# taz.de -- Sexualisierte Gewalt im US-Fußball: Ständige Übergriffe
       
       > Nahezu im Wochentakt werden in der US-Frauenfußballliga Vorwürfe gegen
       > Trainer und Funktionäre wegen sexualisierter Gewalt erhoben.
       
 (IMG) Bild: Spielpause: Die National Women's Soccer League hat aus Protest einen Spieltag ausgesetzt
       
       Es war ein ereignisreiches Wochenende im US-amerikanischen Sport. Tom Brady
       kehrte mit den Tampa Bay Buccaneers, mit denen er im Februar seine siebte
       Superbowl gewann, erstmals zurück nach New England, wo er mit den Patriots
       die ersten sechs Titel geholt hatte. Im College Football gab es
       Überraschungen, im Baseball wurden die letzten Playoff-Plätze vergeben und
       die NBA startete mit den ersten Testspielen für die neue Saison. Doch die
       wichtigsten Spiele waren wohl die, die gar nicht erst stattfanden: Die
       National Women’s Soccer League (NWSL) hatte ihren kompletten Spieltag
       abgesagt.
       
       Der Grund ist ein Missbrauchsskandal, der immer weitere Kreise zieht in der
       Frauenfußball-Profiliga. Am Freitag war die NWSL-Chefin Lisa Baird
       zurückgetreten. Nach nur 19 Monaten gab sie ihr Amt auf, weil ihr
       vorgehalten wurde, den Vorwürfen gegen Trainer und andere Verantwortliche
       nicht angemessen nachgegangen zu sein. Am Tag zuvor war [1][auf dem
       Webportal The Athletic] ein ausführlicher Bericht erschienen, in dem Sinead
       Farrelly und Mana Shim ihre Erfahrungen beschreiben. Die beiden ehemaligen
       Spielerinnen zeichnen das Bild einer Liga, in dem Fehlverhalten bis zum
       sexuellen Missbrauch grassiert.
       
       Ein solches Ausmaß haben die Vorwürfe, dass die Spielerinnengewerkschaft
       NWSLPA von „systemischem Missbrauch“ spricht, und dass sich die Fifa
       einschaltet. Der Weltverband hat in einem Statement angekündigt,
       „angesichts der Schwere und Ernsthaftigkeit der Vorwürfe der Spielerinnen
       die Angelegenheit aktiv zu untersuchen“.
       
       Im Zentrum des Skandals: Paul Riley, Cheftrainer des zweimaligen
       Titelträgers North Carolina Courage. Farrelly und Shim werfen dem in
       England geborenen, aber schon seit Jahrzehnten in den USA aktiven Coach
       vor, sie mehr als zehn Jahre lang sexuell belästigt zu haben. Riley hat
       bislang alle Vorwürfe bestritten, den „Athletic“-Bericht als „vollkommen
       unwahr“ bezeichnet und behauptet, er habe „niemals Sex mit diesen
       Spielerinnen gehabt“. Trotzdem wurde der Trainer noch am selben Tag, an dem
       der Artikel erschien, von seinem Klub gefeuert.
       
       ## Bekannte Vorwürfe
       
       Längst haben sich die prominentesten Namen des Sports eingeschaltet.
       [2][Weltfußballerin Megan Rapinoe] twitterte, der ständige Missbrauch von
       Männern an Frauen müsse endlich aufhören: „Brennt alles nieder. Lasst ihre
       Köpfe rollen!“ Und Alex Morgan, Spielführerin des US-Teams, machte eine
       E-Mail von Baird öffentlich, mit der klar wurde, dass die NWSL-Chefin schon
       seit Monaten von den Vorwürfen wusste, sie aber nicht weiterverfolgt hatte.
       
       Doch das Problem der Liga ist nicht auf Riley begrenzt. Nahezu im
       Wochentakt wurden während dieser Spielzeit Vorwürfe laut und
       Funktionär*innen mussten ihren Stuhl räumen. Richie Burke, Trainer von
       Washington Spirit, musste gehen, als die Washington Post detailliert seinen
       verbalen und emotionalen Missbrauch von Spielerinnen beschrieb. Der Gotham
       FC feuerte seine Managerin Alyse LaHue, weil sie gegen die
       Anti-Belästigung-Vorgaben der Liga verstoßen haben soll.
       
       Die Gründe für die Entlassung von Racing-Louisville-Trainer Christy Holly
       wurden nicht öffentlich gemacht – ebenso wenig wie der Trainingsvorfall,
       der zum Rücktritt von Farid Benstiti in Seattle führte. Der französische
       Coach war schon umstritten, als er im Januar sein Amt bei OL Reign, wo die
       deutsche Nationalspielerin Dzsenifer Marozsan unter Vertrag steht, antrat:
       US-Nationalspielerin Lindsay Horan hatte öffentlich gemacht, dass Benstiti
       sie als Trainer von Paris Saint-Germain wegen ihres Gewichts beschimpft
       habe. Dass nun zumindest über die Fälle gesprochen wird und nicht wie
       bisher die Verdächtigen einfach zur nächsten Trainerstation weiterziehen,
       ist ein erster Fortschritt.
       
       Allerdings ist die NWSL – wie viele andere Ligen weltweit – natürlich
       weiterhin anfällig für Missbrauch, weil der Großteil der Spielerinnen in
       prekären Verhältnissen einem Traum nachjagt. Die meisten Profis der zehn
       Liga-Teams verdienen kaum mehr als das Mindestgehalt von 22.000 Dollar für
       die knapp sechs Monate dauernde Spielzeit – und die Karriere ist schnell
       beendet, wenn ein Trainer es will. Das gibt den Coaches und Managern, die
       immer noch vor allem Männer sind, eine Machtfülle und Raum für
       Manipulationen in einer Liga, für die es schon ein Erfolg ist, dass sie
       noch existiert: 2012 gegründet, damals unter dem Dach des
       US-Fußballverbandes, ist die NWSL seit dieser Saison offiziell
       selbstständig, wird aber vom Verband unterstützt. So lange hat keine
       Frauenfußball-Liga zuvor in den USA überlebt.
       
       Sally Yates soll nun verhindern, dass die Liga dasselbe Schicksal wie ihre
       diversen Vorgängerinnen ereilt. Die ehemalige, 2017 von Trump entlassene
       Justizministerin soll die Vorkommnisse untersuchen und aufklären. Parallel
       wird eine neue Liga-Chefin – oder ein neuer Chef – gesucht, der eine neue
       Kultur etablieren muss. Für den morgigen Donnerstag sind die nächsten
       Partien angesetzt. Die Spiele müssen weitergehen.
       
       6 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://theathletic.com/news/courage-fire-coach-paul-riley-following-very-serious-allegations-of-misconduct/95dlmx3RG39F
 (DIR) [2] /US-Fussballerin-Megan-Rapinoe/!5735550
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
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