# taz.de -- Staatskonzern in Polen kauft Zeitungen: Das Orlen-Imperium
       
       > Der Ölkonzern Orlen hat etliche polnische Zeitungen und Online-Portale
       > von der deutschen Verlagsgruppe Passau erworben. Polens Rechte
       > triumphiert.
       
 (IMG) Bild: Fehlt da nicht was? Orlen hat sich seine Buchstaben jetzt aus Deutschland zurückgekauft
       
       Warschau taz | Polens Nationalpopulisten triumphieren. Der staatliche
       Mineralölkonzern PKN Orlen hat im Dezember auf einen Schlag 20
       Tageszeitungen, 120 Wochenblätter, sechs Druckereien und rund 500
       Online-Portale erworben. Bislang wurden sie alle vom Verlag Polska Press
       herausgegeben, einer hundertprozentigen Tochter der Verlagsgruppe Passau in
       Bayern. Bei Polens Rechten fällt das unter das Stichwort
       [1][“Repolonisierung“], also „wieder polnisch machen“ von Medien im Besitz
       ausländischer Verlage. Die Kaufsumme, so schätzt die Wirtschaftszeitung
       Puls Biznesu, liegt bei rund 120 Millionen Złoty, also zirka 27 Millionen
       Euro.
       
       Doch je mehr Details der Transaktion ans Licht kommen, desto länger werden
       die Gesichter der Regierungsanhänger. Denn die Medien von Polska Press
       folgen seit Jahren [2][dem allgemeinen Markttrend]: Es geht bergab. Das
       einstige Flaggschiff des Verlags, die in Warschau mit dem stolzen Titel
       Polska The Times erscheinende Tageszeitung, kommt seit Jahren nur mehr zwei
       Mal wöchentlich heraus – mit einer durchschnittlichen Auflage von zuletzt
       2.500 verkauften Exemplaren.
       
       Die Auflagen der anderen Lokal- und Regionalblätter liegen immerhin noch um
       einiges höher. Die Spitzenposition unter allen Polska Press-Tageszeitungen
       nimmt die Gazeta Pomorska mit Sitz in Bydgoszcz ein: Die täglich verkaufte
       Auflage liegt bei rund 25.500 Exemplaren. An zweiter Stelle platziert sich
       mit knapp 20.000 verkauften Exemplaren täglich der Dziennik Zachodni in
       Schlesien und Oppeln. Schlusslicht ist neben Polska The Times der Kurier
       Lubelski in der Wojewodschaft Lublin mit täglich knapp 2.800 Exemplaren.
       
       Der laute Jubel über die wiedergewonnene „nationale Oberhoheit auf dem
       Lokal- und Regionalzeitungs-Markt“ weicht also einer gewissen Ernüchterung,
       zumal die „deutschen Medien in polnischer Sprache“ keineswegs „Sprachrohre
       der Regierung in Berlin“ waren, wie die nationalpopulistische
       [3][Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS)] den Polen immer
       weißmachen wollte.
       
       ## Orlen plant Kiosk-Imperium
       
       Es sieht allerdings so aus, als wäre das Wertvollste gar nicht die
       Zeitungen und Zeitschriften, die Druckereien oder die auf Regionalthemen
       spezialisierte Presseagentur – sondern die 500 Internet-Portale. „Dank
       dieser Transaktion bekommen wir Zugang zu 17,4 Millionen Usern der Polska
       Press-Portale“, freut sich Orlen-Chef Daniel Obajtek auf Twitter, und nennt
       diesen Datenschatz „das Schlüsselelement für den geplanten Ausbau der
       Einzelhandelskette von Orlen“.
       
       Diese Zahl ist zwar kritisch zu sehen. Wahrscheinlich gibt es Doppelt- und
       Dreifachzählungen. Andererseits: Als normaler Internetuser in Polen kommt
       man an den Polska Press-Portalen kaum vorbei. Gut möglich also, dass
       landesweit durchaus Millionen potenzielle Wähler und Wählerinnen erreicht
       werden. Damit weckt die Übernahme des Zeitungsverlags durch den staatlich
       kontrollierten Ölkonzern Orlen also nicht nur Erinnerungen an die Übernahme
       vieler einst unabhängiger russischer Medien durch den Energiekonzern
       Gazprom. Sondern sie könnte tatsächlich die seit Jahren von der PiS
       geforderte „Restrukturierung“ der unabhängigen Medien in Polen einleiten.
       Polens größte noch regierungskritische Tageszeitung Gazeta Wyborcza
       jedenfalls befürchtet, dass viele der Internet-Portale zu verkappten
       PiS-Propagandaseiten werden könnten.
       
       Zudem hat Orlen im November die landesweite Kiosk-Kette Ruch gekauft. Sie
       kommen zu den Tante-Emma-Läden in den Orlen-Tankstellen hinzu, die der
       Konzern schon besaß. Die Kioske sollen da wo möglich zu Orlen-Läden mit
       Würstchen-Verkauf und Paketpost ausgebaut werden. Und anders als bisher
       wären diese Läden nicht mehr verpflichtet, alle Tageszeitungen und
       politischen Magazine anzubieten.
       
       Sie könnten also aufhören, regierungskritische Blätter anzubieten – oder
       aber sie hinter PiS-freundlichen Medien verstecken, wie es schon in
       Orlen-Tankstellen der Fall ist. Wirtschaftlich dürfte dies – zusammen mit
       dem Reklame-Boykott staatlich kontrollierter Unternehmen – viele
       unabhängige Blätter an den Rand des Ruins treiben. Und genau das ist das
       Ziel.
       
       12 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Polnisches-Verhaeltnis-zu-Deutschland/!5404757
 (DIR) [2] /Zeitungskrise-in-Thueringen/!5730453
 (DIR) [3] /Polinnen-rebellieren-gegen-Regierung/!5720697
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polen
 (DIR) PiS
 (DIR) Pressefreiheit in Europa
 (DIR) PiS
 (DIR) Polen
 (DIR) Holocaust
 (DIR) Polen
 (DIR) Polen
 (DIR) Polen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Pressefreiheit in Polen: Erneuter Schlag gegen freie Medien
       
       Die Regierungspartei PiS knöpft sich ein großes unabhängiges Medienhaus
       vor. Der Bürgerbeauftragte Adam Bodnar verliert sein Amt.
       
 (DIR) Mediensteuer in Polen: Kontrolle nach ungarischem Vorbild
       
       Mit einer zusätzlichen Steuer auf Werbeeinnahmen will die polnische
       Regierung die Privatmedien unter Druck setzen. Die aber wehren sich.
       
 (DIR) Polen und der Holocaust: Das Recht auf Nationalstolz
       
       Die Nichte eines Dorfschulzen verklagt zwei renommierte Holocaust-Forscher.
       Sie hätten den Ruf ihres Onkels und den Polens beschädigt.
       
 (DIR) Pol*innen rebellieren gegen Regierung: Schnauze voll in Warschau
       
       Erst brachte die Verschärfung des Abtreibungsrechts durch das
       Verfassungsgericht die Pol*innen in Rage. Dann kamen neue
       Corona-Einschränkungen hinzu.
       
 (DIR) Medienlandschaft in Polen: Bedrohte Vielfalt
       
       Nie war die Medienlandschaft in Polen diverser als heute. Doch mit dem
       geplanten Journalistengesetz der PiS-Partei könnte sich das ändern.
       
 (DIR) Polnisches Verhältnis zu Deutschland: Bewusste Mythenbildung
       
       Regierungsnahe Medien hetzen gegen deutsche Zeitungseigentümer im Land. So
       soll die „Repolonisierung“ vorangetrieben werden.