# taz.de -- Feindesliste von Corona-Protestierenden: „So bisher nicht gekannt“
       
       > In einer Chatgruppe von Coronaverharmlosern taucht eine Feindesliste auf.
       > Experten warnen vor dem Antisemitismus der Bewegung.
       
 (IMG) Bild: Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, bei der Pressekonferenz in Berlin
       
       BERLIN taz | Der Ton der [1][Coronaprotestierenden] wird immer rauer. In
       einer Telegram-Gruppe der Szene tauchte nun eine Feindesliste mit gut 170
       Namen von PolitikerInnen und JournalistInnen auf, versehen mit Hinweisen
       wie „Impfpropaganda“, „BRD GmbH“ oder „Bill Gates“. Bezeichnet werden die
       Genannten als „auffällige Personen, die im Sinne der Billiardäre handeln“.
       
       Auf der Liste stehen neben Mitgliedern der Bundesregierung auch
       PolitikerInnen von CDU, SPD, Linken und Grünen. Von der AfD ist nur
       Bundeschef Jörg Meuthen aufgeführt. Persönliche Daten der Betroffenen sind
       nicht vermerkt, auch wurde die Liste zunächst nur auf einem kleineren Kanal
       verbreitet.
       
       Einige Betroffene wie die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau stellten nach
       eigener Auskunft Anzeige. Die auf der Liste ebenfalls aufgeführte Anetta
       Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, sprach von einer klaren
       Bedrohung. „Das hat was von Zielmarkierungen für Pöbeleien oder
       Schlimmeres.“
       
       ## BKA kennt Liste seit Oktober
       
       Das BKA teilte der taz mit, die Liste sei seit Ende Oktober bekannt. Die
       Länderpolizeien seien darüber informiert worden. Eine bloße Nennung auf
       solchen Listen bedeute noch nicht zwingend eine Gefahr für die Betroffenen.
       Kämen aber weiter Erkenntnisse hinzu, würden Maßnahmen ergriffen.
       
       Kahane warnte am Dienstag auf einer Pressekonferenz mit SPD-Bundesvize
       Kevin Kühnert und dem Antisemitismusbeauftragten des Bundes Felix Klein
       auch vor dem grassierenden Antisemitismus in der Protestbewegung.
       Verschwörungsideologien mit antisemitischem Kern hätten dort „unglaubliche
       Konjunktur“, der Judenhass verdichte sich auf den Protesten. Ihre Stiftung
       sei seit gut 20 Jahren aktiv, aber: „Das haben wir so bisher noch nicht
       gekannt.“ Dass Demonstrierende mit einem „Judenstern“ auftreten oder sich
       mit der von NS-Schergen getöteten Widerstandskämpferin Sophie Scholl
       verglichen, sei „perfide“ und eine „zynische Verdrehung“, kritisierte
       Kahane.
       
       Auch Klein, der ebenso auf der Feindesliste steht, benannte den Judenhass
       als verbindendes Element von bisher getrennten Milieus, von
       Esoterikbegeisterten, Friedensbewegten bis zu Rechtsextremen. „Die
       Verschwörungserzählungen von angeblich geheimen Mächten verbinden die
       gesellschaftliche Mitte mit radikalisierenden Rändern.“ Klein nannte dies
       eine Gefahr für die Grundlagen der Gesellschaft. Auch für Kühnert
       offenbarten die Proteste, wie weit der Antisemitismus verbreitet sei – eine
       Erkenntnis, die „für jüdische Menschen zum Tagesgeschäft gehört“.
       
       ## Mehr Widerspruch, mehr Präventionsprogramme
       
       Klein forderte mehr Widerspruch ein. „Wir, die demokratische Mehrheit,
       müssen lauter werden und Radikalisierung verhindern, wo immer wir sie
       wahrnehmen.“ Das antisemitische Attentat von Halle habe gezeigt, wie
       schnell aus Worten Taten werden könnten. Kahane forderte mehr Programme
       gegen Antisemitismus und Verschwörungsideologien sowie einen besseren
       Schutz jüdischer BürgerInnen. Kühnert plädierte, „massiv in Forschung und
       Prävention zu investieren“. Zentral sei dabei [2][ein
       Demokratiefördergesetz], das zivilgesellschaftliche Projekte langfristig
       absichert. Die Union lehnt dieses bisher ab.
       
       Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und andere hatten zuletzt auch
       gefordert, dass der Verfassungsschutz die Proteste genauer ins Visier
       nimmt. Der Thüringer Geheimdienstchef [3][Stephan Kramer schloss sich dem
       an]. Denkbar wäre, dass der Verfassungsschutz nicht einzelne Gruppen unter
       Beobachtung stellt, sondern das Spektrum an sich – so wie zuletzt die
       Reichsbürger.
       
       Ein Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte zuletzt,
       dass inzwischen klar sei, dass bei den Protesten „auch Extremisten,
       Reichsbürger und Ähnliches in Erscheinung treten“. Insofern sei „eine
       Beobachtung auch dieser Bewegung naheliegend und sie findet auch statt“.
       
       24 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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