# taz.de -- Neues Fußverkehr-Gesetz: So kann’s gehen
       
       > Der Verband FUSS e. V. betrachtet den neuen Fußverkehrs-Teil des
       > Mobilitätsgesetzes mit Wohlwollen – und warnt vor problematischen
       > Entwicklungen.
       
 (IMG) Bild: Für den Fußverkehr soll die Ampel bald länger auf Grün stehen
       
       Berlin taz | Ein „Lichtblick“ mit „Schattenseiten“: Der Fußverkehrsverband
       FUSS e. V. hat eine Menge Lob für das neue Kapitel des Berliner
       Mobilitätsgesetzes, das am Donnerstagabend im Abgeordnetenhaus
       verabschiedet wurde. Die AktivistInnen finden aber auch klare Worte zu
       Defiziten, insbesondere bei der Umsetzbarkeit.
       
       Seit einem guten Jahr war das „Erste Gesetz zur Änderung des Berliner
       Mobilitätsgesetzes“ in den Ausschüssen des Landesparlaments unterwegs. Es
       besteht in erster Linie aus einem neuen, vierten Abschnitt mit der
       Überschrift „Entwicklung des Fußverkehrs“, der die bestehenden Abschnitte –
       einen allgemeinen Teil sowie je einen zu ÖPNV und Radverkehr – ergänzt.
       Auch damit ist das von Rot-Rot-Grün entworfene und 2018 in Kraft getretene
       Gesetz aber noch nicht fertig, ein Teil zu „Wirtschaftsverkehr und Neue
       Mobilität“ ist weiterhin in Arbeit.
       
       „Der Fußverkehr wurde 100 Jahre lang an den Rand gedrängt“, sagt Roland
       Stimpel vom Bundesvorstand des FUSS e. V., „das Kapitel im Mobilitätsgesetz
       ist jetzt ein weiterer Schritt, diese Benachteiligung zurückzudrehen.“
       Stimpel sieht das Zu-Fuß-Gehen als die „dominierende Verkehrsform in
       unseren Städten“, das in den Statistiken meist unterbelichtet bleibe:
       „Zählt man auch die Wege dazu, die Menschen zu Fuß zurücklegen, um
       beispielsweise zum Bahnhof oder zur Bushaltestelle zu kommen, wird fast die
       Hälfte aller Wege in der Stadt zu Fuß zurückgelegt.“
       
       FUSS-Geschäftsführer Stefan Lieb zählt auf, was das Gesetz aus Sicht des
       Verbands alles richtig macht: Das Queren breiter Straßen solle durch
       bauliche Veränderungen, aber auch neue Ampelschaltungen sicherer und
       schneller werden. Zur Beruhigung des rollenden Verkehrs und zum Schutz der
       FußgängerInnen seien „durchgezogene“ Gehwege vorgesehen, die die Fahrbahn
       auf einer Art Plateau kreuzen. Falschparken solle konsequent bekämpft
       werden, Gehwege müssen grundsätzlich ausreichend Platz bieten, und
       Sitzgelegenheiten ohne kommerziellen Bezug sollen es gerade alten Menschen
       erlauben, auch längere Wege mit Pausen zu bewältigen.
       
       Senat und Bezirken sollen dazu mit PlanerInnen und Koordinationsstellen
       ausgestattet werden, der Verkehrssenatorin soll eine
       Fußverkehrs-„Stabsstelle“ direkt unterstehen. Der ursprüngliche Entwurf
       wurde deutlichen Änderungen unterzogen, viele Anträge kamen auch aus der
       Koalition. Auch Lieb hebt einige dieser Änderungen positiv hervor: Ein
       Fußverkehrsplan in Form einer Rechtsverordnung wird analog zu anderen
       Teilverkehrsplänen „verbindliche Kriterien zur Verbesserung des baulichen
       Zustandes des Fußverkehrsnetzes“ aufstellen, wie es im Gesetzestext heißt.
       Enthalten wird er Konkretisierungen zu Ausbau, Sanierung und
       Qualitätsverbesserung der Fußverkehrswege sowie der „Modernisierung der
       Lichtsignalanlagen und der Beleuchtung“.
       
       Auch andere Punkte wurden auf dem Weg durchs Abgeordnetenhaus noch
       angespitzt: So sollte es ursprünglich zehn Pilotprojekte mit exemplarischen
       Verbesserungen geben, die innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des
       Gesetzes umzusetzen oder zumindest fertig zu planen seien. Jetzt sind es
       zwölf Projekte – eines pro Bezirk –, und es gibt deutlich engere Fristen.
       Innerhalb einen Jahres sind die Maßnahmen festzulegen, nach drei Jahren
       müssen sie umgesetzt oder durchgeplant sein.
       
       ## Allianz von Auto und Fahrrad?
       
       Aber die Fuß-LobbyistInnen legen den Finger auch auf die Schwächen der
       neuen Fußverkehrspolitik: Es werde wohl an Ressourcen mangeln, sagt Roland
       Stimpel, und es seien Konflikte mit den anderen Verkehrsarten programmiert:
       „Wir beobachten bisweilen eine informelle Allianz all derer, die auf Rädern
       unterwegs sind – auch wenn die Konfliktlinie immer nur zwischen Auto und
       Fahrrad zu verlaufen scheint.“ Um den Radverkehr flüssiger abzuwickeln,
       würden Radwege schon mal quer über Gehwege geführt. Stimpel nennt den
       Kreisverkehr am Kottbusser Tor in Kreuzberg als abschreckendes Beispiel.
       
       Die zunehmende und von der Verwaltung beförderte Präsenz von Radfahrenden
       in Grünanlagen und Parks sei genauso problematisch: „Am Teltowkanal soll
       ein Radschnellweg entstehen, ein acht Meter breites Asphaltband, wo jetzt
       noch entspannt spaziert werden kann“, sagt Stimpel. „Das steht im
       Widerspruch zu den Zielen der Verkehrswende und des Klimaschutzes!“
       
       Auf den laufenden und nun bis Oktober verlängerten Verkehrsversuch in der
       Friedrichstraße hat Stimpel einen kritischen Blick: „Die Luft ist besser
       geworden, der Lärm weniger, wir brauchen dort auch keine privaten Autos.
       Aber dem selbst gewählten Etikett ‚Flaniermeile‘ ist man nicht gerecht
       geworden.“ Für FußgängerInnen gebe es im Prinzip nicht mehr Platz als
       vorher, und die Querung der mittig verlaufenden Radspur sei gerade für
       Ältere oder sehbehinderte und blinde Menschen sehr schwierig. „Da müssen
       mindestens Zebrastreifen hin“, fordert der Fuß-Aktivist.
       
       29 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
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