# taz.de -- Aktivist*innen zum Klimastreik: „Nicht das einzige Mittel“
       
       > Weltweit streiken Aktivist*innen für das Klima. Fünf von ihnen
       > berichten – von deutscher Kohle und indischer Trockenheit.
       
 (IMG) Bild: Zum Beispiel in Warschau: Junge Klimaaktivist*innen am Freitag auf der Straße
       
       ## „Sofort aus der Kohle aussteigen“
       
       Carola Rackete, 33, Umwelts- und Menschenrechtsaktivistin und
       Naturschutzökologin 
       
       „Ich streike heute in Lützerath, weil sich hier zeigen wird, ob die
       zukünftige Bundesregierung es ernst meint mit der Bekämpfung der
       Klimakrise. Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel einhalten wollen, darf die Kohle,
       die unter dem rheinländischen Dorf liegt, nicht von RWE abgebaggert werden,
       das hat eine [1][Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung]
       ergeben. Die Grenze für die Einhaltung der Klimaziele liegt also unter
       unseren Füßen, unter diesem Dorf. Die zukünftige Regierungskoalition muss
       Wege finden, um sofort aus der Kohle auszusteigen und Lützerath zu retten.
       
       Die Bundestagswahl ist in mehrfacher Hinsicht eine ungerechte Wahl.
       Einerseits, weil die jungen Menschen, die noch nicht wählen dürfen, stärker
       von der Krise betroffen sind als viele Wähler*innen. Andererseits darf man
       auch nicht vergessen, wie viele Menschen schon [2][lange ohne deutschen
       Pass hier leben], arbeiten, integriert sind, Steuern zahlen – aber nicht
       wählen dürfen. Das sind knapp elf Millionen Menschen, die direkt von den
       Entscheidungen des Deutschen Bundestags betroffen sind, aber nicht
       mitgestalten dürfen. Da wird klar, welche große soziale Ungerechtigkeit in
       der Wahl steckt.
       
       In Lützerath werden wir auch die [3][Delegation der Zapatistas aus Mexiko]
       empfangen, die gerade auf Weltreise sind. Sie haben jahrelange Erfahrung
       mit Selbstorganisierung und autonomer Verteidigung von Territorien.
       
       Ab Montag, dem Tag nach der Wahl, laden wir alle, die Lust haben, zum
       Skillshare-Festival ein, bringen uns Klettern und Knoten und andere
       praktische Dinge bei. Seit einigen Wochen bauen wir hier Baumhäuser und
       Holztürme und organisieren die Infrastruktur, damit möglichst viele
       Menschen nach Lützerath kommen können, um mit uns das Dorf zu verteidigen.
       Wir machen auch viel Bildungsarbeit.
       
       Ich finde es gut, mit dem globalen Streik zu zeigen, dass sich viele
       Menschen für Klimaschutz interessieren und sich dezentral organisieren.
       Allerdings bezweifle ich, dass man damit noch wirklich Druck aufbauen kann.
       Ein solcher Streik ist einplanbar, nach einem Tag vorbei und zwingt
       diejenigen, die Handlungsmacht haben, nicht zum Handeln. Es ist eher ein
       symbolischer Protest. Bei direkten Aktionen wie im Hambacher und
       Dannenröder Forst oder [4][jetzt in Lützerath] ist es anders.
       
       Wo der Protest an einem konkreten Ort mit einem konkreten Ziel verbunden
       ist, haben wir die Möglichkeit, einen Schaden – also das Abbaggern der
       Kohle – wirklich zu verhindern. Im Danni und im Hambi haben wir gesehen,
       wie groß die zivilgesellschaftliche Unterstützung für diese Art des
       Protests ist.
       
       Natürlich können oder wollen sich nicht alle, die für Klimaschutz sind, an
       einer Besetzung beteiligen. Deshalb, und um unsere Solidarität mit den
       streikenden Kindern und Jugendlichen zu zeigen, streiken wir heute. Es darf
       nur nicht das einzige Mittel des Protests sein.“ (Protokoll: Katharina
       Schipkowski)
       
       ## „Demonstrierende werden verfolgt“
       
       Alexandra Zakiewa, 28, engagiert sich bei FFF Moskau und promoviert in
       Pflanzenbiologie 
       
       „In Russland finden es viele Ältere immer noch unerhört, sich politisch zu
       engagieren. Es gibt heute nur spontane, einzelne Aktionen der Fridays –
       auch wegen der [5][Repression der Polizei]. Als ich im April dafür
       protestierte, politische Gefangene freizulassen, hatte ich furchtbar Angst.
       Demonstrierende werden hier nach Hause verfolgt. Es ist üblich, einen
       Rucksack mit dem Nötigsten mitzunehmen für den Fall, dass man verhaftet
       wird.
       
