig Beschäftigte
       oder projektgebundene Angestellte klassifiziert werden. Soziale Absicherung
       ist daher für die meisten sowieso schon [1][ein schwieriges Thema].
       
       Aber in Zeiten von Corona wurde es für viele zum Albtraum. Zum Beispiel für
       Schauspieler*innen: „Zwei Drittel bis zu drei Viertel aller Schauspieler
       hatten von jetzt auf gleich keine Einkünfte mehr und mussten ihre kärgliche
       Altersvorsorge aufbrauchen beziehungsweise anbrechen“, sagt Heinrich
       Schafmeister. Der Schauspieler ist Vorstandsmitglied im Bundesverband
       Schauspiel und kann sich nicht daran erinnern, dass seine Zunft in der
       Vergangenheit schon eine ähnlich schwierige Phase erlebt hat: „Das war eine
       Superkatastrophe.“
       
       In der Berufsgruppe sind Film und Fernsehen sowie Theater und Synchronjobs
       die Haupteinsatzgebiete. Die beiden letzteren Bereiche fielen letztes Jahr
       im März komplett weg. „Fast ein Jahr mussten wir warten, bis die Politik
       verstanden hat“, kritisiert Schafmeister, „denn man ging davon aus, wir
       seien alle Soloselbstständige.“ Tatsächlich können Schauspieler*innen
       wie andere Kreative auch kurzfristig Beschäftigte sein. Und dadurch fielen
       viele erst mal ein knappes Jahr lang durch sämtliche Raster. Erst ab
       Frühjahr dieses Jahres wurden sie in die „Novemberhilfen“ mit einbezogen,
       die auch für den privaten Lebensunterhalt verwendet werden durften.
       
       ## Es nicht reicht für ein Leben im Alter
       
       Als „Lichtblick“ sieht der Schauspieler die Pensionskasse Rundfunk (PKR),
       die dieses Jahr ihr 50-jähiges Bestehen feiert. Die PKR bietet freien
       Mitarbeiter*innen von öffentlich-rechtlichen Sendern und von über
       450 Produktionsunternehmen eine Altersversorgung, die sich aus eigenen und
       Beiträgen der Arbeitgeber zusammensetzt.
       
       Allerdings wurde auch der Zuwachs der PKR-Mitglieder 2020 „spürbar“ von der
       Coronapandemie beeinflusst. „Während viele Freie bei den Rundfunkanstalten
       während der Lockdowns im Frühjahr 2020 und im Spätherbst deutlich mehr zu
       tun hatten, wurden zahlreiche Produktionen von Mai bis Juli 2020 verschoben
       oder fielen ganz aus“, sagt Iris Gebing von der Pensionskasse. Das wirkte
       sich auch auf die Anzahl der Neumitglieder aus: „So erhielten wir während
       der Lockdowns kaum halb so viele Aufnahmeanträge wie in den gleichen
       Zeiträumen des Vorjahres.“
       
       Im letzten Dezember wurde im Auftrag des Berliner Senats eine Umfrage zur
       Situation der Film- und Fernsehschaffenden in der Hauptstadtregion
       gestartet. Ein [2][Zwischenbericht aus dem Frühjahr 2021] kommt unter
       anderem zu folgenden Ergebnissen: 11 Prozent der Film- und
       Fernsehschaffenden in Berlin sowie Brandenburg hätten keine Altersvorsorge.
       Von den Menschen, die Altersvorsorge betrieben, seien 57 Prozent der
       Meinung, dass diese für ein Leben im Alter nicht ausreiche. Hauptgrund für
       die fehlende Altersvorsorge: fehlende finanzielle Mittel.
       
       Covid, so der Bericht, habe dann die Situation noch einmal deutlich
       verschlechtert: 60 Prozent der Befragten verzeichneten Einkommenseinbußen,
       ein Drittel klagte über hohe psychische und physische Belastungen durch
       Pandemiesituation und Lockdown. 42 Prozent hatten Coronahilfen beantragt,
       wobei ein Teil monierte, dass die Hilfen für sie grundsätzlich nicht
       beantragbar seien. Unter anderem, weil sie keine nennenswerten
       Betriebskosten hatten oder weil sie von ihrem Status her nicht berechtigt
       waren.
       
       ## Ein Durcheinander
       
       Einer, der gut durchs letzte Jahr kam, ist Jens Bartram. Und das, obwohl
       der Maskenbildner im letzten Jahr über drei Monate lang keine Arbeit hatte.
       „Ich konnte Arbeitslosengeld beantragen, da ich für jede Produktion fest
       angestellt werde.“ Das ging aber auch nur, weil der gutbeschäftigte
       Kreative in den zwei Jahren zuvor insgesamt 360 Arbeitstage verzeichnen
       konnte. Andernfalls hätte er keinen Anspruch gehabt.
       
       „Es gibt ein großes Durcheinander in der Kulturszene, was Status und
       Absicherungsmöglichkeiten angeht“, kritisiert Schafmeister, „alle Menschen
       werden mal krank, die meisten Menschen werden irgendwann mal erwerbslos,
       alle Menschen brauchen irgendwann mal Pflege, alle Menschen werden alt und
       können nicht mehr arbeiten.“
       
       Nicht nur aus seiner Sicht [3][wäre eine Bürgerversicherung], in die alle
       einzahlen und mit der alle kranken- sowie rentenversichert sind, die
       richtige Lösung. Und sie käme auch vielen anderen zugute, die in der
       Gesellschaft nicht so sichtbar werden können wie Medienschaffende oder
       Künstler. Die PKR hält er jedenfalls für ein „geniales Modell“, was die
       Altersvorsorge angeht: „Sie wäre auch ein Modell für andere Bereiche.“
       
       18 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Altersvorsorge-von-Freien-Beschaeftigten/!5636990
 (DIR) [2] https://www.parlament-berlin.de/adosservice/18/Haupt/vorgang/h18-3221.C-v.pdf
 (DIR) [3] /Wahlkampfthema-Pflege/!5064634
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Urbe
       
       ## TAGS
       
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