# taz.de -- Katharina Pistor „Der Code des Kapitals“: Privateigentum überschätzt
       
       > Die Juristin Katharina Pistor will in ihrem Buch zeigen, dass das
       > Privatrecht den Kapitalismus hervorgebracht hat, doch diese These ist
       > falsch.
       
 (IMG) Bild: Containerterminal des Hafens von Qinzhou/China: Die Globalisierung wurde durch Container möglich
       
       Juristen sind durchaus wichtig, aber bisher stehen sie nicht im Fokus, wenn
       es darum geht, die Gesellschaft oder den Kapitalismus zu erklären. Mit
       dieser Nebenrolle will sich die Juristin Katharina Pistor, die an der
       Eliteuniversität Columbia in New York lehrt, nicht abfinden. In ihrem neuen
       Buch „Der Code des Kapitals“ wartet sie mit der steilen These auf, dass das
       Recht die eigentliche „Quelle des Reichtums“ sei. Erst das Privatrecht
       würde Vermögen und Ungleichheit schaffen.
       
       Pistor verherrlicht die Juristen nicht. In ihrem Buch sind sie eher
       Schurken, die sich komplexe Rechtskonstrukte ausdenken, damit sich die
       Vermögenden trickreich die größten Stücke des gesellschaftlichen Kuchens
       sichern können. Pistor erzählt, wie sich die „Kerninstitutionen des
       Privatrechts“ historisch entwickelt haben. Dazu gehört das Vertrags-,
       Eigentums-, Kreditsicherungs-, Trust-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht.
       
       Dieser Durchmarsch durch die Geschichte ist gelegentlich interessant,
       obwohl Pistor zur redundanten Weitschweifigkeit neigt. Vor allem aber
       erstaunt, dass Pistor selbst nicht bemerkt, dass ihr historischer Abriss
       die eigene Kernthese widerlegt. So stellt Pistor richtig fest, dass
       Privateigentum bereits bei den antiken Römern existierte und umfangreich
       rechtlich geschützt wurde.
       
       ## Juristische Finesse der Römer
       
       Zudem kannten auch die Römer schon Firmenkonstrukte, die die Haftung der
       Eigentümer beschränkten und damit den modernen Kapitalgesellschaften
       ähnelten. An juristischer Finesse fehlte es den Römern nicht, trotzdem hat
       sich damals kein Kapitalismus entwickelt. Stattdessen stagnierte die
       römische Wirtschaft weitgehend. Offensichtlich schafft juristisch codiertes
       Privateigentum allein noch keinen Reichtum, sonst hätte bereits zu
       Römerzeiten stürmisches Wachstum einsetzen müssen.
       
       Pistor hat einen sehr westlichen Blick; es wird vor allem die Geschichte
       des angloamerikanischen Privatrechts referiert. Daher entgeht ihr, dass es
       auch Gesellschaften gibt, die reicher werden, obwohl das Privateigentum
       ständig in Gefahr ist. China ist das beste Beispiel. Dort kann es auch
       Milliardären passieren, dass sie in Ungnade fallen und verschwinden – aber
       das chinesische Wachstum hat durch diese Willkür nicht gelitten.
       
       ## Bizarre Erklärung des Kapitalismus
       
       Bizarr ist auch, wie sich Pistor die Globalisierung erklärt. Glaubt man
       Pistor, dann wurde zunächst das angloamerikanische Recht weltweit
       exportiert und erst dann die Wirtschaft globalisiert. Auch dies ist
       schlicht falsch. Erneut reicht ein Blick nach China: Bis heute hat Europa
       keinen Handelsvertrag mit Peking, trotzdem ist China längst Deutschlands
       wichtigster Kunde. Die Globalisierung wurde nicht durch das Recht
       vorangetrieben, sondern durch den Container. Diese Blechkiste hat
       Transporte so billig gemacht, dass sogar Pfennigartikel verschifft werden.
       
       Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Regeln fürs Privateigentum nicht
       erklären können, warum einige Gesellschaften reich werden und andere nicht.
       Doch diese Debatten der Wirtschaftshistoriker hat Pistor weitgehend
       ignoriert. Das kann wahrscheinlich nur einer Juristin passieren.
       
       28 Feb 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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