       Immerhin: Seit 2019 nehmen immer mehr Russ:innen die Klimakrise ernst.
       Fridays for Future Moskau agiert derzeit im Kleinen: Wir informieren die
       Leute über Mülltrennung. In Sibirien bekommen die Indigenen die Klimakrise
       wegen des nachlassenden Permafrosts jetzt schon zu spüren.“ (Protokoll:
       Nathanael Häfner)
       
       ## „Das ist gar kein Alt-gegen-jung-Konflikt“
       
       Lia, 16, Schülerin in Tel Aviv, und Pressesprecherin für FFF Tel Aviv 
       
       „Diesen Sommer brannten die Wälder nahe Jerusalem. Im Winter fehlt mal
       Wasser, mal gibt es Überschwemmungen. Die neue Regierung scheint den
       Klimawandel ernster zu nehmen. [6][Aber das reicht nicht.] Deshalb gehen
       wir am Freitag in Tel Aviv auf die Straße.
       
       In unserer Fridays-Gruppe sind alle recht jung, der Jüngste ist erst 12.
       Wir sind vor allem Schüler*innen, in Israel müssen ja alle nach dem
       Schulabschluss zur Armee. Die Klimakrise ist gar kein
       Alt-gegen-jung-Konflikt, meine Eltern unterstützen mich auch. Vielmehr
       sitzen die Schuldigen in den Regierungen weltweit. Der Protest heute ist
       nicht unser Hauptprojekt. Wir bereiten gerade eine größere Aktion für Ende
       Oktober vor – kurz vor der UN-Klimakonferenz in Glasgow.“ (Protokoll:
       Nathanael Häfner)
       
       ## „Jeder muss jetzt handeln“
       
       Ananya Kamboj,16, ist Initiatorin des FFF-Streiks in Mohali, Punjab. Sie
       rechnet mit 20 Teilnehmer*innen 
       
       „Der Regen ist in Punjab unberechenbar geworden: Oft regnet es in der
       Erntezeit, dafür ist es trocken, wenn ausgesät wird. Dann hat die
       Landwirtschaft Verluste. Auch gibt es keine guten Bewässerungssysteme, die
       Landwirtschaft ist so vom Grundwasser abhängig, dessen Spiegel Tag für Tag
       sinkt.
       
       Ich möchte, dass die indische Regierung sich nicht nur in den Medien zum
       Kampf gegen den Klimawandel bekennt, sondern real handelt. Wir müssen die
       Abholzung der Wälder stoppen, den Klimanotstand ausrufen, Klimaschutz als
       Schulfach aufnehmen. Denn jeder muss jetzt handeln. Dafür setze ich mich
       [7][jeden Freitag vor die Regierungsgebäude], anstatt zur Schule zu gehen.
       Meine zehnjährige Schwester ist fast immer dabei.“ (Protokoll: Katharina
       Schipkowski)
       
       ## „Wir sind im Lockdown, Protest ist nicht erlaubt“
       
       Patsy Islam-Parsons, 20, ist Studentin und FFF-Organisatorin in Sydney 
       
       „Leider trifft die Deltavariante Australien gerade hart. Wir sind im
       Lockdown, die Regierung erlaubt keinen Protest. Deshalb posten wir Fridays
       heute nur Fotos von uns mit Protestschildern. Wir hoffen, ab dem 15.
       Oktober in Sydney auf die Straße gehen zu können, dann soll der Lockdown
       enden.
       
