# taz.de -- Corona und Korruption in Kolumbien: Perfekter Verdunkelungsmechanismus
       
       > Kolumbiens Regierung hat nahezu alle Coronamaßnahmen an eine
       > Katastrophenschutz-Einheit ausgelagert – eine Blackbox der Korruption.
       
 (IMG) Bild: Kolumbien: Vorbereitungen für den Impfstart in einem Krankenhaus in Bogota Mitte Februar
       
       Bogotá taz | Eine Einrichtung, die Millionen von Dollar verteilt und
       niemandem Rechenschaft ablegen muss – das klingt nach der perfekten
       [1][Korruptionsmaschine]. Die kolumbianische Regierung hat für die
       Coronapandemie so eine Blackbox geschaffen.
       
       Für das Management der Pandemie nutzt die Regierung eine Einrichtung, die
       es schon seit 2013 gibt: die Unidad Nacional para la Gestión del Riesgo de
       Desastre (wörtlich: Nationale Einheit zum Risiko-Management von
       Katastrophen). Die hat eigentlich die Aufgabe, das Land gegen Natur- und
       andere Katastrophen zu wappnen und im Krisenfall die Hilfe zu managen. Doch
       seit der Pandemie ist das anders.
       
       Die Katastrophenschutz-Einheit ist nicht nur für alle mit der Pandemie
       verbundenen staatlichen medizinischen Einkäufe verantwortlich – von
       Handschuhen, Spritzen, Mund-Nasen-Schutz bis zu den heiß umkämpften
       Beatmungsgeräten und jetzt den [2][Impfungen]. Sie managt auch die
       Versorgung vulnerabler Bevölkerungsgruppen mit Lebensmitteln.
       
       „Ich kenne in ganz Lateinamerika keinen zweiten Fall, wo ein Exekutivorgan
       solche Aufgaben auf eine Einrichtung überträgt“, sagt Esteban Salazar,
       Leiter des Forschungsschwerpunkts Demokratie und Staatsführung bei der
       renommierten Stiftung [3][Paz y Reconciliación] (Pares). „Das hätte das
       Gesundheitsministerium leisten müssen.“
       
       ## Keinerlei Transparenz bei der Auftragsvergabe
       
       Das Besondere: „Die Katastrophenschutz-Einheit vergibt Aufträge nach dem
       Privatrecht“, sagt Salazar. Schließlich soll es in Katastrophenfällen
       schnell gehen. Das Gesundheitsministerium hingegen muss alles öffentlich
       ausschreiben und die Auftragsvergabe transparent machen.
       
       „Unsere Hypothese ist, dass die Regierung einen Verdunkelungsmechanismus
       geschaffen hat“, sagt Salazar. Nach Recherchen von Pares hat die
       Katastrophenschutz-Einheit letztlich aus zwei neu geschaffenen Geldtöpfen
       insgesamt rund 1,5 Billionen Peso (400 Millionen Euro) zur Verfügung
       bekommen. Denn sie hat die Hoheit über den Fonds zur Linderung von
       Notfällen und dessen Covid-19-Unterkonto.
       
       Zudem schloss das Gesundheitsministerium mit der Einheit im Mai 2020 eine
       Vereinbarung, die eine Vertraulichkeitsklausel beinhaltet. Diese verbietet,
       über den Inhalt der Auftragsvergabe gegenüber Dritten zu sprechen. „Das
       geht klar gegen das Gesetz zur öffentlichen Transparenz“, erklärt Salazar.
       
       Dieses erlaubt Geheimhaltung nur in zwei Fällen: Wenn es um die nationale
       Sicherheit geht und Patente betroffen sind. Letzteres schiebe die Regierung
       vor. „Die Patente der Impfungen interessieren uns aber nicht“, sagt
       Salazar. „Wir wollen wissen, was die Dosis gekostet hat, welche Studien
       herangezogen wurden, was der Transport des Impfstoffs gekostet hat sowie
       alle laufenden Kosten.“ Und: „In der Vereinbarung steht auch, dass die
       Katastrophenschutz-Einheit die Verträge schließt, aber das Ministerium ihr
       sagt, mit wem“, sagt Salazar.
       
       ## Etliche Festnahmen auf Gemeindeebene
       
       Die Folge: „Niemand weiß, was mit dem Geld passiert ist, was mit wem und
       wie vertraglich vereinbart wurde“, sagt Salazar. Zumindest konnte die
       Stiftung herausfinden, dass einige der Geschäftspartner der
       Katastrophenschutz-Einheit Firmen sind, die seit Jahren mit dubiosen
       Praktiken in Verbindung gebracht werden – zum Beispiel wegen illegaler
       Preisabsprachen bei Programmen zur Schulspeisung, der Versorgung von
       Gefängnissen oder der Armee. Und dass die Einheit mindestens eine Million
       überteuerte Lebensmittelpakete eingekauft hat – für 117.000 Pesos das
       Stück statt maximal 80.000 Peso.
       
       Die Stiftung hat seit Beginn der Pandemie mehrere Recherchen zur Verwendung
       öffentlicher Gelder veröffentlicht. In einer ersten ging es um Verträge der
       Gemeinden und Departamentos. Neben überteuerten Lebensmittelpaketen
       entdeckte die Stiftung auch Tricksereien mit fachfremden Firmen mit
       politischen oder familiären Beziehungen, die Aufträge zur
       Pandemiebekämpfung zugeschustert bekamen. „Nach unseren Veröffentlichungen
       kam es zu etwa einem Dutzend Festnahmen“, sagt Salazar.
       
       Anders bei den Recherchen zu den zweifelhaften Praktiken der
       Nationalregierung. „Was die Regierung betrifft, gab es keine Reaktion“,
       sagt Salazar. Für ihn nicht verwunderlich: Generalstaatsanwaltschaft,
       Bundesrechnungshof oder die Aufsichtsbehörde für Staatsbedienstete werden
       inzwischen allesamt von regierungsnahen bzw. früher zur Duque-Regierung
       gehörenden Personen geleitet.
       
       24 Mar 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Wojczenko
       
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