# taz.de -- Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie: Schlag zwölf und kein gutes Ende
       
       > Wenn sich das Kanzleramt anfühlt wie die UNO: Ewig reden, wenig
       > beschließen, und gleichzeitig wissen, dass wir eigentlich viel mehr
       > brauchen.
       
 (IMG) Bild: „...sonst wird das kein gutes Ende nehmen“, Merkel bei einer Pressekonferenz am 14. Oktober
       
       Ich bin ein großer Freund der Routine. Beim Essen sitze ich immer am selben
       Platz, ich arbeite seit 27 Jahren für dieselbe Zeitung. Deshalb hat mich
       die [1][Absage der diesjährigen UN-Klimakonferenz] schwer getroffen. Mir
       fehlt einfach irgendwie die Routine zum Jahresende aus mieser Stimmung,
       schlechten Essen und nichts sagenden Beschlüssen.
       
       Nur am Mittwochabend war es plötzlich so wie bei der UNO. Erst warteten wir
       stundenlang auf eine Entscheidung. Dann traten die VerhandlerInnen (eine
       aus einem Industrieland, einer aus dem armen Osten, einer aus dem Globalen
       Süden) vor die Kameras. Und sagten, was man bei UN-Gipfeln so formuliert:
       The time to act is now!
       
       Allen voran natürlich [2][Markus Söder]: „Vielleicht ist es gar nicht fünf
       vor zwölf, sondern Schlag zwölf, um jetzt die Weichen richtig zu stellen.“
       Ich dachte an die Feuer, die gerade mitten in einer Rekorddürre Kalifornien
       niederbrennen. An unsere heimischen Hitzesommer mit gesperrten Wäldern und
       Parks, weil den sterbenden Bäumen die Äste abfallen. Und an das halbherzige
       Klimapaket der Bundesregierung. „Ob das reicht, ist meiner Meinung nach
       offen“, sagte Söder.
       
       ## „Das wir kein gutes Ende nehmen“. Das denke ich auch oft.
       
       Dann kam Angela Merkel: „Meine Unruhe ist mit dem heutigen Tag noch nicht
       weg“, sagte die Bundeskanzlerin. Ich dachte an die Rückkehr des
       Forschungsschiffs „Polarstern“ aus der Arktis, wo das Forscherteam „dem Eis
       beim Sterben zugesehen hat“, wie ein Experte sagte. Und an die Berichte von
       einem Nordpolsommer, der 10 Grad zu warm war. Wenn die Anstrengungen nicht
       ausreichten, dann müsse „nachgeschärft“ werden, „sonst wird das kein gutes
       Ende nehmen“, sagte Merkel.
       
       Mir fiel das [3][Gutachten ein, das Fridays for Future am Montag
       vorgestellt hatten]: Um das 1,5-Grad-Ziel zu halten, müsse Deutschland CO2
       siebenmal teurer machen, Häuser viermal schneller sanieren und Ökostrom
       viermal stärker ausbauen. Sonst nimmt das kein gutes Ende mit den 1,5 Grad.
       
       Später meldete sich Kanzleramtsminister Helge Braun: „Ein wichtiger
       Schritt, aber nicht ausreichend.“ Ich dachte an den Vorschlag auf dem
       EU-Gipfel am Donnerstag, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 oder 60 Prozent
       zu senken. Und daran, dass es für 1,5 Grad eigentlich minus 85 Prozent sein
       müssten.
       
       Schließlich ergriff Michael Müller das Wort. Der Regierende Oberberliner
       wetterte: „Was können wir eigentlich noch tun, um jedem begreiflich zu
       machen: Wir sind in einer weltweiten Krise. Und in einer weltweiten Krise
       gibt es Einschränkungen.“
       
       Ich dachte daran, dass Australien gerade die Hälfte seiner Korallen im
       Great Barrier Riff als tot meldet. Und an Einschränkungen in Form von
       verbotenen Ölheizungen, Inlandsflügen und Verbrennungsmotoren. Wohltuende
       Routine umgab mich.
       
       Dann aber sagte Müller: 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung „verhalten sich
       sehr verantwortungsbewusst“. Moment mal, dachte ich: Reden die vielleicht
       gar nicht vom Klima?
       
       16 Oct 2020
       
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