# taz.de -- Coronatests und Feiern: Geburtstage mit Abstrichen
       
       > Das Stäbchen im eigenen Nasenloch? Ist da nicht irgendwo das Hirn? Ein
       > Selbstversuch kurz vor der Familienfeier.
       
 (IMG) Bild: An Geburtstagen muss man oft Abstriche machen- dieses Jahr aus dem Nasenrachenraum
       
       Geburtstage sind anstrengend. Wenn ich über die Jahre eines gelernt habe,
       dann das: An Geburtstagen muss man oft Abstriche machen. Dieses Jahr waren
       es Abstriche aus dem Nasenrachenraum. [1][25 Stück sind in der Packung],
       die ich im Internet bestellt habe. Mein Geschenk für den Sechzigsten meiner
       Mutter.
       
       „Das reicht locker für eine Feier im engsten Kreis“, freut sie sich. Du
       willst 25 Leute einladen?“, frage ich. „Hast du neu geheiratet?“ „Sei nicht
       albern, jeder macht zwei Tests, und Papa drei.“ „Warum macht Papa drei?“
       „Damit er sieht, wie unangenehm das ist.“
       
       „Das ist doch nur ein Abstrich!“, sagt mein Vater. Meine Mutter runzelt
       ärgerlich die Stirn. „Ich habe mehrere Kinder geboren, und ich sage dir,
       das ist nicht nur ein Abstrich. Der Tupfer landet direkt in deinem Gehirn.“
       „Geht das?“, fragt meine Schwester.
       
       Alle blicken mich interessiert an. „Also“, sage ich, „früher bei den
       Ägyptern hat man den Menschen das Gehirn ja aus der Nase gezogen.“ Meine
       Schwester schüttelt sich. „Jetzt mal im Ernst. Wusstet ihr, dass
       Neurochirurgen die Hypophyse durch die Nase operieren?“ „Die Hypophyse?“
       „Das ist die Hirnanhangsdrüse. Dort werden Hormone produziert“, sagt mein
       Vater. „Woher weißt du denn das?“, frage ich erstaunt. „Es ist nicht das
       erste Mal, dass du uns den Appetit verdirbst.“ „Wie schön, dass du
       aufgepasst hast, Papa.“
       
       ## „Mama, du hättest OP-Schwester werden sollen.“
       
       „Kommt man jetzt mit dem Abstrich ins Gehirn oder nicht?“ „Natürlich nicht!
       Es ist ein Nasen-Rachen-Abstrich. Das Gehirn kommt in diesem Begriff gar
       nicht vor!“
       
       Meine Mutter seufzt. Sie legt eine weiße Decke auf den Küchentisch und
       ordnet die Testutensilien. „Mama“, sage ich, „du hättest OP-Schwester
       werden sollen.“ „Und dann so einen schnöseligen Neurochirurgen heiraten?“
       Sie zündet eine Kerze an.
       
       „Ich fühle mich wie in einer Séance im 20. Jahrhundert“, flüstert meine
       Schwester. „Wer will anfangen?“
       
       Mein Vater volontiert. „Ist die Hypophyse ein wichtiges Organ?“ „Ja, Papa,
       ohne geht es nicht.“ Er schluckt tapfer. Ich fixiere sein Kinn und sondiere
       mit dem Tupferstäbchen sein linkes Nasenloch. Er zuckt zusammen.
       „Stillhalten, Papa!“ Er nickt.
       
       Vorsichtig schiebe ich den Tupfer weiter nach vorne. „Der häufigste
       präanalytische Fehler ist eine zu zaghafte Entnahmetechnik“, sage ich,
       während er nach Luft schnappt. Er packt meinen Arm und drückt zu. So fest,
       dass ich aus Versehen noch ein wenig tiefer rutsche. Seine Augen beginnen
       zu tränen. „Das ist das Schlimmste, was ich je erlebt habe!“ „Sag ich
       doch“, freut sich meine Mutter.
       
       ## „Wer testet mich?“ Alle schweigen
       
       Schließlich bin ich an der Reihe. „Wer testet mich?“ Alle schweigen.
       
       „Ich kann kein Blut sehen.“ „Mama, es ist nach wie vor ein
       Nasen-Rachen-Abstrich. Wenn du Blut siehst, hast du wahrscheinlich etwas
       falsch gemacht.“ „Ich habe Germanistik studiert!“ Ich blicke zu meinem
       Bruder. „Was ist mit dir? Du hast den Angelschein!“ „Ich werfe die Fische
       wieder rein.“ „Oh Mann“, sage ich, „ihr seid solche Memmen.“
       
       So hart es ist – wenn ich nicht wieder heimfahren will, muss ich mir den
       Abstrich tatsächlich selbst machen. Ich atme tief durch. Dann schiebe ich
       das Stäbchen ins rechte Nasenloch. Respektvolles Schweigen. „Wow, das war
       tief. Hängt da ein wenig Hypophyse mit dran?“ „Mensch, Papa“, sage ich, „
       du hättest Neurochirurg werden sollen.“ „Und dann so eine ordentliche
       OP-Schwester heiraten?“ Meine Mutter lacht.
       
       „Ihr könnt die Maske abnehmen“, sage ich, „ihr seid negativ.“ Meine Eltern
       fallen sich in die Arme, als wären sie gerade von einem gefährlichen
       Fronteinsatz heimgekehrt. Meine Mutter schenkt Sekt nach. „Zum Glück wird
       man nur einmal sechzig“, sagt sie.
       
       3 Mar 2021
       
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