# taz.de -- Wahldebakel der CDU: Der Absturz
       
       > Es war ein unglücklicher Wahlkampf für CDU-Kandidat Laschet. Seine Partei
       > will dennoch eine „Zukunftskoalition“ schmieden.
       
 (IMG) Bild: Er setzt jetzt auf eine „Zukunftskoalition“: Armin Laschet am 26. September
       
       An der Berliner CDU-Parteizentrale hängt seit Tagen ein riesiges
       Transparent. Es zeigt Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel, die
       drei Kanzler:innen, die die CDU für ihre großen hält. Als Letzter, ganz
       rechts in der Reihe, ist Armin Laschet zu sehen. In der Parteizentrale aber
       war man sich zuletzt alles andere als sicher, dass man Laschet hier bald
       einreihen kann.
       
       Im Gegenteil: Im Konrad-Adenauer-Haus wurden alle möglichen Szenarien
       bereits durchgespielt, auch am Sonntag noch. Und so manch einer in der
       CDU-Spitze machte sich schon Gedanken darüber, wer im Fall eines
       Wahldebakels wohl auf Laschet als Parteichef folgen könnte, und wer dann am
       Dienstag den Vorsitz der Unionsfraktion übernehmen soll.
       
       In der CDU-Zentrale ist am frühen Sonntagabend denn auch Angespanntheit zu
       spüren. Als um 18 Uhr die erste Prognose auf der großen Leinwand im Foyer
       erscheint, herrscht dort erst einmal Schockstarre. Zwischen 24 und 25
       Prozent, mehr oder minder [1][Gleichstand mit der SPD] – und für die Union
       herbe Verluste. Später sehen die Prognosen die [2][SPD vor der CDU]. Manche
       CDU-Mitglieder dürften froh sein, dass sie eine Maske tragen, damit man ihr
       Entsetzen weniger sieht. Zögerliches Klatschen, als ARD-Journalist Jörg
       Schönenborn die Prognose vorgestellt hat. Richtiger Applaus brandet erst
       auf, als man sieht, dass es zu diesem Zeitpunkt für eine [3][rot-grün-rote
       Koalition nicht reicht].
       
       Kurz danach tritt CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak vor die Fernsehkameras,
       hinter ihm prangt CDU in großen, roten Buchstaben. Ziemiak spricht von
       einem Kopf-an-Kopf-Rennen und dass dies wohl ein langer Wahlabend werden
       wird. Er räumt „bittere Verluste“ ein, sagt aber auch: „Jetzt wird es darum
       gehen, wer kann eine Regierung bilden.“ Für die Union wäre das eine mit
       Grünen und FDP, die Ziemiak nicht Jamaika, sondern „Zukunftskoalition“
       nennt. Für „Stabilität, Sicherheit und Klimaschutz“ würde das Bündnis
       stehen. Ob man dieses auch von Position zwei aus anstreben würde? Ziemiak
       bejaht: Es gehe um eine Koalition, die eine Mehrheit im Bundestag habe und
       die „gut fürs Land“ sei. Und das sei ein mit der FDP verlängertes Rot-Grün
       nicht.
       
       ## Unbedingt mitregieren
       
       Eine Dreiviertelstunde später zieht Armin Laschet mit Kanzlerin Angela
       Merkel und vielen Mitgliedern des CDU-Präsidiums in das Foyer ein. Ziemiak
       stellt sich links von Laschet, Silvia Breher, die Parteivize, rechts von
       ihm. Laschet dankt Merkel für 16 Jahre Kanzlerschaft und sagt, dass es ohne
       Amtsbonus ein harter und offener Wahlkampf war. Mit den Ergebnissen könne
       man nicht zufrieden sein, aber man habe aufgeholt. Jetzt gehe es darum,
       eine Regierung zu bilden. „Wir haben einen klaren Auftrag erhalten“, sagt
       Laschet. „Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine
       linksgeführte Bundesregierung.“ Er werde alles tun, um eine Regierung zu
       bilden. Und auch Laschet spricht, wie Ziemiak vor ihm, von einer
       „Zukunftskoalition“. Auf dieses Wording scheint sich die CDU verständigt zu
       haben. „Dafür werde ich arbeiten, gemeinsam mit Markus Söder und dem ganzen
       Team.“ Dafür gibt es breiten Applaus.
       
       Und auch die CSU stimmt nun in den Tenor ein. Vor der Wahl hatte Parteichef
       Markus Söder noch klargestellt: „Nur, wenn die Union an der eins ist,
       besteht die Chance zu regieren.“ Am Sonntagabend steht er in Berlin – und
       klingt anders. „Es gibt alle Chancen für die Union“, sagt Söder. Die Union
       habe eine „starke Aufholjagd“ hingelegt, in Bayern liege man mit rund 32
       Prozent über dem Bundestrend. „Wir glauben fest an die Idee eines
       Jamaika-Bündnis.“ Es wäre eine Koalition „der Vernunft in schweren Zeiten“.
       Alle Parteien müssten dafür „raus aus der Komfortzone“, wegen von
       „parteitaktischen Isolierungen“.
       
