# taz.de -- Die Nomenklatur der Scheide: Was ist so weich wie Seide?
       
       > Immer noch gesucht: Das beste Wort für den Ursprung der Welt. Eva Mirasol
       > hat zum Frauentag darüber ein Lied geschrieben.
       
       „Der Ursprung der Welt“ hat Gustave Courbet sein Gemälde genannt, das er im
       Jahr 1866 für den türkischen Diplomaten Halil Şerif Paşa malte. Wer das
       Bild sehen durfte, Şerif Paşa versteckte es vor seinen Besuchern, blickte
       auf die nackten Schenkel und die behaarte Vulva einer Frau.
       
       Die gotteslästerliche Idee, den Ursprung der Welt nicht in einem Schöpfer,
       sondern im Schoß der Frauen zu sehen, muss noch im 20. Jahrhundert als so
       skandalös empfunden worden sein, dass Jacques Lacan und Sylvia Bataille, in
       deren Landhaus das Bild seit 1955 hing, eine Konstruktion bauen ließen, die
       Courbets Werk hinter einem anderen Gemälde verbarg, das bei Bedarf zur
       Seite geschoben werden konnte und erst dann den Blick auf den Ursprung der
       Welt freigab.
       
       Im Jahr 1988 wurde das Bild erstmals öffentlich ausgestellt, heute hängt es
       im Pariser Musée d’Orsay.
       
       Auch wenn neuerdings wieder versucht wird, als [1][sexualisiert oder
       anderweitig inkriminierte Darstellungen aus den Museen zu verbannen,] ist
       bald 150 Jahre nach der Entstehung von „Der Ursprung der Welt“ das Zeigen
       des primären weiblichen Geschlechtsorgans kein Skandal mehr. Aber wie man
       es benennen soll, ist weiterhin ein Problem, von dem taz-Autorin Eva
       Mirasol ein Lied singen kann: „Ich merke, wie ich leide, es gibt kein gutes
       Wort für Scheide. Bitte küss mir die Möse, ich hab’s versucht, klingt mir
       zu böse. Ich glaub, ich muss mich entscheiden, Ef oh te zet eh würd ich
       gerne vermeiden. Vagina und Vulva ist mir zu steril, und Muschi fehlt
       irgendwie ’n bisschen der Stil.“ Zu diesen Zeilen singt und tanzt Mirasol
       mit Perücke und manchmal auch im Vulvakostüm in einem Video, das den Titel
       „Der Ursprung der Welt“ trägt.
       
       Das wiederum erinnert an das Lied [2][„Penis – Vagina“] von Foyer des Arts
       von 1988, worin Max Goldt mittels der medizinischen Nomenklatur die Sprache
       der Sexualkunde karikiert: „Der Penis dringt ein in die Vagina und verweilt
       dort solang er kann.“ Penis und Vagina nennt Goldt ein „weltweit bewährtes
       Team“, um sodann die darin ausgedrückte heteronormative Ordnung ironisch zu
       unterlaufen: „Es gibt auch Ausnahmen, gab es immer. Zu denen geht man nicht
       aufs Zimmer.“
       
       Eva Mirasol hat ihr Lied zum Frauentag 2020 in einem psychedelisch
       anmutenden Videoclip auf Youtube gestellt. Am Ende ihrer Grübeleien, wie
       man jene Quelle der Freude denn nun nennen soll, kommt sie zu dem Schluss:
       „Was reimt sich denn so schön wie Scheide, ist so weich wie Seide, eine
       Augenweide? Ich sag, vergiss den Rest und vergiss Mimöschen und sag, du
       hast eine Scheide im Höschen.“
       
       Heute kann man Courbets Werk in Millisekundenschnelle per Suchmaschine
       aufrufen. Selbst in der „Sesamstraße“ wurde das Bild schon gezeigt,
       [3][allerdings verdeckt der Haarschopf von Bernie das Zentrum des Bilds],
       was ein immerhin humorvoller Umgang mit puritanischen Zeigeverboten ist,
       die sich in Zeiten des Internets ohnehin nicht mehr durchsetzen lassen.
       
       Dass Scheide, das althochdeutsche Wort für Hülle und Grenze, am Ende in
       ihrem Lied gewinne, sagt Eva Mirasol, liege auch ein wenig am Reim.
       
       8 Mar 2021
       
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 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=kEUhAKSzq9Y
 (DIR) [3] https://news.artnet.com/art-world/sesame-street-sends-cookie-monster-to-the-guggenheim-for-some-serious-art-criticism-255113
       
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 (DIR) Ulrich Gutmair
       
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