# taz.de -- Merkel-Biografie und Armin Laschet: Der Wackelkandidat
       
       > Die Präsentation einer Merkel-Biografie ist für Armin Laschet eine
       > Gratwanderung. Doch der Kanzlerkandidat macht eine überraschend gute
       > Figur.
       
 (IMG) Bild: Der Experte für unvorteilhafte Bilder: Armin Laschet
       
       Berlin taz | Manchmal kommen die interessantesten Fragen erst später am
       Abend. Ob das Erbe der Kanzlerin ein eher schweres oder doch ein leichteres
       sei, sollte er Angela Merkel nachfolgen, will ein Journalist im Publikum
       von Armin Laschet wissen. In der Frage steckt das ganze Dilemma, das der
       Kanzlerkandidat der Union an diesem Abend hat.
       
       Eigentlich soll es nicht um ihn, sondern um die Kanzlerin gehen. Genauer
       gesagt: um die Vorstellung des Buches „Angela Merkel. Die Kanzlerin und
       ihre Zeit“, das der Historiker und Journalist Ralph Bollmann gerade
       veröffentlicht hat. „Ein ganz schöner Schinken“, wie ein Journalist aus den
       Niederlanden später sagen wird.
       
       Für Laschet ist der Abend mitten im Wahlkampf und [1][bei dramatisch
       schlechten Umfragewerten] eine Gratwanderung. Stellt er sich zu klar in die
       Tradition der Kanzlerin, dürfte das bei dem merkelmüden bis -feindlichen
       Teil der Unionsanhänger:innen nicht gut ankommen. Distanziert er sich
       aber zu stark, könnte er auch jenen Teil ihrer Fans verlieren, die bislang
       noch bei ihm sind. Hinzu kommt die Gefahr, im direkten Vergleich mit der
       Kanzlerin als politisch zu leichtgewichtig befunden zu werden, um ihre
       Nachfolge anzutreten.
       
       Laschet könnte jetzt, auf die Frage des Journalisten, über die AfD, Pegida
       und die sich radikalisierende Querdenker-Bewegung sprechen. Über seine
       ausgelaugte und zerrüttete Partei. Über den schwierigen Zusammenhalt in
       Europa. Das [2][Debakel in Afghanistan]. Oder darüber, dass in Sachen
       Klimaschutz und Digitalisierung in den vergangenen Jahren viel zu wenig
       viel zu langsam geschehen ist. All das gehört ja zu dem Erbe, das Merkel
       hinterlässt.
       
       ## Die Kanzlerin unterschätzt
       
       „Also, es ist“, setzt Laschet an und atmet hörbar aus. „Erbe, was heißt
       Erbe“, sagt er dann. Er muss sich sortieren. Das Erbe, Deutschland stabil
       gehalten und durch viele Krisen geführt zu haben, sei eine Verpflichtung
       für die Zukunft, sagt er dann. Hinzu komme das, was liegen geblieben sei,
       „eine Riesenaufgabe“. Man müsse nun den Klimawandel anpacken, aber auch an
       Industrieland und Sozialstaat denken. Und natürlich Europa zusammenhalten.
       Laschet hat die Kurve gekriegt.
       
       Die Diskussion, zu der Laschet neben Bollmann als Gast eingeladen ist und
       die die ehemalige Chefredakteurin von taz und Frankfurter Rundschau, Bascha
       Mika, moderiert, beginnt mit dem Einstieg Merkels in die Bundespolitik,
       ihrer dreifachen Fremdheit als Frau, Ostdeutsche und Naturwissenschaftlerin
       im Bonner Betrieb und dass der damalige Bundesminister Norbert Blüm ein
       Kennenlerngespräch mit ihr ablehnte.
       
       „Er hat sie unterschätzt“, sagt Laschet, wohl wissend, dass dies eine
       Eigenschaft ist, die auch ihm nachgesagt wird. Immer wieder schlägt er den
       Bogen zu seiner Person. Es ist Wahlkampf.
       
       Doch Laschet gelingt die Gratwanderung. Er nimmt Merkel gegen die
       Unterstellung – aus auch den eigenen Reihen – in Schutz, sie habe sich sehr
       von der CDU entfernt. Natürlich sei die CDU „ihre Partei“ und natürlich
       werde sie mit beiden Stimmen CDU wählen. Das sei eine „alberne Frage“.
       
       Laschet konstatiert aber auch, dass die schwarz-gelbe Koalition von
       2009-2013 nicht harmonisch gewesen sei und lässt durchblicken, dass dies
       auch an der Kanzlerin gelegen habe. Man müsse eben dem kleineren Partner
       auch Punkte lassen. Das gelinge in seiner Koalition mit der FDP in
       Nordrhein-Westfalen gut. „Das wird in einer Dreierkonstellation noch mal
       wichtiger.“ Dennoch müsse man als Kanzler „schon eine Überzeugung haben und
       sie notfalls gegen Stimmungen durchsetzen“. Was allerdings
       Kritiker:innen Laschet eben genau nicht zutrauen.
       
       ## Abgrenzung zu Scholz
       
       Der Kanzlerkandidat hat das 800 Seiten starke Buch mitgebracht, es ist mit
       Post-its gespickt. Doch die Analyse der Kanzlerin übernimmt vor allem
       Bollmann. Er erklärt, wie sich Merkels Blick auf die Bedeutung ihres
       Frauseins als Kanzlerin veränderte, spricht vom Merkel prägenden
       „wirtschaftsliberalen, kulturprotestantischen Leitungsethos“. Von der These
       der verkappten Sozialdemokratin halte er nichts, so Bollmann. Auch habe
       Merkel den Deutschen misstraut.
       
       „Eine Kanzlerin, die ihr Land nicht liebt?“, fragt die Moderatorin. Das
       hätte man, sagt Laschet dann durchaus zu Recht, auch über Adenauer sagen
       können.
       
       Auch betont er, dass die Kanzlerin ihn im Wahlkampf ausreichend
       unterstütze, was manche in der CDU durchaus anders sehen. Gerade erst, sagt
       Laschet, habe sie ungewohnt deutlich klar gemacht, dass das, was
       SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz mache, „wenig mit dem zu tun hat, was sie
       gemacht hat“. Scholz versucht seit Monaten, sich als der legitime Erbe
       Merkels zu inszenieren, zuletzt im SZ-Magazin sogar mit Raute. Aber er
       weigert sich, eine Koalition mit der Linkspartei eindeutig auszuschließen.
       
       Im Übrigen, so Laschet weiter, gehe es hier um das wichtigste Amt in
       Europa, das werde nicht vererbt. „Das muss sich der, der es will, selbst
       erkämpfen. Soll Angela Merkel jeden Tag neben mir auf der Bühne stehen, auf
       mich zeigen und sagen: Der soll es werden? Unterstützt den da? So läuft das
       nicht!“ Da wird Laschet ganz energisch. Wahlkampf eben.
       
       2 Sep 2021
       
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