# taz.de -- Ermittlungen zum „NSU 2.0“: Datenabfrage zu Böhmermann
       
       > Daten des Satirikers sind von einem Polizeicomputer abgefragt worden. Ob
       > das in Zusammenhang mit einer Drohmail des „NSU 2.0“ steht, ist unklar.
       
 (IMG) Bild: Daten von Jan Böhmermann wurden von einem Berliner Polizeicomputer abgerufen
       
       Berlin/Wiesbaden dpa | Bei der Berliner Polizei ist erneut ein
       Verdachtsfall einer problematischen Datenabfrage bekannt geworden – diesmal
       geht es um den prominenten Satiriker Jan Böhmermann. Dessen Namen teilte
       die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) im Zusammenhang mit
       rechtsextremen Drohschreiben und Datenabfragen von Polizeicomputern mit.
       
       Welche Daten von Böhmermann konkret abgefragt wurden und wann das der Fall
       war, sei am Donnerstag im Innenausschuss des hessischen Landtags nicht
       erwähnt worden, sagte ein Sprecher des Justizministeriums am Freitag.
       
       Die [1][Frankfurter Rundschau] berichtete am Freitag der Berliner Polizist
       habe die Daten am 25. Juli von einem Polizeirechner in Berlin abgerufen. Am
       1. August sei eine Drohmail von [2][„NSU 2.0“] an mehrere Adressaten
       verschickt worden. An Böhmermann ging die Mail nicht, allerdings werde in
       dem Schreiben „Böhmermanns Adresse verwendet“.
       
       Zunächst hieß es vom Justizministerium, der Berliner Polizist habe sich
       erinnern, aber nicht darlegen können, in welchem Zusammenhang seine Abfrage
       erfolgt sei, so der Sprecher. Die Berliner Polizei verwies auf die
       Staatsanwaltschaft Frankfurt, die ermittelt. Es müsse nun aufgeklärt
       werden, was geschehen sein, hieß es.
       
       Laut einer Stellungnahme der Polizei vom Freitag habe die Abfrage der
       Meldeanschrift im Juli 2019, nicht im Juli 2020 stattgefunden. Die
       Überprüfung habe „nach jetzigem Kenntnisstand (…) aus einem dienstlichen
       Kontext heraus“ stattgefunden. Anders als vom Justizministerium dargelegt,
       hätte der Berliner Polizist plausibel erklären erklären können, warum er
       die Abfrage tätigte und werde nicht als Tatverdächtiger geführt.
       
       ## Berliner Grüne: Von Einzelfällen reden ist „bewusst naiv“
       
       Kürzlich war bekannt geworden, dass zwei Berliner Polizisten Daten einer
       [3][Kabarettistin] abgefragt haben, die später ebenfalls „NSU
       2.0“-Drohschreiben erhielt. Das soll am 5. März 2019 geschehen sein, am
       selben Tag gab es demnach eine ähnliche Abfrage auch in einer Polizeiwache
       in Wiesbaden.
       
       Die Berliner Grünen forderten: „Der Senat muss öffentlich erklären, wer aus
       welchem Grund diese Daten abgefragt hat und ob es Zusammenhänge zwischen
       diesen und anderen unter [4][Rechtsextremismusverdacht] stehenden
       Polizisten gibt.“ Weiterhin von Einzelfällen zu reden, sei „bewusst naiv“.
       
       Es gehe um bundesweit agierende Netzwerke, die auch behördenübergreifend
       ermittelt werden müssten. „Gerade weil die große Mehrheit der Polizisten
       jeden Tag wichtige Arbeit für den demokratischen Rechtsstaat leistet,
       müssen mögliche rechtsextreme Netzwerke konsequent aufgeklärt und verfolgt
       werden.“
       
       ## 25 Verfahren gegen 50 Verdächtige
       
       Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Polizeipräsidentin Barbara Slowik
       hatten im August ein Elf-Punkte-Konzept gegen rechtsextremistische
       Einstellungen bei einzelnen Polizisten vorgestellt. Dabei ging es unter
       anderem um einen Extremismusbeauftragten, ein System für anonyme Hinweise,
       Überprüfungen bei Einstellungen und eine regelmäßige wissenschaftliche
       Studie zu Einstellungen und Werten der Polizisten. Laut Senat gab es aus
       den vergangenen vier Jahren 33 Disziplinarverfahren wegen extremistischer
       Vorfälle.
       
       [5][Mehrere Politikerinnen] und eine [6][Frankfurter Rechtsanwältin], die
       im Prozess um die Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU)
       Opferfamilien vertreten hatte, erhielten unter anderem Drohschreiben. Bei
       einigen waren zuvor persönliche Daten von Polizeicomputern in Frankfurt und
       Wiesbaden abgerufen worden.
       
       Bei den Ermittlungen zu rechtsextremen Chats von Polizisten und Drohmails
       gibt es nach Angaben von Hessens Justiz mittlerweile 25 Verfahren gegen 50
       Verdächtige. Von 105 Drohschreiben werden 88 dem Komplex „NSU 2.0“
       zugerechnet.
       
       Wie [7][taz-Recherchen] ergeben haben, wird in dem „NSU 2.0“-Fall seit
       Längerem gegen einen konkreten Verdächtigen ermittelt. Der Frankfurter
       Polizist Johannes S. soll im August 2018 die private Daten der Anwältin im
       Dienstrechner abgerufen und Drohfaxe an sie verschickt haben.
       
       18 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.fr.de/politik/boehmermann-daten-nsu-drohbriefe-abgerufen-polizeiskandal-90046524.html
 (DIR) [2] /taz-Recherche-zu-Drohmails/!5709468
 (DIR) [3] /Rechtsextreme-Drohmailserie/!5700801
 (DIR) [4] /Rechtsextremismus-bei-der-Polizei/!5710034
 (DIR) [5] /NSU-20-Drohschreiben/!5698848
 (DIR) [6] /Drohung-gegen-Anwaeltin-Baay-Yldz/!5626256
 (DIR) [7] /taz-Recherche-zu-Drohschreiben/!5712421
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polizei Berlin
 (DIR) NSU 2.0
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
 (DIR) Jan Böhmermann
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) NSU 2.0
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rechtsextreme Polizisten-Chatgruppen: Außer Kontrolle
       
       Wenn wir ernst nehmen, was uns beigebracht wurde, dann betreffen die Nazis
       in der Polizei uns alle. Das muss die Lehre nach NRW sein.
       
 (DIR) NSU-Terror in Deutschland: 20 Jahre Versagen
       
       Täter fühlen sich so sicher, dass sie als „NSU 2.0“ wieder Todesdrohungen
       verschicken. Gerade deshalb ist radikale Aufklärung so wichtig.
       
 (DIR) taz-Recherche zu Drohmails: Wer steckt hinter „NSU 2.0“?
       
       Seit Jahren bekommen Menschen, die sich gegen rechts stellen, Morddrohungen
       vom „NSU 2.0“. Wer verschickt sie? Die Spur führt vor die Haustür eines
       Polizisten.