# taz.de -- Wahl im Irak: Sadr-Anhänger feiern Sieg in Bagdad
       
       > Der Geistliche Muqtada al-Sadr ist laut ersten Ergebnissen klarer
       > Wahlsieger. Einst bekämpfte er US-Truppen, heute gibt er sich als
       > Reformer.
       
 (IMG) Bild: Der schiitische Geistliche Muqtada al-Sadr zeigt seinen tinteverschmierten Finger nach Stimmabgabe
       
       Bagdad dpa | Der schiitische Geistliche Muqtada al-Sadr wird mit seiner
       Strömung im irakischen Parlament ersten Ergebnissen zufolge stärkste Kraft.
       Seine Anhänger feierten den Wahlsieg in der Nacht zu Dienstag auf den
       Straßen. Zahlreiche Menschen fuhren in Autokorsos mit Hupkonzerten durch
       die Hauptstadt Bagdad, viele von ihnen schwenkten Irak-Fahnen.
       
       Nach vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission erreichte al-Sadrs Strömung
       bei der [1][Parlamentswahl am Sonntag] die meisten Stimmen für das
       Abgeordnetenhaus. Al-Sadr beanspruchte den Sieg am Montagabend für sich.
       
       In einer Fernsehansprache warnte Al-Sadr andere Staaten, sich in die
       Regierungsbildung einzumischen. Zugleich sagte er der Korruption den Kampf
       an.
       
       Al-Sadrs Strömung war bereits bei der Parlamentswahl 2018 stärkste Kraft
       geworden. Deutliche Einbußen muss nach den vorläufigen Ergebnissen die
       damals zweitplatzierte Fatah-Koalition hinnehmen. Sie ist mit den
       schiitischen Milizen verbunden und wird vom Iran unterstützt. Fatah könnte
       mehr als die Hälfte ihrer Sitze verlieren.
       
       ## Al-Sadr braucht Partner
       
       Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi hatte die Abstimmung nach
       [2][Massenprotesten gegen die politische Führung des Landes] um mehrere
       Monate vorgezogen. Die im Oktober 2019 ausgebrochenen Demonstrationen
       richteten sich unter anderem gegen die Korruption, die schwache
       Wirtschaftslage und die schlechte Infrastruktur. In dem Land sind Zellen
       der IS-Terrormiliz weiter aktiv. Die Extremisten hatten 2014 große Gebiete
       im Norden und Westen des Landes überrannt.
       
       Al-Sadrs Bewegung warb im Wahlkampf für Reformen. Sie ist jedoch Teil der
       politischen Elite, die viele Iraker für die Missstände im Land
       verantwortlich machen. Das Misstrauen in die Politik zeigte sich auch bei
       der Wahlbeteiligung, die bei der Abstimmung auf ein Rekordtief von rund 41
       Prozent sank. Beobachter sahen darin ein deutliches Zeichen für den Frust
       vieler Iraker über die politischen Zustände.
       
       Anhänger der Protestbewegung [3][hatten zum Boykott der Wahl aufgerufen].
       Sie erwarten innerhalb des bestehenden politischen Systems keine Änderung
       der Machtverhältnisse. Das heutige System war nach dem Sturz von
       Langzeitherrscher Saddam Hussein 2003 errichtet worden.
       
       Al-Sadr, der selbst nicht kandidierte, hatte vor der Wahl Anspruch auf das
       Amt des Regierungschefs für ein Mitglied seiner Bewegung erhoben. Ob er das
       durchsetzen kann, ist unklar. Für eine Mehrheit im Parlament braucht er
       Bündnispartner. Auch die USA und der Iran haben Einfluss auf die
       Regierungsbildung. Regierungschef Al-Kasimi werden als Kompromisskandidat
       Chancen auf eine weitere Amtsperiode eingeräumt. Er genießt im Westen hohes
       Ansehen, trat bei der Wahl aber selbst nicht an und verfügt deswegen über
       keine Hausmacht.
       
       ## 250.000 Sicherheitskräfte im Einsatz
       
       Der 47 Jahre alte al-Sadr gilt als kontroverse Figur. Nach Saddam Husseins
       Sturz bekämpfte seine Mahdi-Armee die US-Truppen. Heute gibt er sich
       gemäßigter und tritt in einer Mischung aus Nationalist und Populist auf.
       Seine Anhänger leben vor allem in den ärmeren Vierteln Bagdads und anderer
       Städte. Der Wahlsieg ist auch auf Al-Sadrs Fähigkeit zurückzuführen, sie
       mobilisieren zu können.
       
       Die Abstimmung verlief insgesamt ruhig. Nach Angaben der Militärführung
       waren mehr als 250.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, um Zwischenfälle zu
       verhindern. Insgesamt waren rund 25 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen.
       
       Auch wirtschaftlich ist das Land unter Druck. Der Irak hängt stark vom Öl
       ab und hat unter den niedrigen Ölpreisen während der Coronapandemie
       gelitten. Vor allem junge Iraker klagen über Arbeitslosigkeit und mangelnde
       Chancen auf ein besseres Leben.
       
       12 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Parlamentswahl-im-Irak/!5803956
 (DIR) [2] /Protest-im-Irak/!5643962
 (DIR) [3] /Boykottaufrufe-vor-Parlamentswahlen/!5806639
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Irak
 (DIR) Schwerpunkt Iran
 (DIR) Muktada al-Sadr
 (DIR) Schwerpunkt Iran
 (DIR) Irak
 (DIR) Irak
 (DIR) Irak
 (DIR) Irak
 (DIR) Irak
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Attentat auf Iraks Premierminister: Machtprobe mit Drohnen im Irak
       
       Auf Premierminister Mustafa al-Kadhimi gab es ein versuchtes Attentat.
       Proiranische Kräfte setzen im Irak jetzt auf Eskalation.
       
 (DIR) Anhaltende Spannungen im Irak: Drohnenangriff auf Regierungschef
       
       Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi bleibt bei dem Angriff in Bagdads
       Grüner Zone unverletzt. Jedoch wurden Personenschützer verletzt.
       
 (DIR) Parlamentswahl im Irak: Der „Widerstand“ bleibt stur
       
       Nach der Wahl verstärkt sich im Irak die Polarisierung im schiitischen
       Lager. Iran nahestehende Kräfte wollen den Sieg der Sadristen nicht
       anerkennen.
       
 (DIR) Wahl im Irak: Wahlbeteiligung auf Rekordtief
       
       Bei der Parlamentswahl im Irak haben so wenige Menschen ihre Stimme
       abgegeben wie nie zuvor seit 2003. Aktivist*innen hatten zum Boykott
       aufgerufen.
       
 (DIR) Parlamentswahl im Irak: Neuwahl mit alten Kräften
       
       Nach Massenprotesten wird im Irak neu gewählt. Einige hoffen auf einen
       Aufbruch. Doch die alten Akteure dürften sich erneut durchsetzen.
       
 (DIR) Boykottaufrufe vor Parlamentswahlen: Wahl und Nichtwahl in Irak
       
       Mit Massenprotesten hat Iraks Protestbewegung erfolgreich eine Neuwahl
       erzwungen. Doch nun rufen viele progressive Kräfte zum Wahlboykott auf.