# taz.de -- Entspannter leben dank Lockdown: Die perfekte Universalausrede
       
       > Ungewaschen, ungekämmt, unrasiert – sieht oder riecht ja eh niemand.
       > Unser Autor war schon immer Lockdown-Mensch und findet gerade zu sich
       > selbst.
       
 (IMG) Bild: Enstpannt durch Pandemie wie Jeffrey Lebowski im Film
       
       Ewiger Lockdown finde ich gar nicht schlimm. Ich frag mich auch schon, ob
       was nicht stimmt mit mir, aber so ist es halt. Der Lockdown fühlt sich für
       mich an wie diese paar Tage rund um Weihnachten, an denen sich die Stadt
       leert, Geschäfte geschlossen bleiben, nichts los ist und man in der Bude
       hockt und ohne schlechtes Gewissen Süßkram mampft und sinnlos fernsieht.
       Also eigentlich [1][ziemlich gut und hyggelig].
       
       Ich weiß schon, andere haben jetzt [2][Stress ohne Ende, die Kinder turnen
       pausenlos herum und quengeln], deren E-Learning fühlt sich wie ein
       schlechter Witz an und sie fragen sich verzweifelt, ob das alles überhaupt
       jemals wieder ein Ende haben wird.
       
       Aber ich wohne allein, kann machen, was ich will, habe meine Ruhe und
       genieße es. Also sowieso schon, jetzt aber erst recht. Ich glaube, ich war
       schon immer ein Lockdown-Mensch und komme jetzt einfach zu mir selbst.
       Nicht, indem ich plötzlich Yoga mache oder mir ein absurdes neues Hobby
       zulegen würde oder was die Leute sonst noch so machen, um Corona zwanghaft
       irgendetwas Positives abzugewinnen. Sondern, indem ich einfach nur bin, wie
       ich bin, das aber in Extremform.
       
       So habe ich es beispielsweise prinzipiell nicht so mit Sauberkeit. Andere
       würden auch sagen: Bei mir sieht es eigentlich immer ziemlich scheiße aus.
       Unabgewaschenes Geschirr, verstaubte Regale, kein klinisch reines
       Badezimmer, ein paar Spinnweben, das stört mich persönlich alles überhaupt
       nicht. Aber normalerweise kommt halt irgendwann doch mal wieder jemand zu
       Besuch mit etwas durchschnittlicheren Hygienestandards.
       
       ## Den ganzen Tag in Jogginghose, sorry Karl!
       
       Und dann fange ich panisch an, überall ein wenig herumzuwischen, zu feudeln
       und diesen komischen Fleck auf dem Küchenboden wegzumachen, der auch ein
       wenig klebrig ist, damit es nicht zu peinlich wird. Aber jetzt will eh
       niemand mehr vorbeikommen. Und falls wider Erwarten doch, sag ich einfach:
       Geht gerade nicht, habe keine Zeit. Normalerweise kommt nach dieser Ausrede
       immer ein Gequengel und Abgefrage: Warum denn nicht? Und ob man nicht doch
       rumschauen könne, nur für einen Kaffee. Aber jetzt sage ich einfach nur
       „Corona!“, und es ist Ruhe im Karton. Herrlich!
       
       Mein Leben ist einfach viel unkomplizierter und bequemer geworden. Corona
       ist die perfekte Universalausrede für alles, ich weiß gar nicht, wie ich
       nach der Pandemie je wieder ohne diese auskommen soll.
       
       Ich renne den [3][ganzen Tag in meiner Jogginghose] herum und wechsle die
       Klamotten auch nicht, wenn ich dann ausnahmsweise doch nach draußen muss,
       etwa zum Einkaufen. Warum auch? Die [4][anderen im Supermarkt sind oft
       ähnlich underdressed] wie ich, vor denen muss ich mich also wirklich nicht
       schämen. Und Karl Lagerfeld, das wurde mir während Corona endlich klar
       bewusst, ist einfach mal tot.
       
       ## Eine Homestory der etwas anderen Art
       
       Ich bin auch so ein Zyklen-Typ. Im Sommer treibe ich Sport ohne Ende, im
       Winter mache ich gar nichts. Das erzeugt bei mir immer extreme
       Jan-Ullrich-Effekte. Im Sommer geht’s mit der Wampe, im Winter schwabbelt
       und wölbt sich alles und ich fange an, mich selbst dafür zu hassen. Die
       Hosen passen nicht mehr, der Pulli ist zu eng, das ganze Elend halt.
       
       Normalerweise rede ich mir im Winter beim Blick in den Spiegel dann immer
       verzweifelt ein, jetzt aber doch mal mit dem Joggen zu beginnen oder ins
       Fitnessstudio zu gehen. Was ich dann natürlich beides nicht regelmäßig
       mache. Jetzt beiße ich relaxed in meine „Snickers“, ziehe für die paar
       Minuten in der Öffentlichkeit einfach die dicke Winterjacke an, unter der
       die dicksten Beulen verschwinden und die hundertprozentig längst wieder zu
       eng gewordenen Hosen – wie gesagt: Ich weiß gar nicht mehr, wo die
       überhaupt sind.
       
       [5][Friseure zu] – kratzt mich nicht, ich habe einen Langhaarschneider.
       Ungewaschen, ungekämmt, unrasiert – na und, sieht oder riecht ja eh
       niemand. [6][Kein Klopapier – egal], ich bin Zeitungsleser. Das war sie,
       meine Homestory mit der Überschrift „Entspannter leben dank Lockdown“.
       
       26 Feb 2021
       
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