# taz.de -- Denkmal für die Wehrmacht in Lüneburg: Verbrechen konkret benannt
       
       > Das umstrittene Lüneburger Wehrmachtsdenkmal bleibt, bekommt aber mehr
       > Erklärungstext. Die geehrten Soldaten waren am Holocaust beteiligt.
       
 (IMG) Bild: Der Gedenkstein für die Wehrmacht unkenntlich gemacht und beschmiert, statt verhüllt
       
       Lüneburg taz | Er bleibt eine Zumutung – aber immerhin eine gut
       kommentierte. Einen erweiterten Erklärungstext soll der [1][Lüneburger
       Gedenkstein zu Ehren der 110. Wehrmachts-Infanteriedivision] bekommen. Auf
       diesen Vergleich haben sich nach zweijährigem Rechtsstreit drei
       Holocaust-Überlebende und die Stadt Lüneburg am gestrigen Mittwoch
       geeinigt.
       
       Ursprünglich hatten die Überlebenden die Verhüllung des Steins gefordert.
       Aus gutem Grund: „Es sage keiner, dass unsere Gefallenen tot sind“ – dieser
       der Antike entlehnte Satz steht da in Lettern, die stark an die NS-nahe
       Gotenburg- beziehungsweise Tannenburgschrift erinnern. Darüber prangt ein
       Wikingerschiff, Emblem speziell der 110. Infanteriedivision und bis heute
       in rechten Kreisen beliebt.
       
       Kriegsveteranen hatten die Setzung des Steins 1960 initiiert, die Stadt
       Lüneburg ihn getreulich gepflegt. Erst 2014 stellte sie – auch auf
       Betreiben der Vereinigung der Verfolgten des NS-Regimes – eine Erklärtafel
       dazu. Aber das geschah halbherzig, setzte der Text das Leid der
       „Gefallenen“ dem ihrer Opfer doch quasi gleich.
       
       Und davon gab es viele, war die 1941 für den Überfall auf die Sowjetunion
       rekrutierte Division doch auch an Kriegsverbrechen beteiligt. Allein im
       weißrussischen Osaritschi haben die Soldaten 1944 rund 50.000 Zivilisten in
       Todeslager deportiert. 9.000 von ihnen starben.
       
       ## „Ein wichtiges Zeichen“
       
       Öffentliche Empörung erregte das Ehrenmal aber erst 2015, als besagte
       Holocaust-Überlebende nach Lüneburg reisten, um in dem Prozess gegen den
       früheren KZ-Wachmann Oskar Gröning auszusagen. Der Anblick des Gedenksteins
       versetzte ihnen einen Schock. Bis die Stadt eine neue Tafel erstellte,
       dauerte es weitere drei Jahre. Aber nun stand da: „Erinnerungskultur ist
       zeit- und kontextgebunden. 1960 versprach die Stadt, das Denkmal
       als,Ehrenmal' zu bewahren und zu pflegen. Heute ist es umstritten und ein
       Stein des Anstoßes – schmerzhaft in seiner Aussage, verletzend für die
       Nachfahren der Opfer.“
       
       Aber auch hier war eher allgemein von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
       die Rede – weshalb die Schoah-Überlebenden nun offiziell klagten: zunächst
       auf Verhüllung des Steins, bis eine Lösung gefunden sei. Als die Stadt das
       ablehnte, forderte man zumindest die Veränderung der Tafel.
       
       Das ist nun erreicht: Der Text wird durch einen Halbsatz ergänzt, aus dem
       hervorgeht, dass die 110. Infanterie-Division auch am Völkermord an den
       Juden, der Schoah, während der Zeit von 1941 bis 1944 in der Sowjetunion
       beteiligt war. „Seit der [2][Wehrmachtsausstellung] ist die Beteiligung
       dieser Soldaten an Kriegsverbrechen eigentlich bekannt“, sagt Joachim
       Gottschalk, Ehemann und Anwalt einer der KlägerInnen. „Aber dieser Text
       macht es nochmals konkret. Das ist ein wichtiges Zeichen – nicht nur für
       Lüneburg, sondern für alle Schoah-Opfer und ihre Nachfahren.“ Er sei mit
       dem Vergleich sehr zufrieden.
       
       16 Sep 2020
       
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 (DIR) Petra Schellen
       
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