       Ganz gleich klingt es in München. Vor der CSU-Parteizentrale steht noch das
       Plakat: „Linksrutsch verhindern“. Anders als vor vier Jahren findet der
       Wahlabend hier weitgehend ohne Parteivolk statt. Die Stimmung ist deutlich
       verhaltener als am Nockherberg, wo die Bayern-SPD feiert. Den größten
       Applaus gibt es hier ebenfalls, als im Fernsehen eine fehlende Mehrheit für
       Rot-Grün-Rot verkündet wird. Auch spricht CSU-Generalsekretär Markus Blume
       von einer möglichen bürgerlichen Regierung. Auf die Frage, ob die Union
       dabei bleibe, nicht in eine Regierung einzutreten, wenn sie nicht die
       stärkste Fraktion stelle, weicht er aus. Das Ziel sei eine maximal starke
       Union, sagt Blume.
       
       Und dennoch bleibt es eine Zitterpartie. Bei der letzten Bundestagswahl
       hatten noch 32,9 Prozent der Wähler:innen für die Union gestimmt, was
       manch interne Kritiker:innen der Kanzlerin bereits als ein miserables
       Ergebnis einstuften. Nun sind die Verluste weitaus härter. Ganze 1,3
       Millionen Wähler:innen wanderten von der Union zur SPD ab, eine Million
       an die Grünen und 340.000 Stimmen an die FDP.
       
       ## Laschets politische Karriere steht auf dem Spiel
       
       Doch dieses Mal reicht eben vielleicht auch Platz zwei fürs Kanzleramt.
       Dann könnte die Machtmaschine, die die CDU immer war, trotz ihres
       schwierigen Kandidaten noch einmal leidlich erfolgreich sein. Der
       Zeitenwechsel, der in der CDU so oder so nach der Ära Merkel ansteht,
       könnte ohne Implosion der Partei vonstatten gehen.
       
       Für Laschet geht es an diesem Abend um alles. Gelingt ihm das Schmieden
       eines Regierungsbündnisses, dann hätte er seinem Image als Stehaufmännchen
       wieder einmal alle Ehre gemacht – mit einer unglaublichen Leidensfähigkeit,
       mit Nervenstärke und einem Stehvermögen, das nicht viele haben. Gelingt das
       aber nicht, steht Laschets politische Karriere auf dem Spiel – und der CDU
       wohl ein veritables Gemetzel bevor.
       
       Der Wahlkampf ist für Laschet schlecht gelaufen, auf vielerlei Ebenen. Für
       die Union war es eine komplett neue Situation: Nach vier erfolgreichen
       Wahlkämpfen war die Kanzlerin aus eigenen Stücken nicht mehr angetreten.
       Das gab es in der Bundesrepublik noch nie. Den Parteivorsitz hatte Merkel
       schon zuvor abgegeben, an Annegret Kramp-Karrenbauer, doch das ging schief.
       So wurde Laschet im Dezember zum CDU-Chef gewählt, von nur etwas mehr als
       der Hälfte der Delegierten. Dann lieferten sich Laschet und CSU-Chef Söder
       auch noch einen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur, der eine Spaltung
       zwischen CSU und CDU hinterließ.
       
       Und Laschet gab ihnen im Wahlkampf allerhand Anlässe für weiteres Ungemach.
       Der folgenreichste vielleicht: sein Lachen in Erftstadt, im Flutgebiet.
       Hinzu kam, dass Söder, den sein Generalsekretär als „Kandidaten der Herzen
       ausrief“, die Niederlage nicht verschmerzte und fortan Spitzen aus München
       schickte.
       
       ## Angriff fällt ihm schwer
       
       Als SPD-Kandidat Olaf Scholz dann vor einigen Wochen seine Partei auch noch
       vor die Union schob, brachte das Laschet doppelt in die Bredouille: In der
       CDU-Zentrale hatte man sich auf einen Wahlkampf mit den Grünen als
       Hauptgegner eingestellt, Laschet sollte sich als Kümmerer präsentieren, der
       die Gesellschaft zusammenhält. Nun aber musste Laschet angreifen – was ihm
       sichtlich schwer fiel.
       
       Am Ende roch viel nach Verzweiflung: die Kompetenzteams, die er noch aus
       dem Hut zauberte, all die Papiere, die Rote-Socken-Kampagne, die er aus der
       Mottenkiste zog. Schließlich musste sogar die Kanzlerin mit dem glücklosen
       Kandidaten auftreten – eigentlich hatte sie angekündigt, sich weitgehend
       aus dem Wahlkampf herauszuhalten.
       
       Nun also zielt Laschet auf Sondierungsgespräche mit der FDP und den Grünen.
       Mit der FDP regiert er auch in Nordrhein-Westfalen, mit [4][FDP-Chef
       Christian Lindner kommt er gut klar]. Aber auch die Grünen haben
       signalisiert, dass sie nicht fest an der Seite der SPD stehen. Robert
       Habeck, der Grünen-Chef, hat bereits in Schleswig-Holstein eine
       Jamaika-Koalition mitgeschmiedet. Und Laschet lockt noch am Wahlabend: Er
       ziele auf eine Koalition, in der sich „jeder Partner wiederfindet“.
       
       26 Sep 2021
       
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