# taz.de -- Anarchistische Proteste gegen Konsum: Solidarität macht erwachsen
       
       > Konsum macht Kinder zu Erwachsenen und Erwachsene zu Kindern. Er lenkt ab
       > von Missständen, gerade an Weihnachten. Einige Tipps für mehr
       > Solidarität.
       
 (IMG) Bild: Solidarität in konsumgeilen Zeiten: Wohnungsloser in Hannover löffelt Eintopf vom Kältebus
       
       Erwachsenwerden – das wird uns fast so früh eingeimpft wie die Lehre von
       den zwei Geschlechtern – ist vor allem bestimmt von Arbeit und Konsum. Das
       muss mensch nicht schlimm finden. Auch beim Geschlecht und bei der
       Sexualität geben sich die Dinge ja ganz selbstverständlich – zumindest für
       die heteronormative Mehrheit.
       
       Der Weihnachtsexzess führt den Kindern dann beides in Festform vor Augen:
       Konsum und die heilige Heterofamilie. Dafür, so die Devise, lohnt es sich,
       zu arbeiten. Tritt mensch aber einen Schritt zurück und reibt sich die
       Augen, scheint es fast fahrlässig, solche Prozesse wie Naturereignisse über
       sich und andere ergehen zu lassen.
       
       Denn, anders als das Coronavirus sind sie menschengemacht. „Kinder“,
       schreibt der Marketingexperte James U. McNeal, „lernen ihr Konsumverhalten
       von zwei Parteien: den Eltern und den Werbeleuten.“ Über die
       emotional-materiellen Tauschgeschäfte zwischen Eltern und Kindern wird
       selten gesprochen. Auch nicht über den Druck aus der Werbung, Kita und
       Schule.
       
       Und – wie die eigene Erfahrung zeigt – das Kindermarketing setzt wieder
       [1][verstärkt auf Geschlechterbinarität]. Warum sollte Firma X nur ein
       Kindershampoo (Kriterium: brennt nicht in den Augen) anbieten, wenn sich
       Geschwisterkindern auch zwei Produkte („Frozen“ oder „Little Princess“ für
       Mädchen, „Piraten“ oder „Fußball“ für Jungen) andrehen lassen?
       
       Sobald die Bürger*innen dann im Sinne von Arbeit erwachsen werden, dürfen
       sie im Sinne von Konsum wieder zu Kindern werden: Sich essen liefern
       lassen, fernsehen oder netflixen, so lange sie wollen und sich bei Bier
       oder Prosecco erzählen, wie doof „die Jungs“ oder „die Mädels“ sind.
       
       „Work hard, play hard“ bedeutet mehr als ein gutes Einkommen durch Arbeit.
       Das liberale Motto treibt Erwachsene von rechts bis links. Krisen aber
       verlangen nach Einsicht ins Menschengemachte- und mögliche. Der Rückzug ins
       Private ist keine Lösung.
       
       ## Weihnachten lahmlegen
       
       Schon im letzten Jahr luden anarchistische Aktionstage unter dem Schlagwort
       #keinmachten ein, [2][Weihnachten als den ritualisierten Höhepunkt] des
       westlichen Kapitalismus zu stören. In Bochum wurde die Zufahrt eines der
       größten Shopping-Center Europas besetzt.
       
       In Münster wurden zwei der drei heiligen Könige aus Krippen geklaut, um auf
       [3][unmenschliche Verhältnisse in Geflüchtetenlagern] und an den
       europäischen Außengrenzen aufmerksam zu machen. In Dresden und Dortmund
       fanden Treffen für Leute statt, die „keine Lust auf Xmas, Family oder
       alleine sein haben“. Auch 2020 heißt es: „Seid kreativ, widerständig und
       passt aufeinander auf!“ Unter dem Hashtag werden Aktionen auf Social Media
       zusammengeführt (1.-24.12, [4][dezentral & online]).
       
       Auf die dramatische Situation von Geflüchteten möchte auch eine Fahrraddemo
       in Berlin unter dem Motto „Geflüchtete schützen! EU-Asylpakt stoppen!“
       aufmerksam machen. Das Lager „Moria 2“ ist überfüllt und nicht winterfest.
       Im Mittelmeer werden Rettungsschiffe daran gehindert, Ertrinkende aus dem
       Wasser zu ziehen.
       
       Gleichzeitig berät am 3.12. der EU-Innenrat das EU-Asylpakt, mit dem
       Haftlager und Schnellverfahren an Europas Außengrenze ausgebaut werden
       sollen. Der Fahrradkorso soll am Bundesinnenministerium und der
       CDU-Zentrale vorbei bis zum Breitscheidplatz fahren (Samstag, 28. 11, 14
       Uhr, Alexanderplatz).
       
       Auch im Mietshaus und auf der Straße davor gibt es Möglichkeiten, denen zu
       helfen, die in der dunklen Jahreszeit und in der Pandemie leiden. Bei
       solchem Engagement jenseits von Konsum besteht allerdings die Gefahr,
       tatsächlich erwachsen zu werden. Und dem Kern der Weihnachtsgeschichte
       nahezukommen: einer Geburt unterwegs, einer Familie auf der Flucht, der
       Menschwerdung.
       
       25 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Hunglinger
       
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