# taz.de -- Scheindebatte über Fußballer-Gehälter: Völlig verdient
       
       > Im Zuge einer angeblichen coronabedingten Läuterung fordern
       > Fußballfunktionäre Gehaltsobergrenzen für Profis. Dabei würde das nur
       > wenig ändern.
       
 (IMG) Bild: Symbol für bösen Fußballkapitalismus: Ausnahmekönner Neymar kostet und verdient extrem viel
       
       Wenn die besten acht Vereine des europäischen Männerfußballs am Ende einer
       Saison zusammenkommen, ist das am Ende meist eine recht geschlossene
       Veranstaltung gewesen. Ein Klassentreffen der immer gleichen Topklubs, das
       mit den wachsenden Einnahmen der letzten Jahre für die Besten zunehmend
       exquisiter und exklusiver ausfiel. Insofern bewegte sich bereits die
       Auftaktpartie des Finalturniers der Champions League, das coronabedingt
       derzeit in Lissabon ausgetragen wird, außerhalb der Norm. Atalanta Bergamo
       traf am Mittwochabend auf den Scheichklub Paris St. Germain, dessen
       brasilianischer Ausnahmekönner Neymar im Jahr allein mehr verdient als der
       gesamte Kader des italienischen Emporkömmlings. Und dennoch überstand der
       französische Meister erst in letzter Minute das Viertelfinale.
       
       Derlei eklatante Missverhältnisse erregten in der Vergangenheit vornehmlich
       Fan-Gemüter. Der Transfer Neymars von Barcelona nach Paris für 222
       Millionen Euro im Jahre 2017 gilt vielen als Mahnmal für die Verderbtheit
       des kapitalistisch entfesselten Fußballs. Zum Symbol dafür ist hierzulande
       das mit Blattgold überzogene Steak geworden, das der ehemalige
       FC-Bayern-Profi Franck Ribery einst in Dubai vor dem Verzehr für die
       sozialen Medien ablichten ließ.
       
       Der Hang zum Exzesshaften kommt den Fußball nun in Zeiten der Coronakrise
       und Überlebenskämpfe besonders teuer zu stehen. Über Regulierungen und
       Begrenzungen spricht man nicht nur in Fan-Organisationen. Erstaunlich ist,
       dass das Instrument der Lohnbeschränkung, der „Salary Cap“, unter den
       Fußballfunktionären in diesem Sommer zu einem der ganz heißen Themen
       aufgestiegen ist. Fifa-Chef Gianni Infantino etwa, der ebenfalls schon
       Blattgold in Dubai verspeiste, rief Anfang Juni zu einer offenen Diskussion
       über Beschränkungen von Spieler- und Beratergehältern sowie Ablösesummen
       auf.
       
       Bereits im März, zu Beginn der Coronapandemie in Europa, hatte Martin Kind,
       Unternehmer und Chef bei Hannover 96, der seit Jahren gegen Limitierungen
       für Investoren im Fußball kämpft, bekannt, er [1][fände Gehaltlimits für
       Fußballprofis gut]. Schnell witterte er die günstige Gelegenheit, moralisch
       wohlfeil mehr Profit für den Verein herauszuschlagen.
       
       ## Schwindende gesellschaftliche Akzeptanz
       
       Und Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, gab
       im April gegenüber der FAZ zu bedenken, der Fußball habe auch wegen der
       Entwicklung der Gehälter und Transfersummen gesellschaftliche Akzeptanz
       verloren. Er sagte: „Es muss möglich sein, Gehälter von Spielern zu
       deckeln.“
       
       Tatkräftig gab SPD-Politiker Thomas Oppermann, der zugleich Vorsitzender
       der DFB-Ethikkommission ist, zwei Rechtsgutachten bei den
       Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages zur Möglichkeit von
       Gehaltsobergrenzen und der Deckelung von Ablösesummen in Auftrag. Auch
       Oppermann hatte zuvor gemahnt, der Fußball müsse seine verloren gegangene
       Vorbildfunktion, „Schritt für Schritt zurückgewinnen“.
       
       Allerdings sind Zweifel angebracht, ob die moralische Schlagseite der
       Debatte dem Instrument des Salary Caps überhaupt gerecht wird. Denn dort,
       wo sich bislang der Salary Cap etabliert hat, im US-amerikanischen
       Sportsystem, werden ebenfalls irrsinnige Gehälter bezahlt. Unter den zehn
       bestbezahlten Profisportlern der Welt werden von dem Wirtschaftsmagazin
       Forbes drei Fußballer aus europäischen Ligen, aber fünf US-Footballer und
       Basketballer aufgeführt. In den US-Ligen garantieren die Obergrenzen
       dessen, was ein Verein für Spielergehälter ausgeben darf, vor allem einen
       ausgeglicheneren Wettbewerb.
       
       Ein prima Pfund, um die Kommerzialisierung des Sports noch weiter
       auszuschöpfen. Ein Grund womöglich, weshalb auch der ehemalige
       Uefa-Präsident Michel Platini oder FC-Bayern-Vorsitzender Karl-Heinz
       Rummenigge sich schon vor einigen Jahren für die Einführung des Salary Caps
       aussprachen.
       
