# taz.de -- Hilfe für die Nazi-Verwandtschaft: Schöner wohnen in Hinterriß
       
       > Charly Coburg und King George: Wie Englands Adel den deutschen Verwandten
       > half, die NS-Vergangenheit reinzuwaschen. Prinz Charles wird es egal
       > sein.
       
 (IMG) Bild: Jagdschloss Hinterriß um 1890
       
       Hinterriß ist ein Jagdschloss in Tirol. Der Besitzer, Carl Eduard von
       Sachsen-Coburg-Gotha (1884–1954), familienintern „Charly“ genannt, nutzte
       es in den 1920er Jahren, um dort seinen Freund, den [1][Freikorpsführer
       Hermann Ehrhardt,] zu treffen. Ehrhardt war Experte für politische Morde
       und Hoffnungsträger der radikalen Rechten. Später wechselte Charly von
       Ehrhardt zu dem neuen Idol Adolf Hitler über.
       
       Hitler wusste sich dafür großzügig zu bedanken. Er zahlte seinem
       hochadeligen Groupie bis 1945 eine monatliche Apanage von umgerechnet
       17.000 Euro. Im Gegenzug erledigte Charly Propagandaarbeit, bot geheime
       Kanäle zu seiner royalen Verwandtschaft in Großbritannien an und fungierte
       als NS-Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Der Coburger Historiker
       Harald Sandner hat gezeigt, wie Charly auch sein Jagdschloss Hinterriß für
       das Unterhaltungsprogramm des Regimes zur Verfügung stellte.
       
       Die fidelen Jagdpartien endeten erst 1945, als SS-Truppen in Hinterriß
       einzogen, sie wollten von dort aus weiterkämpfen. Eine typisch
       hinterrissige Aktion, es blieb nicht die letzte. Was wir bisher nämlich
       nicht wussten, ist, dass Charlys Verwandtschaft, [2][die britische Royal
       Family], die schönen Stunden in Hinterriß auch nach dem Krieg nicht missen
       wollten. Das zeigen jetzt freigegebene Akten des Foreign Office aus den
       Jahren 1945 bis 1950.
       
       Österreich wurde nach dem Krieg in Besatzungszonen aufgeteilt, und
       Hinterriß lag in der französischen Zone. Da Charly Deutscher war, standen
       seine Chancen, das Schloss wiederzubekommen, schlecht. Aber seine englische
       Schwester war ein hochrangiges Mitglied der Royal Family, seine Tochter
       Sibylla Kronprinzessin von Schweden.
       
       ## NS-Charly braucht ein Schloss
       
       Charly erinnerte sich plötzlich daran, dass er 1934 eine Familienstiftung
       konzipiert hatte, in der diese ausländischen Verwandten eingetragen waren.
       Sie sollten ihn jetzt aus dem Schlamassel rausholen. Natürlich wusste die
       Verwandtschaft sehr genau, was Charly alles für die Nationalsozialisten
       geleistet hatte. Aber das Schloss musste für die Familie gerettet werden.
       
       Der Anwalt König Georgs VI. wurde eingeschaltet, und britische Diplomaten
       betonten in Hintergrundgesprächen, sie seien besorgt, dass die tapsigen
       französischen Besatzer die Möbel in Hinterriß demolieren könnten. Die
       Bemühungen waren erfolgreich. Charly Coburgs Kinder erhielten Hinterriß
       1956 tatsächlich in gutem Zustand zurück.
       
       Auch in Deutschland lief es nach dem Fall der Mauer 1989 ausgezeichnet für
       Charlys Nachkommen. Sie wurden für ihre Besitzungen in der ehemaligen
       sowjetischen Besatzungszone großzügig entschädigt, obwohl Insider natürlich
       wussten, dass, [3][Charly den Nationalsozialisten „erheblichen Vorschub“]
       geleistet hatte.
       
       Heute würde kein britischer Royal mehr Charlys Taten herunterspielen. Aber
       Schlösser einsammeln bleibt Familientradition. Ein anderer Charles ist
       deswegen aktuell in Schwierigkeiten. Prinz Charles besitzt bereits ein
       Schloss in Schottland, aber 2007 kaufte er noch eines in der Gegend,
       Dumfries House wurde sein sechster Wohnsitz. Er wollte das Gebäude aus dem
       18. Jahrhundert vor dem Verfall retten, was ihm auch gelang.
       
       ## Prinz Charles braucht Geld
       
       Aber dann übertrieb er es bei der Inneneinrichtung, die Kosten für
       Chippendale-Stühle explodierten. Wie die Sunday Times enthüllte, wurden
       daraufhin von Charles’ Vertrauten Spenden bei ausländischen Geschäftsleuten
       eingesammelt, die dringend einen britischen Pass brauchten.
       
       Für eine 200.000-Pfund-Spende (und ein Honorar an die Vertrauten) konnte
       man mit Charles dinieren, inklusive Foto und Empfehlungsbrief für den
       Einbürgerungsantrag. Für mehr Geld wurde gar die Ernennung zum Ritter in
       Aussicht gestellt.
       
       Für viele Briten, die mit Benzinmangel, steigenden Lebensmittel- und
       Energiepreisen kämpfen, ist dieser „cash for honours“-Skandal schwer
       erträglich. Wenn Charles schon auf dubiosen Wegen Geldspenden sammelt,
       wären sie besser bei seiner Wohltätigkeitsorganisation für arbeitslose
       Jugendliche aufgehoben. Doch der Kauf von Chippendale-Stühlen scheint
       derzeit wichtiger.
       
       5 Oct 2021
       
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 (DIR) Karina Urbach
       
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