# taz.de -- taz lab 2021: Konferenz der Underdogs
       
       > Die Spitzenpolitiker:innen der linken Parteien wollen die Union
       > aus der Regierung vertreiben. Sind sie dazu auch bereit?
       
 (IMG) Bild: Annalena Baerbock auf dem tazlab 2021 im Gespräch mit taz-Redakteur Ulrich Schulte
       
       Annalena Baerbock zeigt sich locker, selbstbewusst und angriffslustig. „Wir
       sind hier der Underdog, wir fordern die Union heraus“, sagt die
       Grünen-Vorsitzende. „Wir sind überzeugt, es müssen sich Dinge wirklich
       fundamental ändern.“
       
       Auf dem diesjährigen taz lab ist das Führungspersonal aller „Underdogs“
       versammelt: der Grünen, der SPD und der Linkspartei. Neben Baerbock ist ihr
       Co-Vorsitzender Robert Habeck gekommen, für die SPD ist ihr Kanzlerkandidat
       Olaf Scholz dabei, für die Linkspartei deren Doppelspitze Susanne
       Hennig-Wellsow und Janine Wissler – wenn auch nicht zusammen auf einem
       Podium. Sie alle eint der Anspruch, die CDU nach sechzehn langen Jahren aus
       dem Kanzleramt zu vertreiben. Ob sie dazu auch bereit wären, eine
       gemeinsame Regierung zu bilden? Das ist eine Frage, die alle Beteiligten
       auch an diesem Samstag weiter offenlassen.
       
       Keine Frage ist, dass sich Baerbock zutraut, die nächste Kanzlerin der
       Bundesrepublik zu werden. Aber ihr ist auch bewusst, dass es bis dahin noch
       ein weiter Weg ist. Und ob die Grünen ihr Ziel erreichen werden, ist
       keineswegs entschieden. „Wir sind jetzt in einer Situation
       dankenswerterweise, wo uns wahnsinnig viele Menschen Verantwortung
       zutrauen“, sagt sie zwar. Fügt jedoch hinzu: „Alles Neue ist immer auch ein
       Wagnis, es kann auch anders kommen im Leben.“ Es stünde ein
       Bundestagswahlkampf bevor, „der uns fordern wird wie noch nie“. Den werde
       sie mit Habeck im Team bestreiten. Sie setze auf einen kooperativen
       Politikstil. „Wir Grüne unterschieden uns da von einer Bastapolitik von
       Kanzlern, die es zuvor gegeben hat.“
       
       An jenen Kanzler Gerhard Schröder, auf den Baerbock anspielt, kann sich
       Joschka Fischer noch all zu gut erinnern. Dass seine Partei „jetzt an einem
       Punkt ist, wo man ernsthaft diskutiert, ob Annalena Baerbock Kanzlerin
       werden kann und werden soll, dass finde ich einen Riesenschritt nach
       vorne“, sagt der grüne Altvordere. Der 73-jährige Ex-Außenminister ist voll
       des Lobes für sie und ihren Co-Vorsitzenden Habeck, die ein „Riesenglück“
       für seine Partei seien. Allerdings werde Baerbock „eine Riesenaufgabe zu
       stemmen haben“, sagt Fischer. „Ich denke, das weiß sie.“
       
       Sicherlich weiß sie das. „Klimaschutz muss die Leitlinie der nächsten
       Bundesregierung werden“, beschreibt sie als einen ihrer Ansprüche. Der
       zweite: „Wir müssen dafür sorgen, dass Europa zusammenbleibt und
       zusammensteht.“ Und dann ist da noch, drittens, der gesellschaftliche
       Zusammenhalt: Baerbock sieht es als ein erklärtes Ziel der Grünen an,
       materielle Ungleichheit zu verringern. Dabei gehe es nicht nur um eine
       Gerechtigkeitsfrage. Vielmehr seien Demokratien „stärker, wenn die
       Ungleichheit geringer ist“.
       