       In unserer Gruppe haben junge Menschen das Sagen. Aber mittlerweile haben
       sich auch viele Ältere unseren Protesten angeschlossen. Als die Buschbrände
       immer heftiger wurden, waren alle betroffen. Wer das Feuer sieht, den
       Rauch, sein Haus verliert, der hat die Klimakrise vor Augen. Allein 2020
       verbrannten mehr als drei Milliarden Tiere. Auch das [8][Great Barrier Reef
       stirbt immer mehr aus], und unsere indigene Community leidet sehr unter der
       Hitze.“(Protokoll: Nathanael Häfner)
       
       24 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.819609.de/diwkompakt_2021-169.pdf
 (DIR) [2] /Leben-ohne-Aufenthaltserlaubnis/!5799398
 (DIR) [3] /Zapatista-Rundreise-in-Europa/!5800950
 (DIR) [4] /Kohlefoerderung-bei-Luetzerath/!5741917
 (DIR) [5] /Repression-in-Russland/!5768705
 (DIR) [6] /Verschmutzter-Strand/!5750287
 (DIR) [7] /Klimastreik-in-Indien/!5754980
 (DIR) [8] /Bedrohtes-Naturwunder-in-Australien/!5781846
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
 (DIR) Nathanael Häfner
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Fridays For Future
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Kohleausstieg
 (DIR) GNS
 (DIR) Kohle
 (DIR) Schwerpunkt Klimaproteste
 (DIR) Grüne Hessen
 (DIR) Schwerpunkt Klimaproteste
 (DIR) Ampel-Koalition
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Greta Thunberg
 (DIR) Bremer Shakespeare Company
 (DIR) Schwerpunkt Fridays For Future
 (DIR) Schwerpunkt Fridays For Future
 (DIR) IG
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) WDR-Doku über Dannenröder Forst: Unversöhnliche Parallelwelten
       
       2020 kämpften AktivistInnen gegen die Rodung des Dannenröder Forsts. Der
       WDR hat darüber eine aufwühlende Doku gemacht.
       
 (DIR) Klimastreik in Berlin: Protest vor der SPD-Zentrale
       
       Mehr als 10.000 Menschen fordern von der nächsten Bundesregierung mehr
       Einsatz für das Klima. Besonders die SPD wird kritisiert.
       
 (DIR) Aktivistin Reemtsma über Klimaerwärmung: „Grünes Wachstum bleibt Illusion“
       
       Auch mit den Grünen in einer Ampelkoalition könnte das 1,5-Grad-Ziel
       verfehlt werden, sagt FFF-Klimaaktivistin Carla Reemtsma.
       
 (DIR) Greta Thunberg im Braunkohlerevier: „Wahl wird Klimakrise nicht lösen“
       
       Das Dorf Lützerath soll als Nächstes für den Braunkohleabbau weichen.
       Klimaaktivistin Greta Thunberg ruft vor Ort zum Widerstand auf.
       
 (DIR) Internationaler Klimaprotest: Globale Erhitzung
       
       Fridays for Future sind zurück: Nach monatelanger Coronapause protestieren
       weltweit wieder Hunderttausende für eine bessere Klimapolitik.
       
 (DIR) Globaler Klimastreik am Freitag: Proteste von Kapstadt bis Wien
       
       Überall auf der Welt protestieren Menschen für mehr Klimagerechtigkeit. In
       Berlin kommt auch Greta Thunberg auf die Demo.
       
 (DIR) Theaterstück „99 Schritte zum Meer“: Klimawandel als Familiendrama
       
       Die Bremer Shakespeare Company zeigt mit „99 Schritte zum Meer“ ein
       Mehrgenerationenstück. Sogar die Dinausaurier leben darin noch.
       
 (DIR) FFF-Sprecherin über die Bundestagswahl: „Eltern wählen für ihre Kinder“
       
       Beim globalen Klimastreik will „Fridays for Future“ am Freitag auch im
       Norden streiken. Ältere Wähler*innen seien nun in der Pflicht.
       
 (DIR) Junge Klimaaktivisten geben zu Protokoll: „Läuft auf Öko-Diktatur hinaus!“
       
       Drei junge Menschen aus dem Klimacamp geben Auskunft über ihre Hoffnungen
       und Ängste, und darüber, dass die Zukunft alles andere als bequem wird.
       
 (DIR) Globaler Klimastreiktag am Freitag: „Zeichen vor Glasgow“
       
       Fridays for Future ruft für Freitag zum achten weltweiten Streik auf, um
       Druck vor der Internationalen Klimakonferenz zu erzeugen.