# taz.de -- Kleiderordnung bei Olympia: Liberia stiehlt allen die Schau
       
       > Sportkleidung ist politischer als man denkt. Auch die Olympischen Spiele
       > in Tokio liefern einige modische Überraschungen.
       
 (IMG) Bild: Unisex-Trikots der liberischen Teams, hier Sprinter Emmanuel Matadi
       
       Für das modisch betrachtet größte Highlight der aktuellen Olympischen
       Spiele sorgte ein kleines westafrikanisches Land, aus dem sich ganze drei
       Athlet*innen qualifiziert hatten und das in der bisherigen Geschichte
       der Wettkämpfe nicht einmal eine Goldmedaille gewonnen hat: Der aus Liberia
       stammende, mittlerweile in Brooklyn lebende Modedesigner Telfar Clemens war
       von seinem Heimatland beauftragt worden, dessen Sportler*innen
       auszustatten – und stahl mit den Unisex-Tunikas, die er für Ebony Morrison,
       Joseph Fahnbulle und Emmanuel Matadi und sich selbst designte, allen
       anderen Teams die Schau.
       
       Ein neues Kapitel schlug Telfar damit auf, waren es bislang doch eher die
       großen Modenationen, die beim traditionellen Schaulaufen der
       Eröffnungszeremonie auf sich aufmerksam machten – Italien, wo seit 2012
       Armani verantwortlich ist, oder die USA, die seit 2008 auf Ralph Lauren
       setzen, in diesem Jahr gemeinsam mit Kim Kardashian.
       
       Bemerkenswert sind die Designs von Telfar, zu denen auch die Sportuniformen
       des liberianischen Teams zählen, auch noch aus anderen Gründen, nämlich
       weil sie, wie alles von Telfar, keinen Unterschied zwischen den
       Geschlechtern machen.
       
       Eben daran entzündete sich am Rande der Wettkämpfe heftige Kritik: an der
       Kleiderordnung für weibliche Olympioniken. [1][Das norwegische
       Beachhandball-Team trat in Shorts statt Bikinihöschen an] und riskierte
       damit eine Geldstrafe, die deutschen Turnerinnen in knöchellangen Anzügen
       statt knapper Trikots, allesamt hauteng und bewegungsfreundlich
       wohlgemerkt, dennoch gegen die Konvention.
       
       ## 1919 trug man Korsett beim Tennis
       
       Die Diskussion ist fast so alt wie der weibliche Profisport überhaupt. Im
       Jahr 1919 verursachte die französische Tennisspielerin Suzanne Lenglen in
       Wimbledon den ersten großen Modeskandal, als sie es wagte, sich in
       kurzärmeligem Shirt und wadenlangem Rock auf den Platz zu stellen – ohne
       Petticoat oder Korsett darunter.
       
       Komplett irre mutet es heutzutage an, dass Sportlerinnen gezwungen wurden,
       ihren Körper ins Korsett zu schnüren, die Logik dahinter ist aber
       eigentlich dieselbe wie heute, geht es doch offensichtlich nicht um
       Funktionalität, sondern darum, Weiblichkeit so zu inszenieren, dass sie den
       (männlichen) Zuschauern auch etwas fürs Auge liefert.
       
       Unvergessen auch die Folgen, die es nach sich zog, als Serena Williams 2018
       bei den French Open im schwarzen Catsuit auftrat. Das Turnier änderte
       prompt seinen Dresscode, um derlei Outfits in Zukunft zu verhindern.
       
       Spürbar verschoben hat sich in diesem Jahr der Diskurs, endlich, der mutige
       Einsatz der Olympionikinnen könnte tatsächlich etwas in Gang setzen.
       Wünschen würde man sich dabei aber doch ein paar interessantere
       Designideen. Auch das hat Serena Williams vorgemacht. Sie holte sich damals
       Unterstützung und konterte bei den anschließenden US Open auf ihre Weise,
       mit den Mitteln der Mode und mit Ironie: [2][Sie erschien in einem
       hyperfemininen schwarzen Tutu,] entworfen von Virgil Abloh für Nike.
       
       3 Aug 2021
       
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