# taz.de -- Proteste und Folter in Belarus: Sie lassen sich nicht unterkriegen
       
       > Tausende Menschen gedenken eines getöteten Demonstranten in Minsk. Viele
       > Berichte über Folterungen drängen an die Öffentlichkeit.
       
 (IMG) Bild: Tausende Menschen erinnern in Minsk mit einer Schweigeminute an den getöteten Demonstranten
       
       Kiew taz | Mehrere tausend Menschen haben sich am Samstag auf dem
       Puschkin-Platz im Zentrum der belarusischen Haupstadt Minsk versammelt. Sie
       gedachten des am 10. August dort getöteten Demonstranten Alexander
       Tarajkowskij. Nach Angaben des Innenministeriums soll dem Demonstranten ein
       Sprengsatz in der Hand vorzeitig explodiert sein. Tarajkowskijs Angehörige
       und Freunde glauben das nicht.
       
       Viele Bewohner von Minsk fanden sich mit weißen und roten Nelken auf dem
       Puschkin-Platz ein, andere hielten schwarze Luftballons. In friedlicher und
       entspannter Stimmung trugen Demonstranten Plakate wie „Stoppt den Terror
       des Innenministeriums“, „Streik!“ und „Wir verzeihen nicht“. Fast alle
       vorbeifahrenden Autos brachten mit langem Hupen ihre Solidarität zum
       Ausdruck. An der Stelle, an der Tarajkowskij getötet worden ist, erinnert
       ein Meer von Blumen an den Verstorbenen. Menschen knieten nieder, oft mit
       einer Kerze in der Hand, viele hatten Tränen in den Augen.
       
       [1][Im Gegensatz zu den ersten Protesttagen] hielt sich die Polizei wie
       auch schon am Freitag weitgehend zurück. In vielen Städten Belarus' waren
       [2][Hunderttausende auf die Straße gegangen], um den Rücktritt von
       Präsident Lukaschenko zu fordern. Besonders stark vertreten waren Arbeiter
       von Werken, auf die Lukaschenko besonders stolz ist. So hatten sich am
       frühen Freitagabend tausende Arbeiter des Minsker Traktorenwerkes in einer
       Kolonne auf den Weg zum Regierungsgebäude gemacht. Zuvor hatte das
       Streikkomitee des Werkes den Rücktritt des Machthabers gefordert.
       
       Auch bei den Protesten in anderen Städten spielen Arbeiter eine zentrale
       Rolle. Offensichtlich aus Besorgnis, den Rückhalt unter den Beschäftigten
       zu verlieren, hat Präsident Lukaschenko für Montag seinen Besuch im Minsker
       Radschlepperwerk MZKT angekündigt, einer LKW-Produktionsstätte mit mehr als
       5.000 Beschäftigen.
       
       ## Einen Gummiknüppel in den Mund geschoben
       
       Indes dringen neue Berichte [3][über Folter von aus der Haft Entlassenen an
       die Öffentlichkeit]. So berichten belarusische Medien von dem 16-jährigen
       Timur M., der am 12. August seinen Freund besuchen wollte. Er war
       willkürlich von Beamten festgenommen und in einen Polizeitransporter
       gezwängt worden, in dem bereits andere Festgenommene waren.
       
       Die Gefangenen hätten aufeinandergelegen, zitiert die
       Menschenrechtsorganisation „Charta 97“ Timurs Schwester Ekaterina. „Jetzt
       bringen wir euch in einen Wald und erschießen euch“, hätten die Polizisten
       die Festgenommenen eingeschüchtert. Einem anderen Mann habe man einen
       Gummiknüppel in den Anus geschoben und ihn getreten. Timur habe man einen
       Gummiknüppel in den Mund geschoben.
       
       Alle Gefangenen seien geschlagen und gezwungen worden, die belarusische
       Nationalhymne zu singen, sagt Ekaterina. Derzeit werde ihr Bruder stationär
       behandelt. Sein Oberkiefer sei gebrochen, zudem sei ein Schädel-Hirn-Trauma
       diagnostiziert worden. Die Ärzte hätten ihn in ein künstliches Koma
       versetzt.
       
       ## Außenminister der EU wollen neue Sanktionen gegen Belarus
       
       Einstimmig haben sich unterdessen die Außenminister der EU [4][zu neuen
       Sanktionen gegen Belarus entschlossen]. Im belarusischen Außenministerium
       nahm man diese Nachricht mit Fassung auf. Die EU sei auch in Zukunft eine
       wichtige Priorität der belarusischen Außenpolitik, zitiert die
       Nachrichtenagentur Belapan den Pressesprecher des Außenministeriums
       Anatolij Glas.
       
       Am 9. August hatte Belarus gewählt. Nach Angaben der staatlichen
       Wahlkommission hatte Präsident Alexander Lukaschenko 80,1 % erhalten,
       Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowska hingegen nur 10,1 %. Die
       Opposition geht davon aus, dass Tichanowska zwischen 60 und 70 Prozent
       erringen konnte. Seit Bekanntgabe des Wahlergebnisses finden im ganzen Land
       täglich Protestveranstaltungen statt.
       
       15 Aug 2020
       
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