# taz.de -- Städte und Gemeinden in Finanznot: Kommunen drängen auf Entschuldung
       
       > Städte und Gemeinden sehen sich überlastet – organisatorisch und
       > finanziell. Zusätzlich zu Corona sorge auch der Klimaschutz für hohe
       > Kosten.
       
 (IMG) Bild: Ein Bundeswehrsoldat nimmt bei einem Testlauf im Berliner Corona-Impfzentrum teil
       
       Berlin taz | Die Städte und Gemeinden sehen sich durch die
       [1][Coronapandemie] und den fälligen Stadtumbau zunehmend überfordert.
       „Corona hat uns voll im Griff“, sagt der Präsident den Deutschen Städte-
       und Gemeindebundes (DSTGB), Ralph Spiegler. Als Beispiel nennen die
       Kommunen die Gesundheitsämter, die Infektionsketten aus eigener Kraft nicht
       mehr nachverfolgen könnten. Allein hierbei helfen derzeit rund 15.000
       Bundeswehrsoldaten den Ämtern.
       
       Aber auch finanziell steht vielen Kommunen trotz der Bundeshilfen [2][das
       Wasser bis zum Hals.] „Ohne eine Entschuldung der Kommunen wird die
       Handlungsfähigkeit kaum zu erhalten sein“, warnt
       DSTGB-Verbands-Geschäftsführer Gerd Landsberg. Rund 50 Milliarden Euro an
       Kassenkrediten belasten vor allem die ärmeren Städte und Gemeinden. Mit
       diesen Darlehen finanzieren sie laufende Ausgaben, nicht etwa Investitionen
       in Schulen oder Kitas.
       
       Dabei ist die Situation regional sehr unterschiedlich. In wohlhabenden
       Ländern wie Bayer und Baden-Württemberg, aber auch in ostdeutschen Regionen
       stehen die Kommunen recht gut da. Im Norden, in NRW oder im Saarland ringen
       dagegen viele Städte und Gemeinden mit finanziellen Engpässen. Bundesweit
       gelten rund 30 Prozent der Kommunen als Problemfälle.
       
       Geschäftsführer Landsberg befürchtet, dass die Corona-Krise das
       Ungleichgewicht zwischen armen und reichen Gegenden noch weiter verstärkt.
       Und Präsident Spiegler betont: „Wir müssen dafür sorgen, dass die
       Bildungschancen eines Kindes nicht davon abhängen, in welcher Region es
       lebt.“
       
       ## Kein „Impfstoff gegen den Klimawandel“
       
       Der letzte Versuch einer Entschuldung scheiterte im vergangenen Frühjahr,
       vor allem am Widerstand der reicheren Bundesländer. Nun will der DSTGB
       einen neuen Anlauf für Überzeugungsarbeit nehmen. Unterstützung erhalten
       die Kommunen dabei auch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
       (DIW). Das Institut plädiert für eine Reform das Länderfinanzausgleichs, um
       dem wachsenden Nord-Süd-Gefälle zu begegnen.
       
       Die Kommunalverbände warnen auch vor weiteren kostspieligen Wahlversprechen
       zu ihren Lasten, etwa eine kostenlose Ganztagesbetreuung in den Schulen
       oder einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet im letzten Winkel. Derlei
       Forderungen würden nicht von heute auf morgen erfüllbar sein. Denn auch
       abseits der Pandemie kommt vor allem auf die Städte mit dem zum Klimaschutz
       nötigen Stadtumbau noch eine große Aufgabe zu.
       
       „Wir haben nicht den Impfstoff gegen den Klimawandel“, sagt Landsberg. Der
       DSTGB beklagt zu viele Hemmnisse beim Standumbau. Es dauert den Stadtoberen
       beispielsweise zu lange, bis der Bau eine Radweges umgesetzt werden kann.
       Deshalb fordert der Verband ein Gesetz, dass Investitionen in den
       Klimaschutz den Vorrang vor Einsprüchen von Bürgern einräumt. Auf
       Bundesebene gibt es so eine Regelung bereits für den Ausbau des
       Schienennetzes.
       
       Der Stadtumbau wird nach der Pandemie wohl auch durch bleibende
       Veränderungen notwendig. Landsberg schätzt, dass gut 50.000 Einzelhändler
       bundesweit aufgeben müssen. Der Handel verschwindet aus der Innenstadt und
       die zunehmend verbreitete Heimarbeit verringert den Bedarf an Büroflächen.
       So müssen die Innenstädte wohl anderweitig belebt werden.
       
       „Wir brauche mehr Kultur, mehr Grün und mehr Wasser“, sagt Landsberg.
       Finanzieren könnte dies zum Teil ein Fonds. Diesen Geldtopf sollen die
       großen Online-Händler über eine Paketabgabe füllen – eine Idee, die
       CDU-Abgeordnete kürzlich ins Spiel gebracht haben. Sie findet bei Städten
       und Gemeinden Gefallen. Allerdings will Landsberg kleine Geschäfte, die
       sich online ein zweites Standbein aufgebaut haben, von dieser
       „Produktsendesteuer“ ausnehmen.
       
       5 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
 (DIR) [2] /Ueberschuldete-Kommunen-durch-Corona/!5689052
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolfgang Mulke
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Finanzen
 (DIR) Kommunen
 (DIR) Heizkosten
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Wirtschaftswachstum
 (DIR) 2020 in guten Nachrichten
 (DIR) Haushaltsdebatte
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Steigende Energiekosten für Klimaschutz: Wer bezahlt die Wärme?
       
       Energie wird im neuen Jahr teurer. Mieter:innen und Vermieter:innen sollen
       sich die Zusatzausgaben teilen, schlägt Svenja Schulze vor.
       
 (DIR) Impfstoffverteilung in der EU: Genug für alle
       
       Der Corona-Impfstoff des Konzerns Moderna steht kurz vor der Zulassung, der
       von AstraZeneca ist auf dem Weg. Es wird genug Vakzine für die EU geben.
       
 (DIR) Wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands: Die Globalisierung hilft
       
       Experten erwarten eine wirtschaftliche Erholung in Deutschland ab dem
       Frühjahr. Doch Staatshilfen werden wohl noch lange nötig sein.
       
 (DIR) Neuverschuldung und Corona: Loblied auf die Schulden
       
       2020 gab es revolutionäre Finanzspritzen. Märkte können nur noch
       existieren, wenn der Staat sie schützt. Wie die Herrschaft der Neoliberalen
       endete.
       
 (DIR) Schulden durch Coronakrise: Gegensätzliche Erzählungen
       
       Die Haushaltsdebatte im Bundestag steht an. Rechtfertigt Corona die hohen
       Schulden – und was passiert finanzpolitisch danach?