# taz.de -- „Grüner“ Wasserstoff aus dem Kongo: Energiewende auf Afrikas Kosten
       
       > Mit Strom aus den Wasserkraftwerken am Kongo-Fluss will Deutschland
       > „grünen“ Wasserstoff gewinnen. Dabei bräuchte Afrika den Strom selber.
       
 (IMG) Bild: Der Kongo-Fluss mit den beiden existierenden Inga-Staudämmen. Inga III wäre zehnmal größer
       
       Berlin/Brüssel taz | „Grüner Wasserstoff ist der Energieträger der
       Zukunft“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zum Auftakt des
       EU-Wasserstoffgipfels in Brüssel am 5. Oktober. Es ging um die
       [1][EU-Wasserstoffstrategie,] eines der ehrgeizigsten Bestandteile des
       Vorhabens, die EU zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen.
       
       Klar wurde: Europa wird dafür große Mengen „grünen“ Wasserstoff aus anderen
       Erdteilen importieren müssen. „Mit ganzer Kraft“ wolle er das mit
       internationalen Partnern vorantreiben, sagte Altmeier.
       
       Die Partner befinden sich offenbar vor allem in Afrika. Marokko hat im Juli
       mit der Bundesregierung eine Absichtserklärung über eine
       deutsch-marokkanische Wasserstoffallianz unterzeichnet.
       
       Als Nächstes gerät nun die Demokratische Republik Kongo ins Visier. Im
       August sorgte in dem bitterarmen Land eine deutsche Unternehmerdelegation
       für Aufsehen. Die potenziellen Investoren führten in Kinshasa Gespräche auf
       höchster Ebene und [2][besuchten auch die Inga-Staudämme] am Kongo-Fluss.
       
       Anschließend berichteten kongolesische Medien, die Deutschen wollten im
       Kongo unter anderem ein Werk zur Gewinnung von Wasserstoff errichten.
       Insgesamt, hieß es im Kongo, hätten die Deutschen Investitionen von bis zu
       50 Milliarden Euro zugesagt – mehr als Kongos Bruttoinlandsprodukt.
       Prestigenamen wie Siemens und die Deutsche Bank fielen, erstaunte
       Kongolesen meldeten sich bei der taz und fragten: „Ist das wahr?“
       
       ## „Günter Nooke war der Erste“
       
       Von derart gigantischen Investitionen ist seither keine Rede mehr. Aber das
       Wasserstoffprojekt am Kongo-Fluss bleibt aktuell, gepusht vom
       Afrika-Beauftragten der Bundeskanzlerin, Günter Nooke. Er reklamiert das
       als seine Idee: „Offensichtlich war Günter Nooke der Erste, der auf die
       Idee kam, den überschüssigen Strom zur Erzeugung von grünem Wasserstoff zu
       nutzen“, [3][schreibt er auf seiner eigenen Webseite].
       
       [4][Die Inga-Staudämme] stehen seit Jahrzehnten im Fokus der globalen
       Energiewirtschaft. Sie befinden sich dort, wo der Kongo-Fluss, der
       mächtigste Strom Afrikas, nach Tausenden Kilometern quer durch
       Zentralafrikas Regenwälder seine gesammelten Wassermassen mit gewaltiger
       Wucht durch die Berge schießen lässt, die das Kongobecken vom Atlantik
       trennen.
       
       Seit den 1960er Jahren wird an den Stromschnellen von Inga Wasserkraft
       gewonnen. Über eine mehrere tausend Kilometer lange Leitung fließt der
       Strom in Kongos Bergbaurevier in Katanga; ein Teil wird von dort weiter
       nach Südafrika exportiert.
       
       Bisher nutzen die beiden Inga-Dämme nur wenige Prozent der Kapazität des
       Flusses. Ein dritter Damm, Inga III, ist seit Jahrzehnten in Planung und
       soll mit rund 11 Gigawatt Kapazität die Stromgewinnung verzehnfachen. Doch
       [5][im Januar fiel das spanisch-chinesische Konsortium auseinander], das
       Inga III bauen sollte.
       
       Hier setzte das deutsche Projekt an. Im Sommer wurde in Leipzig eine
       deutsche Arbeitsgruppe zu Inga III gegründet. Mit von der Partie: Nooke und
       der deutsche Unternehmer Gernot Wagner, ehemaliger kongolesischer
       Honorarkonsul und Chef des [6][Unternehmens Evagor]. Dieses ist nach
       eigenen Angaben spezialisiert auf „Strukturierung von besonders
       wirtschaftlichen, komplexen, internationalen Investitionsvorhaben im
       Bereich Technik und Bau sowie der Finanzierung“.
       
       Wagner und seine Kollegen reisten nach Kinshasa und sprachen sogar mit
       Staatschef Félix Tshisekedi, der bei einem [7][Besuch in Berlin] vor einem
       Jahr um deutsche Investoren geworben hatte. Nach Angaben von Kongos
       Minister für internationale Zusammenarbeit, Pépin Guillaume Maniolo, soll
       die Demokratische Republik Kongo dank der deutschen Investitionen zum
       wichtigsten Wasserstofflieferanten der EU aufsteigen, mit einer
       Jahresproduktion von zwei Millionen Tonnen.
       
       Doch ist das Projekt, im Kongo „Congo Green H“ genannt, überhaupt
       realistisch?
       
