# taz.de -- Nach Moskau-Besuch von Borrell: EU-Chefdiplomat unter Druck
       
       > Außenbeauftragter Borrell hat in Moskau keine gute Figur gemacht. Nun
       > fordern EU-Abgeordnete seinen Rücktritt und einen harten Kurs.
       
 (IMG) Bild: Russlands Außenminister Sergei Lawrow (r.) und EU-Außenbeauftragter Josep Borrell (l.) am 05. Februar in Moskau
       
       Nach dem [1][missglückten Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in
       Moskau] ist in Brüssel ein heftiger Streit über die Außenpolitik und den
       weiteren Kurs gegenüber Russland entbrannt. Der Konflikt belastet die
       geopolitische Kommission um EU-Präsidentin Ursula von der Leyen und führt
       zu Spannungen im Europaparlament.
       
       In einem Brief an von der Leyen forderten 81 vorwiegend osteuropäische
       Europaabgeordnete am Dienstag Borrells Rücktritt und eine knallharte Linie
       gegenüber Moskau. „Wir glauben, dass die Präsidentin der EU-Kommission
       handeln sollte, falls Herr Borrell nicht freiwillig zurücktritt“, heißt es.
       Die Mehrheit der Abgeordneten hält jedoch zu dem Spanier. Noch. „Es ist zu
       früh, den Rücktritt zu fordern“, sagte die CSU-Parlamentarierin Angelika
       Niebler. Borrell habe in Moskau einen „peinlichen Auftritt“ hingelegt und
       stehe „unter genauer Beobachtung“. Das eigentliche Problem sitze aber nicht
       in der EU-Kommission, sondern im Kreml.
       
       Borrell war bei einer Pressekonferenz in Moskau von seinem russischen
       Amtskollegen Sergei Lawrow vorgeführt worden. Lawrow brachte den Spanier
       mit Hinweisen auf die umstrittenen US-Sanktionen gegen Kuba – die die EU
       ablehnt – ins Schleudern. Zudem ließ er drei EU-Diplomaten ausweisen, ohne
       Borrell zu informieren. „Das ist die größte (Selbst-)Erniedrigung in der
       Geschichte europäischer Diplomatie“, twitterte der grüne Europaabgeordnete
       Sergey Lagodinsky hinterher. Borrell klagte, „dass die russische Regierung
       diese Gelegenheit nicht ergreifen wollte, um einen konstruktiveren Dialog
       mit der EU zu führen“. Dies werde Konsequenzen haben.
       
       Welche das sein könnten, will Borrell beim nächsten Treffen der
       EU-Außenminister am 22. Februar sagen. Es sei Sache der Mitgliedsstaaten,
       über den nächsten Schritt zu entscheiden, sagte er. „Aber ja, das könnte
       Sanktionen einschließen.“ Er werde sein Initiativrecht nutzen und konkrete
       Vorschläge vorlegen.
       
       Zunächst stellte er sich jedoch den Fragen der Europaabgeordneten. Es sei
       ihm darum gegangen, mit Lawrow den Fall von Kremlkritiker Alexei Nawalny zu
       besprechen, sagte er. Zudem habe er versucht, sich gegen die
       Verschlechterung der Beziehungen mit Russland zu stemmen. Die Antwort sei
       jedoch „Nein“ gewesen. „Ich hatte vor meiner Reise keine Illusionen, nun
       bin ich noch mehr besorgt“, sagte Borrell am Dienstag in Brüssel. Es gebe
       kaum noch Raum für eine demokratische Entwicklung in Russland. Die
       gegenwärtige „Machtstruktur“ in Moskau stelle sich gegen den Rechtsstaat
       und liberale Werte. „Wir sind auch geopolitisch am Scheideweg“, so Borrell.
       
       Trotz der Spannungen sei es jedoch im eigenen EU-Interesse, den Dialog
       fortzuführen. „Wir dürfen den Menschen nicht den Rücken zukehren.“ Das
       Parlament quittierte es mit müdem Beifall.
       
       Borrell hätte gar nicht erst nach Moskau fliegen sollen, kritisierten
       mehrere Abgeordnete in der Aussprache. Sein „Misserfolg“ sei jedoch auch
       auf die EU-Staaten zurückzuführen, die sich in der Russland-Politik nicht
       einig seien, sagte der grüne Parlamentarier Reinhard Bütikofer. Vor allem
       Deutschland und Frankreich müssten sich bewegen.
       
       Mehrere Abgeordnete forderten auch das Aus für die [2][umstrittene
       deutsch-französische Gaspipeline Nord Stream 2]. Der katalanische
       Abgeordnete Carles Puigdemont kritisierte dagegen „Doppelstandards“. In
       seinem Land gebe es nicht nur einen, sondern gleich neun „politische
       Gefangene“, so Puigdemont. Doch dazu schweige die EU, sagte er mit Blick
       auf Borrell, der die harte spanische Linie gegen die
       Unabhängigkeitsbewegung unterstützt.
       
       9 Feb 2021
       
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