# taz.de -- Erschöpfung der Großen Koaltion: Vernunftehe mit Ende in Sicht
       
       > Für die Große Koalition heißt es jetzt durchhalten. Noch ein Jahr bis zu
       > den Bundestagswahlen, dann können Union und SPD wieder getrennte Wege
       > gehen.
       
 (IMG) Bild: Abschluss des Koalitionsgipfels Ende August
       
       An diesem Wochenende endet die sitzungsfreie Zeit des Bundestags. Die
       Abgeordneten kehren aus ihrer Sommerpause zurück. In den zurückliegenden
       Tagen waren sie schon auf den Klausuren ihrer jeweiligen Fraktionen
       aufgetaucht und hatten fleißig Papiere beschlossen. CDU und CSU haben „Lust
       auf Zukunft“, die SPD erklärt die Autobranche zur „Leitindustrie“ – es
       fühlt sich fast an wie Normalbetrieb bei der Großen Koalition. Doch das ist
       es nicht. Tatsächlich läuft es so gut wie nicht mehr bei Schwarz-Rot.
       
       Nach zweieinhalb gemeinsamen Jahren sind Union und SozialdemokratInnen
       durch die Coronakrise an den Punkt der Erschöpfung gelangt. Das Ganze
       ähnelt mittlerweile einer Vernunftehe: Man ist einander überdrüssig, bleibt
       aber noch beisammen, um den Landeskindern unnötigen Kummer zu ersparen.
       Dabei wäre es gerade während der globalen Coronapandemie wichtig, eine
       einfallsreiche und gut eingespielte Regierung zu haben. Stattdessen
       herrscht Überdruss.
       
       Mit dem Start des Sitzungsbetriebs in der kommenden Woche beginnt nun
       endlich das Trennungsjahr der Großen Koalition. Noch zwölf Monate bis zur
       Bundestagswahl, die es einigermaßen gesittet durchzustehen gilt. Man
       erträgt einander, hält schon mal diskret nach was Neuem Ausschau und haut
       derweil noch ein bisschen was vom gemeinsamen Geld raus, um Wählerstimmen
       zu generieren:
       
       [1][Kurzarbeitergeld bis Ende 2021], [2][Laptops für LehrerInnen],
       zusätzlich bezahlte Krankentage und Kinderkrankengeld für Familien – das
       sind die Ergebnisse des Koalitionsgipfels in der vorletzten Woche. Nach
       neun Stunden zäher Verhandlungen standen Annegret Kramp-Karrenbauer, Markus
       Söder sowie Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans auf den Stufen im
       Kanzleramt und verkündeten ihre Ergebnisse. Die Sozialleistungen hätten
       beinahe das Nichtergebnis beim Riesenthema Wahlrecht überstrahlt.
       
       Sieben Jahre hatte die Große Koalition Zeit gehabt, um zu verhindern, dass
       das Parlament noch größer und noch teurer wird. Aber auch diesmal hat es –
       leider, leider – nicht geklappt. Stattdessen Arbeitskreis und
       Wiedervorlage. Das Thema Wahlrecht wird den VertreterInnen dieser
       Bundesregierung noch mächtig auf die Füße fallen. PolitikerInnen, die
       kostenintensiv für ihr eigenes berufliches Fortkommen sorgen und von den
       WählerInnen Genügsamkeit einfordern, schaden der Demokratie.
       
       Seit Vizekanzler Olaf [3][Scholz von seiner Partei zum Spitzenkandidaten]
       gekürt wurde, fällt zusätzlich das Stimmungsbarometer bei der Union. Bei
       der CDU wird man sich entscheiden müssen, wer von den drei kandidierenden
       Männern die Partei künftig führt, ohne dass man als Streithansel-Partei
       dasteht. Und bald danach wird sich [4][CSU-Chef Söder] erklären müssen, ob
       er nicht doch ins Kanzleramt will. Schlau ist, wer sich jetzt nicht allzu
       egoman geriert.
       
       In den Familienbetrieben und in der Kreativwirtschaft, in den
       Pflegeeinrichtungen und den künstlerischen Spielstätten schlägt die
       Coronakrise bereits erkennbar zu – die Zeiten für ausufernde
       Selbstdarstellung sind aktuell nicht die besten. Am 25. Juni 2021 soll
       planmäßig die letzte Sitzung des 19. Deutschen Bundestags stattfinden. Die
       Zeit bis dahin wird politisch und gesellschaftlich herausfordernd.
       
       Nach den personell hochbrisanten Parteitagen Ende 2020 müssen bis zum
       Sommer vier von sechs anstehenden Landtagswahlen bestritten werden. Die
       Bundesrepublik steht außen- und sicherheitspolitisch vor schwierigen
       Entscheidungen. Und trotz – oder gerade wegen – der Coronakrise muss der
       ökologische Umbau weitergehen. Es sind unsichere Zeiten, in die das Land
       geht.
       
       Dass es derweil geführt wird von einer Großen Koalition, deren
       VertreterInnen sowohl kooperieren als auch an ihrem parteipolitischen
       Profil schrauben müssen, macht die Lage des Landes nicht einfacher. Aber
       vielleicht läuft es ja doch wie in einer Vernunftehe: Wenn das Ende in
       Sicht ist, muss man einander nicht mehr bekämpfen.
       
       5 Sep 2020
       
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