# taz.de -- Bidens Rede nach dem Afghanistan-Abzug: Der Abschied
       
       > Der US-Präsident sagt Militäreinsätzen zur Umgestaltung anderer Länder
       > ab. Für die USA heißt das, mit anderen Mitteln im Rest der Welt
       > mitzuspielen.
       
 (IMG) Bild: Immer mehr Fokus – auf die wirtschaftlichen Interessen
       
       Es war im Wesentlichen bekannt, was [1][US-Präsident Joe Biden] am Abend
       des vollendeten US-Abzugs aus Afghanistan zu sagen hatte. Nur ein Satz
       ragte in seiner Kategorik heraus: „Es geht darum, eine Ära großer
       Militäroperationen zur Umgestaltung anderer Länder zu beenden.“
       
       Der Satz geht in den USA im aktuellen Streit über die Schuld am verkorksten
       Abzug unter. Niemand widerspricht. Dabei ist es nun beileibe nicht so, dass
       Biden hier lediglich eine Binsenweisheit wiederholt hätte. Wenn das
       tatsächlich der neue Konsens der US-Außenpolitik wäre, dann bedeutete das
       wirklich das Ende einer Ära, und zwar einer überparteilichen.
       
       Die neokonservativen und die humanitärinterventionistischen Falken hätten
       beide ausgedient. Die Drohungen mit „[2][regime change]“ durch
       Militäreinsatz, die seit so vielen Jahren zumindest rhetorisch zum
       außenpolitischen Instrumentarium Washingtons gehören, wären Vergangenheit.
       Das hieße auch: Die USA müssten ihre Stärke als Global Player wieder aus
       anderen Faktoren ziehen als aus ihrer Feuerkraft.
       
       Biden hat sich selbst schon während des Wahlkampfes gelegentlich als
       „Übergangspräsidenten“ bezeichnet. Allmählich wird klar, dass er damit
       nicht – oder nicht nur – meinte, aufgrund seines Alters einen Übergang auf
       seine Vizepräsidentin [3][Kamala Harris] vorzubereiten. Er sieht sich
       offenbar tatsächlich als denjenigen, der erst einmal korrigiert, was vor
       ihm verbockt wurde, um Spielraum für Neuausrichtungen zu schaffen.
       
       ## Plötzlich klingt Biden wie Donald Trump
       
       Dabei bleiben seine eigenen Ideen und wie sie aussehen könnten, mitunter
       ausgesprochen vage, zerrieben zwischen verschiedenen Flügeln der
       Demokratischen Partei und einem Dauerbeschuss aus dem republikanischen
       Lager, das gern im nächsten Jahr die Kontrolle über den Kongress
       zurückgewinnen will. In der Außenpolitik dürften zuallererst die
       Verbündeten staunen.
       
       Plötzlich klingt Biden wie [4][Donald Trump], wenn er darauf besteht,
       zukünftig ausschließlich US-Sicherheitsinteressen im Auge zu behalten. Das
       hatten sich die Nato-Partner anders vorgestellt, als Biden noch vor wenigen
       Monaten „We are back“ konstatierte, wir sind zurück. Allerdings: Die
       Definition dessen, was das nationale Sicherheitsinteresse der USA sei,
       unterscheidet Biden und Trump fundamental. Am deutlichsten wird das beim
       Umgang mit der Klimakrise.
       
       Wenn Bidens Satz bedeuten sollte, dass die USA sich von dem alten Streben
       der Umgestaltung der Welt nach eigenem Vorbild verabschieden, würde das
       tatsächlich Ressourcen freisetzen, die sinnvoll eingesetzt werden könnten.
       Nur: Die USA bleiben eine Supermacht mit weltweiten, vor allem
       wirtschaftlichen Interessen.
       
       Ob es wirklich besser wird, wenn sie nur noch diese Interessen militärisch
       durchsetzen und sich einen feuchten Schmutz darum scheren, was sonst in den
       Ländern geschieht, ist zu bezweifeln. Und davon, das Militär nicht mehr
       einzusetzen, hat Biden nicht gesprochen.
       
       1 Sep 2021
       
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 (DIR) Bernd Pickert
       
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