# taz.de -- Corona-Anhörung im Abgeordnetenhaus: Bevor die Lichter ganz ausgehen
       
       > Handelsverbandschef Nils Busch-Petersen drängt auf weitere Öffnungen –
       > sonst nimmt aus seiner Sicht die „DNA der Stadt“ Schaden.
       
 (IMG) Bild: Viele Einzelhänder stehen nach Darstellung ihres Verbands durch den Coronalockdown vor dem Aus
       
       Berlin taz | Würden sie im Kanzleramt und in den Staatskanzleien bundesweit
       anders entscheiden, wenn sie gerade Nils Busch-Petersen zuhören könnten?
       Während Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am Mittwoch über das „wie
       weiter“ in der Coronakrise beraten, schildert der Chef des regionalen
       Handelsverbandes, digital ins Abgeordnetenhaus zugeschaltet, eindringlich
       die Folgen des Lockdowns und drängt auf Lockerungen. Eins seiner stärksten
       Argumente: Mitarbeiter in geöffneten Geschäften hätten täglich Hunderte
       Kontakte – die Infektionsrate aber liege um 25 Prozent unter dem
       Bundesdurchschnitt.
       
       Im Abgeordnetenhaus, genauer im Plenarsaal, hören ihm immerhin die
       Mitglieder des Hauptausschusses zu. Eine Anhörung steht auf der
       Tagesordnung: Welche wirtschaftlichen Folgen die Pandemie habe, will man
       wissen. Busch-Petersen kennen viele Abgeordneten seit Langem, er ist seit
       über 15 Jahren Verbandschef, von ihm weiß man, dass da kein Dampfplauderer
       spricht.
       
       Und der berichtet nun, während der geöffnete Teil des Handels mit
       Supermärkten und Drogerien überdurchschnittlich gut laufe, mache sich bei
       den anderen „zunehmend Verzweiflung und Entsetzen breit“. Jeder zweite
       Betrieb sage, er werde das Jahr ohne adäquate Hilfe nicht überstehen. Das
       sei nicht bloß für die direkt Betroffenen verheerend, nein, das werde auch
       erhebliche Auswirkungen „auf die DNA der Stadt“ und ihre Einkaufsstraßen
       haben.
       
       Busch-Petersen stellt die Logik des Lockdowns infrage. Eine Studie habe
       ergeben, dass es im geöffneten Einzelhandel ein Viertel weniger neue
       Corona-Infektionen gebe als im bundesweiten Durchschnitt. „Der Handel ist
       ein sicherer Hafen“, sagt er. Außerdem: In anderen Zeiten komme es im
       Berliner Handel täglich zu 2,25 Millionen Kontakten. Vier Fünftel davon
       gebe es auch im Lockdown über die offenen Geschäfte – warum für das letzte
       Fünftel trotz Hygienekonzepten alle anderen schließen?
       
       ## Volkswirt: Berlin ist tiefer gefallen
       
       Ein Volkswirt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird
       anschließend sagen, Berlin sei in ein tieferes Loch gefallen als andere
       Regionen. Das sieht man auch bei der Investitionsbank so: „Berlin ist
       aufgrund seines hohen Dienstleistungsanteils besonders betroffen.“ Die
       Industrie- und Handelskammer mutmaßt, die Krise drohe langfristige Brüche
       zu erzeugen, „wir werden erhebliche Insolvenzen haben“.
       
       Hört man wenig später die Einschätzung von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop
       (Grüne), so klingt das etwas anders. Für sie ist das Glas halb voll, nicht
       halb leer: 10 bis 12 Prozent Rückgang in der Berliner Wirtschaft habe man
       befürchtet, nun liege man mit rund 5 Prozent im Bundesschnitt. Ihr Fazit:
       „Unsere Wirtschaftsstruktur ist krisenresistenter geworden.“
       
       Was die Abgeordneten im Plenarsaal samt der zugeschalteten Experten eint,
       fasst Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) in Worte: „Die
       Kanzleramtsschalte läuft gerade parallel, wir wissen nicht, was dabei
       rauskommt.“ Er ist erst einen Tag später mit dem Entscheiden dran: Am
       Donnerstag beschließt der Senat in einer Sondersitzung, welchen Weg Berlin
       geht. Zumindest Lederer, Pop und weitere Senatsmitglieder im Saal könnten
       dabei Busch-Petersens Bericht noch im Ohr haben.
       
       3 Mar 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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