# taz.de -- Thriller „They Want Me Dead“ auf Sky: Schule des Überlebens
       
       > Hollywoodstar Angelina Jolie behauptet sich im Action-Thriller „They Want
       > Me Dead“ als Feuerwehrfrau in unfreiwilliger Mission.
       
 (IMG) Bild: Hannah Faber (Angelina Jolie) im Einsatz
       
       In fünf bis zehn Jahren werden sie ihr eigenes Label bekommen; sehr
       wahrscheinlich wird es ein bisschen pathetisch klingen. „Die verlorenen
       Filme“ oder so. Das Label wird für eine ganze „Generation“ von Produktionen
       stehen, die durch das Stop-and-go der Coronapandemie um ihren rechtmäßigen
       Platz an der Sonne, soll heißen in der Aufmerksamkeit des Zuschauers,
       betrogen wurden.
       
       Taylor Sheridans „They Want Me Dead“ wird ganz sicher dazugehören, mit
       seinem wenig glücklichen Online-Starttermin gerade dann, wenn endlich
       einsetzendes Schönwetter und sinkende Infektionszahlen das potenzielle
       Publikum weg vom Sofa und raus ins Freie einladen.
       
       Hinzu kommt, dass „They Want Me Dead“ [1][der Starbesetzung mit Angelina
       Jolie zum Trotz] wie eine Art Underdog daherkommt. Ein durchaus
       unterhaltsamer Actionfilm mit einer tapferen Feuerwehrfrau im Zentrum, der
       keine der üblichen Aufmerksamkeits-Trigger bedient: keine wahre Geschichte
       als Hintergrund, kein eingeführtes „Intellectual Property“ in neuer
       Verpackung, keine spektakuläre neue Technik am Anschlag, kein besonderes
       politisches Anliegen, dem Referenz erwiesen wird.
       
       Einzig das versammelte Schauspielensemble funkelt ein bisschen unter dem
       Mantel der Bescheidenheit hervor. Das beginnt mit Jolie, die in den letzten
       zehn Jahren wenig in Erscheinung trat, es sei denn als böse Fee in
       „Maleficent“ oder Synchronstimme in „Kung Fu Panda“.
       
       ## Versuch eines „Old School Films“
       
       Und setzt sich fort mit Jon Bernthal, dessen Charakterkopf man aus Serien
       wie „The Walking Dead“ und „The Punisher“ kennt, mit Aiden Gillen, der von
       einst „Queer as Folk“ bis jüngst „Game of Thrones“ im Gedächtnis ist, und
       mit Nicholas Hoult, einem der wenigen Kinderstars („About a Boy“), dem fast
       nahtlos der Übergang in Erwachsenenrollen gelang. Die Laufzeit des Films
       von gerade einmal 100 Minuten scheint wiederum zu unterstreichen, dass das
       hier ein „Old School Film“ sein will, eine Art Rückkehr „back to basics“.
       
       Letzteres passt zum Stil von Taylor Sheridan, der als Drehbuchautor von
       „[2][Sicario“ (2015)] und „[3][Hell or High Water“ (2016)] sich einen Ruf
       im Genre des „Neo-Western“ erarbeitete, den er dann mit seiner
       [4][Regiearbeit „Wind River“ (2017)] weiter ausbaute. Immer wieder versucht
       Sheridan in seinen Filmen die Elemente Genre und sozialen Realismus
       zusammenzubringen.
       
       Stars lieben das: In „Hell or High Water“ verkörperten Jeff Bridges und
       Chris Pine einerseits die Kontrahenten einer Verfolgungsjagd in
       altmodischer Western-Manier, andererseits repräsentierten sie
       unterschiedliche Pole des modernen gesellschaftlichen Gefüges, Bridges’
       Polizist den erzkonservativen republikanischen Texaner, Pine den kleinen
       Farmer, der vom Bankensystem durch systematische Verschuldung ausgebeutet
       wurde.
       
       In „Wind River“ versuchen Jeremy Renner und Elizabeth Olsen den Mord an
       einer jungen indigenen Frau im Umfeld eines Reservats im kaltverschneiten
       Wyoming aufzuklären. Auch hier ging es um die Western-Themen von
       Individualismus und Selbstverteidigung, von Gewalt und Grenze der
       Zivilisation, um einsame Helden mit schwieriger Geschichte, die sich
       „against all odds“ gegen widrige Natur und fiese Feinde behaupten.
       
       Aber auch in „Wind River“ waren die Genre-Elemente fest in eine konkrete
       soziale Realität eingebettet, in die präzise Beschreibung der schwierigen
       Koexistenz des Reservatslebens und der vorurteilsbeladenen
       Außenseitergemeinschaft drum herum.
       
       ## Mafiosi setzen Haus in Brand
       
       Sheridans neuer Film beginnt als Mafia-Thriller: Zwei Männer (Aiden Gillen
       und Nicholas Hoult) klingeln irgendwo in Florida an der Tür einer
       großzügigen Villa und treten ein mit dem Vorwand, sie müssten die
       Gasleitungen untersuchen. Kaum dass sie in der Szene danach das Haus
       verlassen, geht es im Rückfenster ihres Autos in Flammen auf.
       
