# taz.de -- Fackeln in Brandenburg: Auf seltsamen Wegen
       
       > Weil wegen Corona alles zu hat, machen wir eine Fackelwanderung im Wald.
       > Die verläuft dann doch anders als gedacht.
       
 (IMG) Bild: Plötzlich beginnen die Kinder zu marschieren
       
       Man muss sich etwas einfallen lassen in diesem zähen Dezember.
       [1][Weihnachtsmärkte], Eislaufbahnen, Kinos, nichts geht mehr. Und sogar
       [2][Glühwein gilt inzwischen als gefährlich]. Weil Licht und Bewegung im
       Freien gegen coronabedingte Trägheit helfen sollen, verabreden wir uns mit
       Freunden zum Fackellauf. Zwei Haushalte, das ist okay. Und damit es ein
       bisschen spannend wird, wollen wir uns nicht im Park nebenan treffen,
       sondern im Brandenburger Wald. Dort, wo die Wildschweine regelmäßig den
       Boden durchwühlen.
       
       Wir sind wohl nicht die Einzigen mit so einer Idee. Im Baumarkt fragt der
       Mann vor mir nach Fackeln, ich zockele einfach hinter seinem Kinderwagen
       her. Es sollen bereits Eltern mit Fackeln auf unbeleuchteten Spielplätzen
       gesichtet worden sein, man muss den Nachwuchs ja irgendwie nach draußen
       bewegen.
       
       In der Baumarkt-Kiste sind nur noch ein paar wenige gewachste Stäbe übrig.
       In Deutschlandfarben. Schwarz-Rot-Gold, das ist normalerweise nicht so mein
       Ding. Aber was soll’s, steht ja auch für Demokratie. Und der WM-Sommer 2006
       war wirklich super.
       
       Sie brennen gut. Hell lodern die Flammen im Wald, rundherum ist alles
       schwarz. Wir folgen dem Weg, weichen kahlen Zweigen aus. Die Krähen
       schreien. Irgendwo knackt es laut im Geäst. Zu laut für ein kleines Tier.
       Die Kinder sind erst still, dann fangen sie an zu quatschen. Über die
       Herr-der-Ringe-Filme. Die Armee der Orks, die Kämpfe, das fasziniert sie.
       Wir erreichen ein Feld, in der Ferne sehen wir Lichter.
       
       Gerade, als es am schönsten ist – oben leuchten die Sterne, unten plaudern
       wir –, fangen die Kinder an zu marschieren. „Eins, zwo, drei, vier. Eins,
       zwo, drei, vier.“ Wobei sie die Eins immer besonders betonen. Sie haben
       eine Formation gebildet. Die vorne halten die Fackeln aufrecht, die hinten
       seitlich. Im Gleichschritt laufen sie in die Siedlung ein. „Eins, zwo,
       drei, vier.“
       
       Ein paar Brandenburger haben es sich coronagemäß auf einer Terrasse
       gemütlich gemacht. Sie rufen uns etwas zu. War es Kritik? Oder gefällt
       ihnen das sogar? Wir verstehen nichts wegen der lauten Zählerei. „Ein Hut,
       ein Stock, ein himmelblauer Unterrock“, ruft die Freundin dazwischen, um
       unseren Aufzug etwas ziviler erscheinen zu lassen. „Hacke, Spitze, hoch das
       Bein!“
       
       Doch die Kinder lassen sich nicht beirren. „In Reih und Glied!“, befiehlt
       die Große. Sie stampfen weiter. „Eins, zwo, drei, vier. Eins, zwo, drei,
       vier.“ Schwarz-rot-goldenes Wachs tropft auf Jacken, Schuhe, auf den
       Asphalt.
       
       Dieses Wochenende gehen wir wohl einfach wieder auf den Bolzplatz.
       Tagsüber. Ohne Fackeln.
       
       12 Dec 2020
       
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