       Das wird in der SPD und der Linkspartei nicht anders gesehen. Trotzdem ist
       unklar, ob sie im Falle einer rechnerischen Möglichkeit zusammenkommen
       werden. Immerhin legt Olaf Scholz ein Bekenntnis ab, mit den Grünen
       regieren zu wollen, die inhaltlichen Schnittmengen seien groß. Tatsächlich
       sind sie so groß, dass Scholz auch nach mehrmaligem Nachfragen keinen
       einzigen Punkt konkret benennen kann, an dem sich die Programme der beiden
       Parteien substanziell unterscheiden. Es gehe mehr um eine Haltungsfrage. Im
       Unterschied zu den Grünen stelle die SPD die Frage des Respekts und der
       Anerkennung von Lebensmodellen und Lebensleistung mehr in den Mittelpunkt,
       so Scholz. „Ich bin fest davon überzeugt, dass man gleiche Politiken
       wichtig finden kann, aber dafür unterschiedliche Gründe und Motive haben
       kann.“
       
       Ob das ein überzeugendes Argument ist, damit jemand bei der SPD und nicht
       bei den Grünen sein Kreuz macht? Scholz sieht weiterhin gute Chancen für
       die SPD, „weil es eine vollständige Neusortierung bei dieser Wahl geben
       wird, die jetzt los geht“. So hat er auch seine Kanzlerambitionen noch
       nicht begraben.
       
       Und was ist mit der Linkspartei? Weder Baerbock noch Scholz erwähnen sie –
       obwohl die Partei für eine Mehrheit jenseits der Union entscheidend sein
       könnte. Auf dem taz lab zeigen sich ihre beiden Vorsitzenden Susanne
       Hennig-Wellsow und Janine Wissler offen für eine Zusammenarbeit. Sie habe
       in Thüringen „das große Glück gehabt, zu erfahren, dass man als Linke in
       einer Regierung gesellschaftliche Veränderung erreichen kann“, sagte
       Hennig-Wellsow.
       
       Anders als bei den Grünen, der SPD und auch der Union ist bei der
       Linkspartei noch nicht geklärt, wer die Partei in den Wahlkampf führen
       wird. Anfang Mai würde sie gemeinsam mit ihrer Co-Vorsitzenden
       Hennig-Wellsow einen Vorschlag unterbreiten, kündigte Wissler an. „Aber ich
       kann Ihnen schon jetzt sagen, es wird nicht ganz so spektakulär werden wie
       bei den Unionsparteien.“
       
       25 Apr 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz lab 2025
 (DIR) Annalena Baerbock
 (DIR) Rot-Rot-Grün
 (DIR) Susanne Hennig-Wellsow
 (DIR) Robert Habeck
 (DIR) Bürgermeister Olaf Scholz
 (DIR) Olaf Scholz
 (DIR) taz lab 2025
 (DIR) Annalena Baerbock
 (DIR) taz lab 2025
 (DIR) Kanzlerkandidatur
 (DIR) Kanzlerkandidatur
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Das taz lab 2023 im Live-Ticker: „Was diese Welt mir liefert“
       
       Robert Habeck und Saskia Esken, Harald Welzer, Igor Levit und viele andere
       kamen zum taz lab 2023. Nach vielen Diskussionen geht das Forum zu Ende.
       
 (DIR) Vor dem SPD-Parteitag: Die stille Hoffnung der SPD
       
       Auf ihrem Onlineparteitag wollen die Sozialdemokraten die Aufholjagd zu
       Grünen und Union ausrufen. Dazu müssen sie ihren Reformwillen
       herausstellen.
       
 (DIR) Das taz lab im Live-Ticker: Wieso Hennig-Wellsow links ist
       
       Susanne Hennig-Wellsow spricht über ihren Weg in die Politik, Per Leo
       erklärt, wieso er mit Rechten trinkt. News zum digitalen taz lab.
       
 (DIR) Kanzlerkandidatur der Grünen: Baerbock macht es
       
       Annalena Baerbock wird Grüne-Kanzlerkandidatin. In ihrer Rede betont sie,
       wie wichtig Klimaschutz sei, und zeichnet die Grünen als Kraft für
       Veränderung.
       
 (DIR) Entscheidung der SPD-Spitze: Olaf Scholz wird Kanzlerkandidat
       
       Er schien schon gescheitert, dann verhalf ihm die Coronakrise zu neuer
       Popularität: Finanzminister Olaf Scholz soll die SPD in die Bundestagswahl
       2021 führen.