# taz.de -- Filme im Stream: Kein netter Tierfilm
       
       > Unser Autor empfiehlt neben zwei Gesellschaftskomödien auch das
       > experimentelle interaktive Tierfilm-Experiment „Bear 71“ – eine
       > orwellsche Dystopie.
       
 (IMG) Bild: Tierfilm als interaktive Dystopie: „Bear 71“
       
       Gerade habe ich den Roman „Ameisig“ des Drehbuchautors und Regisseurs
       Charlie Kaufman gelesen, in dem sein Held, ein neurotischer Filmkritiker
       Ende Fünfzig, nicht nur eine unheilvolle Faszination für einen drei Monate
       dauernden Stop-Motion-Animationsfilm entwickelt, sondern auch eine Vorliebe
       für die Filme von Judd Apatow erklärt.
       
       Da könnte ich an dieser Stelle eigentlich auch mal eine Komödie dieses
       amerikanischen Produzenten und Regisseurs empfehlen, der in seinen besten
       Werken den Sex und seine Folgen auf eine total unverklemmte Weise zum Thema
       machte. „[1][Beim ersten Mal]“ („Knocked Up“, 2007) handelt etwa von einer
       durch einen One-Night-Stand zustande gekommenen Schwangerschaft, welche die
       beiden Beteiligten (eine Karrierefrau und einen verantwortungslosen
       Slacker) dazu bringt, sich doch irgendwie zusammenzuraufen.
       
       Dabei wird gezeigt, was nötig ist (zum Beispiel der Versuch, eine für eine
       schwangere Frau bequeme Sexposition zu finden – was in einiger Frustration
       endet), und gesagt, was gesagt werden muss. Erwachsene Menschen reden über
       erwachsene Dinge. Und das schönste daran: Das alles ist auch noch ungemein
       komisch (Stream bei Chili: [2][https://de.chili.com]).
       
       ## Die Bärin erzählt aus dem Off
       
       Auf einem vollkommen anderen Dampfer ist das IDFA unterwegs, das
       International Documentary Film Festival Amsterdam, dessen Webseite Hunderte
       von Festivalfilmen vergangener Jahre zugänglich macht. Wie etwa die
       2012/2016 für das National Film Board of Canada entstandene
       [3][experimentelle interaktive Produktion] „[4][Bear 71]“ (respektive
       „[5][Bear 71 VR]“) von Jeremy Mendes und Leanne Allison.
       
       Während man als Online-Zuschauer die Möglichkeit bekommt, sich durch das
       Material verschiedener Wildtier-Kameras im kanadischen Banff National Park
       zu klicken und dabei beispielsweise der titelgebenden Bärin und ihren
       Jungtieren zu folgen, erzählt die Bärin aus dem Off von schwindenden
       Lebensräumen und wie ihr die Menschen buchstäblich immer näher auf den Pelz
       rücken. Kein netter Tierfilm also, sondern eine orwellsche Dystopie, die
       Tiere, Menschen und Überwachungstechnik zueinander in Beziehung setzt
       (Stream bei IDFA: [6][www.idfa.nl]).
       
       Wenn man den britischen Regisseur Stephen Frears, der sich in seiner
       Karriere zwischen Fernsehfilmen und Großproduktionen in bereits nahezu
       jedem Genre bewegt hat, überhaupt auf etwas festnageln wollte, dann wäre es
       wohl sein trockener Humor.
       
       Insofern ist es nicht schwer zu verstehen, was Frears an der Graphic Novel
       „Tamara Drewe“ gereizt hat, in der die britische Zeichnerin und Autorin
       Posy Simmonds mit hintergründigem Witz die Vorgänge in einem
       „Schriftsteller-Refugium“ beschreibt, das ein populärer Krimiautor
       gemeinsam mit seiner übertüchtigen Gattin auf dem Lande betreibt.
       
       Simmonds ist vor allem der britischen Öffentlichkeit als Cartoonistin der
       Zeitung The Guardian bekannt, wo sie auch „Tamara Drewe“ zunächst in 109
       Episoden vorstellte, ehe die Geschichte 2007 auch in Buchform erschien.
       
       Tatsächlich wirkt Simmonds Graphic Novel über weite Strecken fast wie ein
       Storyboard: Szenen, Schauplätze und Kostüme sowie das Aussehen der Figuren
       und ihre Charakterisierung blieben in Frears' Verfilmung „Immer Drama um
       Tamara“ (2010) weitgehend erhalten (Stream bei Mubi noch bis 20. 3.:
       [7][www.mubi.com] / Stream bei Chili: [8][www.chili.com]).
       
       18 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.chili.com
 (DIR) [2] https://de.chili.com
 (DIR) [3] https://bear71vr.nfb.ca/
 (DIR) [4] https://www.idfa.nl/en/film/0d27af17-b6dd-4622-82f2-81d024174187/bear-71?&collectionType=idfa
 (DIR) [5] https://www.idfa.nl/en/film/0db7053d-1c69-4c7f-9063-725dfa12afa1/bear-71-vr?&collectionType=idfa
 (DIR) [6] https://www.idfa.nl/en/film/0d27af17-b6dd-4622-82f2-81d024174187/bear-71?&collectionType=idfa
 (DIR) [7] https://mubi.com/
 (DIR) [8] https://de.chili.com/content/immer-drama-um-tamara-2010/f2bb55d0-04ed-4b8d-82ba-ad540d378318
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lars Penning
       
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