       Am anderen Ende der USA sieht der Buchprüfer Owen (Jake Weber) die
       Explosion in den Nachrichten und begreift, dass es ihn als Nächstes treffen
       wird. Hektisch packt er zusammen und steigt zusammen mit seinem kleinen
       Sohn Connor (Finn Little) ins Auto, um zu seinem Schwager Ethan (Jon
       Bernthal) nach Montana zu fliehen.
       
       Mit dem Schauplatz Montana wechselt der Film ins „Blue collar“-Milieu: Dort
       in den Bergen beginnt die Waldbrand-Saison, und Polizist Ethan ist zunächst
       damit beschäftigt, die zu Streichen aufgelegten Feuerwehrmänner, zu denen
       seine Exfreundin Hannah (Angelina Jolie) gehört, im Zaum zu halten.
       
       Hannah wird mit Bedacht als „eine der Jungs“ eingeführt – mit schnellem
       Mundwerk im Konkurrenzgeplänkel der Männer dabei, bei diversen Mutproben
       sogar vorneweg.
       
       ## Hannah sah Kinder in den Flammen sterben
       
       Warum diese Frau so lebt, wie sie lebt, was zwischen ihr und Ethan war und
       warum es scheiterte – all das spart das Drehbuch aus. Stattdessen erfährt
       man, dass sie im Vorjahr offenbar bei der Brandbekämpfung ein echtes Trauma
       erlebt hat: Vor ihren Augen kamen drei kleine Jungs zu Tode, denen sie zwar
       wie auf Sichtweite gegenüberstand, denen sie aber wegen ungünstiger
       Windrichtung nicht mehr helfen konnte.
       
       Die weitere Handlung ergibt sich aus dieser Konstellation wie von selbst:
       Über kurz oder lang wird Hannah den kleinen Connor retten müssen, und zwar
       sowohl vor den mordenden Mafiamännern als auch vor dem zwangsläufig sich
       ausbreitenden Waldbrand.
       
       Das Entscheidende ist einmal mehr das Wie: Sheridan setzt bei seiner
       Action-Inszenierung nicht auf überraschende Wendungen, nicht auf den eben
       noch Totgeglaubten, der dann doch noch einmal von hinten zuschlägt.
       Stattdessen bezieht „They Want Me Dead“ seine Spannung daraus, die
       einzelnen Figuren sehr präzise bei ihren Entscheidungen und ihren
       Überlebensstrategien zu beobachten.
       
       Das schließt die beiden von Hoult und Gillen gespielten „Gangster“ mit ein,
       die nicht als „unterhaltsame“ Auftragskiller mit selbstdesigntem Mordstil à
       la „Breaking Bad“ auftreten, sondern als Proleten des Mordgeschäfts und
       selbst als Gezwungene und Ausgebeutete gezeigt werden.
       
       ## Schwangere Ehefrau weiß sich zu verteidigen
       
       Den heftigsten und sie damit durchaus überraschenden Widerstand leistet
       ihnen Ethans schwangere Frau Allison (Medina Singhore), von der an einer
       Stelle gesagt wird, sie leite eine „school for survival“ – eine
       hingeworfene Bemerkung, die große Realitätsmacht erlangt, wenn man ihre
       Techniken so in der Anwendung sieht.
       
       Das eigentliche Drama des Films, Hannahs Beziehung zum kleinen Connor,
       verhandelt der Film angenehm knapp und unpathetisch. Eine Rückblende zu
       viel macht darauf aufmerksam, dass die Feuerwehrfrau die Chance auf ein
       „Wiedergutmachen“ erhält, aber die Redundanz wird wieder aufgewogen
       dadurch, dass hier wie selten in einem Actionfilm gerade die Frauen selbst
       angesichts lodernder Flammen ihre kühle Vernunft bewahren dürfen.
       
       Zwar gelingt es Jolie nicht, wie etwa [5][Kate Winslet aktuell in der Serie
       „Mare of Easttown“], ihren Star-Glamour unter schlecht gefärbten Haaren und
       Ungeschminkt-Maske völlig verschwinden zu lassen. Ihrer Feuerwehrfrau
       eignet ein entschieden nicht-hinterwäldnerischer Glanz, der auch im fernen
       Feuerbeobachtungsturm noch ein gewisses Augen-Make-up als Standard sieht.
       
       Aber die Unwilligkeit, sich völlig „ohne“ zu zeigen, lässt zugleich die
       besondere Stärke von Jolie erstrahlen: Sie war schon immer großartig darin,
       das Rüstungshafte ihrer Schönheit auszustellen, um dahinter Verletzlichkeit
       und Verwundbarkeit sichtbar werden zu lassen. Auch wenn also „They Want Me
       Dead“ in der noch zu erwartenden Filmflut des Jahres 2021 untergehen wird,
       gebührt ihm in der Filmografie von Angelina Jolie auf jeden Fall ein
       besonderer Platz.
       
       3 Jun 2021
       
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