# taz.de -- Die neue Führung der Linkspartei: Ein Schritt vorwärts, einer zurück
       
       > Die Linkspartei weiß selbst nicht, ob sie regieren oder nur recht haben
       > will. Einfacher kann man den Grünen den Weg zur Union nicht machen.
       
 (IMG) Bild: Die neuen Linksparteichefinnen Janine Wissler (l.) und Susanne Hennig-Wellsow
       
       Beginnen wir mit dem Positiven. Die Linkspartei hat nun die erste weibliche
       Doppelspitze in der Bundesrepublik. [1][Susanne Hennig-Wellsow und Janine
       Wissler] sind (noch) nicht Teil des zähen Machtgerangels in der
       Bundes-Linkspartei, in dem politische Konflikte und persönliche Abneigungen
       zu einem schwer entwirrbarren Knäul verklebt sind. Wie jeder Anfang öffnet
       auch dieser einen Möglichkeitsraum, die Idee, dass es anders werden kann.
       Die Reala Hennig-Wellsow will, [2][noch entschlossener als Katja Kipping],
       die Linkspartei für das Regieren im Bund öffnen.
       
       Der Parteitag hat zudem gezeigt, wie groß der hermetisch gegen rationale
       Politik abgedichtete Funditeil der Partei ist: 20 Prozent. Die stimmten für
       einen unbekannten Gegenkandidaten von Hennig-Wellsow, der eigentlich gegen
       alles war.
       
       Die Realos treten nicht mehr so verdruckst auf. Früher haben sie oft jeden
       notdürftigen Formelkompromiss als Erfolg verkauft. Jetzt gibt es einen
       klaren, selbstbewussten Ton. Matthias Höhn wirbt dafür, auch mal [3][Ja zu
       friedenserhaltenden Bundeswehr-Auslandeinsätzen] zu sagen und
       Menschenrechtsverletzungen auch in Russland und Kuba konsequent zu ächten.
       
       Doch das ist, [4][wie das Votum gegen Höhn zeigt], in der Partei nicht
       mehrheitsfähig. Wenn es darauf ankommt, scheuen die GenossInnen den Schritt
       ins Neue und stehen lieber weiter mit einer [5][ebenso radikalen wie
       folgenlosen Militärkritik] auf der anscheinend richtigen Seite. Warum
       Realpolitik riskieren, wenn die eigene Nische doch das komfortable Gefühl
       moralischer Überlegenheit garantiert?
       
       Ob die Linkspartei damit bei Wahlen erfolgreich sein wird, ist zweifelhaft.
       Die Pandemie erzeugt eine diffuse, widersprüchliche Stimmung. Soziale
       Sicherheit und Gemeinwohl stehen höher im Kurs als vor Corona. Vielen
       leuchtet ein, dass die Privatisierung des Gesundheitssystems ein Irrtum
       war. Für die Linkspartei öffnen sich da Möglichkeiten. Doch gleichzeitig
       ist die Gesellschaft, wie oft in Krisen, verunsichert – und neigt dazu, das
       Bekannte, Bewährte, Konservative zu wählen. Die Botschaft, dass die
       Linkspartei selbst nicht weiß, ob sie regieren oder nur rechthaben will,
       wirkt in dieser Stimmung noch ungünstiger als sonst.
       
       ## Linkstraditionalismus mit menschlichem Antlitz
       
       Janine Wissler wärmte nach ihrer Wahl mit einen effektvollen Rede das Herz
       der GenossInnen. Wissler versteht es, auch harte politische Botschaften
       gewinnend zu formulieren – Linkstraditionalismus mit menschlichem Antlitz
       gewissermaßen. Wenig weitsichtig ist indes ihre Beton-Ansage, dass
       „Bundeswehreinsätze zu beenden und Rüstungsexporte zu stoppen nicht
       verhandelbar sein darf“. Nicht verhandelbar bedeutet eigentlich das Ende
       aller grün-rot-roten Gespräche, bevor sie begonnen haben. Selbst wenn man
       eine Mitte-Links-Regierung skeptisch sieht, ist es unklug, diese Tür schon
       jetzt dreifach zu vernageln.
       
       Denn einfacher kann man den Grünen den Weg zur Union nicht machen.
       
       27 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
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