# taz.de -- Antisemitische Vorfälle in Deutschland: Neue Wege für alten Hass
       
       > Der RIAS-Bericht zeigt, wie universell und wandelbar Judenhass ist. 2020
       > spielten die Coronaleugner eine unrühmliche Rolle.
       
 (IMG) Bild: Demonstration zum Thema Solidarität mit Israel und gegen Antisemitismus am 22. Mai in Köln
       
       Eintausendneunhundertundneun antisemitische Vorfälle im Jahr 2020. Die Zahl
       mag manche Zeitgenossen verblüffen – sind es wirklich so viele? Dabei weiß
       jeder, der sich mit dem Bericht des Bundesverbands RIAS näher beschäftigt,
       dass diese Zahl noch viel zu niedrig ist, weil die Datengrundlage tiefe
       Löcher aufweist. Diese Zahl ist auch deswegen so hoch, weil eben nicht nur
       die Fälle genannt werden, die strafrechtliche Konsequenzen oder wenigstens
       Ermittlungen zur Folge haben. Anonyme Hassbotschaften lassen sich eben kaum
       verfolgen, wie auch abgerissene Davidsterne im Hausflur nicht. RIAS
       verwendet dafür die Kategorie „verletzendes Verhalten“. Die Vorfälle in
       dieser Kategorie sind, verglichen mit dem Jahr 2019, deutlich gestiegen.
       
       Es sind gerade diese alltäglichen Ausbrüche von Hass und Niedertracht, die
       den [1][Jüdinnen und Juden] das Leben in diesem Land zunehmend schwerer
       machen. Wer ein- oder zweimal beleidigt wird, mag daraus neue Kraft
       schöpfen. Wer es zehnmal erfährt, bei dem erlahmt irgendwann die
       Widerstandskraft, es wächst der Fatalismus – und die Angst. Es existiert
       keine Skala dafür, wann ein Leben mit dem Hass unerträglich zu werden
       droht. Aber die Unerträglichkeit ist schon weit gediehen.
       
       Wie universell und wandelbar [2][Judenhass] ist, auch das belegen die neuen
       Zahlen. So nahm der Israel-bezogene Antisemitismus im vergangen Jahr
       deutlich ab (es fehlte der Anlass). Dafür stiegen judenfeindliche Vorfälle
       im Zusammenhang mit Verschwörungsmythen stark an – die Coronaleugner lassen
       grüßen. Realität wird von den Judenhassern jeweils so umgedeutet, wie es
       gerade passt. Das waren vorgestern die jüdischen Brunnenvergifter, gestern
       war es der jüdische Kapitalist und Kommunist gleichzeitig und heute sind es
       die angeblichen Erfinder einer Pandemie. Und morgen? Es besteht keine
       Hoffnung, dass den Antisemiten nicht eine neue Mär einfällt, mit der sie
       hausieren gehen. Und es gibt nur geringe Hoffnung, dass die Gesellschaft
       darauf anders reagiert als mit gut gemeinten Sonntagsreden.
       
       28 Jun 2021
       
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