       ## Der Inga-Strom ist längst verkauft
       
       Eine Produktion von Wasserstoff aus den Inga-Dämmen würde Investitionen in
       Milliardenhöhe voraussetzen, sagen Experten in Belgien, die das Thema
       längst unter die Lupe genommen haben: Man bräuchte eine Stromleitung von
       den Dämmen zum Atlantikhafen Banana, eine Elektrolysefabrik in Banana zur
       Zerlegung des Wassers in seine Bestandteile, einen Tiefseehafen für die
       gigantischen Tanker, die den tiefgefrorenen Wasserstoff nach Deutschland
       bringen sollen.
       
       Und nicht zuletzt: Der Staudamm Inga III müsste erst einmal gebaut werden –
       und zwar so, dass genügend Strom für Deutschland übrigbleibt und nicht nur
       für Afrika.
       
       Doch der Strom aus Inga III ist längst verkauft. Im Staatsvertrag zwischen
       der Demokratischen Republik Kongo und Südafrika aus dem Jahr 2013, dem
       rechtlichen Rahmen für alle Inga-Investorengespräche, verpflichtet sich
       Südafrika zur Abnahme von 2.500 Megawatt.
       
       Der Rest soll vor allem Kongo selbst zugutekommen: Die Regierung will nach
       eigenen Angaben 6.000 Megawatt von Inga III für das eigene Land nutzen, für
       den industriellen Bergbau und für die chronisch unterversorgte Hauptstadt
       Kinshasa mit ihren mindestens 12 Millionen Einwohnern, die nicht weit von
       Inga liegt. Von Angola bis Nigeria reicht die Liste weiterer Interessenten
       an Inga-Strom.
       
       All das wäre in Gefahr, wenn der Strom stattdessen in
       Wasserstoffherstellung für Deutschland fließt. Südafrikas Präsident Cyril
       Ramaphosa hat nun ein [8][„Inga Unit“] gegründet, um die südafrikanischen
       Ansprüche zu verteidigen. Ein neues Inga-III-Konsortium ist entstanden, zu
       75 Prozent chinesisch, und will jetzt doch wieder die ursprünglich
       geplanten 11.050 Megawatt bauen, die Anfang des Jahres kurzzeitig infrage
       standen.
       
       Am Ende dürfte der Bau des Staudamms von China finanziert werden, ohne
       Rücksicht auf deutsche Begehrlichkeiten. Von Kosten in Höhe von mindestens
       14 Milliarden US-Dollar ist die Rede – mehr als das Doppelte des
       kongolesischen Staatshaushalts. Zum Vergleich: Evagor hat eine Bilanzsumme
       von 13 Millionen Euro.
       
       ## Evagor sollte schon einmal ein Kraftwerk bauen
       
       Das Leipziger Unternehmen hat im Kongo nicht den besten Leumund. 2012
       schlug Evagor dem staatlichen kongolesischen Kupfer- und Kobaltförderer
       Gécamines ein Kohlekraftwerk in Luena im Bergbaurevier von Katanga vor.
       Gécamines gab bei der deutschen Firma für 15 Millionen Dollar eine
       Machbarkeitsstudie in Auftrag.
       
       Sie wurde nie geliefert. Stattdessen, so Gécamines, machte Evagor aus dem
       ursprünglichen 540-Megawatt-Kraftwerk für 660 Millionen US-Dollar ein nur
       noch halb so großes Kraftwerk, das nun aber 2,7 Milliarden kosten sollte.
       Nun sucht Gécamines neue Partner.
       
       Anfragen der taz an Evagor zum Wasserstoffprojekt blieben unbeantwortet.
       Die deutsche Bundesregierung äußert sich zurückhaltend.
       
       Das Wasserstoffprojekt sei „interessant“, aber „herausfordernd“, erklärt
       das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage der taz: „Sollten deutsche
       Unternehmen ein tragfähiges wirtschaftliches Konzept für das Projekt
       vorlegen und einen entsprechenden Antrag stellen, wird die Bundesregierung
       im gewohnten Verfahren prüfen, inwieweit das Projekt mit Instrumenten der
       Außenwirtschaftsförderung und ggf. anderen Förderinstrumenten unterstützt
       werden kann.“
       
       Noch lapidarer antwortete das Bundesentwicklungsministerium, dem Günter
       Nooke zugeordnet ist, auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Eva-Maria
       Schreiber. Da heißt es: „Die Bundesregierung verfolgt die Aktivitäten der
       deutschen Wirtschaft mit Interesse.“
       
       12 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://ec.europa.eu/germany/news/20200708-wasserstoffstrategie_de
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=bYKTYqPEIRQ
 (DIR) [3] https://nooke.de/2020/07/14/gruener-wasserstoff-aus-der-demokratischen-republik-kongo/
 (DIR) [4] /!313483/
 (DIR) [5] /Inga-Staudamm-in-Kongo/!5656570/
 (DIR) [6] https://www.evagor.de/
 (DIR) [7] /Kongos-Praesident-in-Berlin/!5638529/
 (DIR) [8] http://www.congoenergie.org/alaune_reading.php?injobyte1505=171%3F2020-08-09_InjoByte_0c9ebb2ded806d7ffda75cd0b95eb70c413703307
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
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