       ## Salary Cap in England
       
       In England wiederum hat man vor einer Woche [2][einen Salary Cap für die
       dritte und vierte Fußballliga] beschlossen, damit unvernünftiges
       Wirtschaften kleinerer Klubs angesichts des Wegfalls der
       Haupteinnahmequelle (Ticketverkauf) nicht noch belohnt wird.
       Kommerzialisierungsexzesse sind eher nicht das Problem dieser Ligen.
       
       Interessant ist auch, dass der mit dem Red-Bull-Konzern verbandelte Verein
       RB Leipzig bis 2016 eine vereinsinterne Gehaltsobergrenze hatte, wie sie
       nun der klamme FC Schalke 04 einführt. Leipzig plagte damals nicht die
       Angst vor zu viel Kapitalismus, sondern die, dass die Einheit des Teams
       durch zu ungleiche Bezahlung leiden könnte. Salary Caps sind nützlich, um
       das Auseinanderdriften von Binnensystemen zu verhindern – wie viel Geld
       jeweils im System bewegt wird, ist dabei einerlei.
       
       Natürlich stellt sich die grundsätzliche Frage, was im so gut gemeinten
       Kampf gegen das Geld scheffelnde Fußballgeschäft gewonnen wäre, wenn die
       Einnahmen einfach nur von den Protagonisten des Spiels in Richtung der
       Vereine und Verbände umverteilt würden. Zumal sich die europäischen
       Fußballer ein Beispiel an den gewerkschaftlich gut organisierten
       Sportprofis in den USA nehmen könnten, die sich schon durch manchen
       [3][lange währenden Streik] eine adäquate Beteiligung an den Gewinnen
       erkämpft haben.
       
       Gespräche über die Möglichkeit der Einführung eines Salary Caps zur
       Zügelung des außer Kontrolle geratenen Fußballgeschäfts gleichen der
       Einnahme von Beruhigungsdragees bei Bauchschmerzen. Gegen die
       Bauchschmerzen selbst können sie nichts ausrichten. Die heftige Erregung
       über den 222-Millionen-Euro-Transfer von Neymar vor drei Jahren versuchte
       bereits Aleksander Čeferin, der Präsident der Europäischen Fußball-Union
       (Uefa), auch mit dem Stichwort „Salary Cap“ zu besänftigen. Er kündigte
       damals an: „Wir machen bald einen erneuten Vorstoß.“ Man werde zeitnah bei
       der EU vorstellig werden, um die Einführung von Gehaltsgrenzen prüfen zu
       lassen. Passiert ist seither freilich nichts.
       
       ## Mit EU-Recht vereinbar
       
       Die Europäische Union und deren Postulat des freien Wettbewerbs galten laut
       Uefa bislang als unüberwindbares Hindernis für einen Salary Cap im
       europäischen Fußball. Interessanterweise veröffentlichten Anfang August die
       von DFB-Ethiker Oppermann beauftragten Wissenschaftlichen Dienste des
       Deutschen Bundestags ihr Rechtsgutachten, nach dem eine Gehaltsobergrenze
       durchaus mit EU-Recht vereinbar wäre. Voraussetzung dafür sei die
       Einführung des Salary Caps durch die Uefa, die sich als Sportverband auf
       die Wahrung der Chancengleichheit berufen könne.
       
       [4][Das Gutachten kommt zu dem Schluss,] der Salary Cap hätte am ehesten
       durch die Einführung einer europäischen Super League einen Effekt, weil auf
       den bisherigen Wettbewerbsebenen die Unterschiede zwischen den Klubs zu
       groß seien. Sprich: Der Salary Cap dient vornehmlich der Bildung eines
       geschlossenen Elitensystems. Der Spitzenfußball würde sich demnach noch
       weiter von der Basis abkoppeln, statt, wie Oppermann es sich wünscht,
       wieder eine größere Bindekraft zu erzeugen.
       
       Dass die Uefa die Einführung des Salary Caps bei ihrem Premiumprodukt, der
       Champions League, scheut, hat aber weniger mit EU-Recht als mit den
       Interessen der Spitzenklubs zu tun. Diese haben keinen Grund, ihre
       Poleposition mit irgendwelchen Einschränkungen zu versehen, und sie haben
       der Uefa im Rahmen eigener Super-League-Träume sowieso schon signalisiert,
       sich gegebenenfalls auch selbst organisieren zu können.
       
       Die Schlussfolgerung von Uefa-Chef Čeferin, den exorbitanten Vergütungen
       und Ausgaben von Vereinen wie Paris Saint-Germain müsse man unter anderem
       auch mit der Einführung von Gehaltsobergrenzen begegnen, ist aus einem
       anderen Grund populistisch und scheinheilig. Das
       Financial-Fair-Play-Reglement sieht bereits eine solche Möglichkeit vor.
       Nach Artikel 29 können bei einem Verstoß gegen das Gebot, dass Ausgaben in
       einer bestimmten Relation zu den Einnahmen stehen müssen, auch die Ausgaben
       der Vereine für Gehälter begrenzt werden.
       
       Nur agierte die Uefa bei Verstößen gegen die Financial-Fair-Play-Regeln
       gerade gegenüber Klubs wie Paris Saint-Germain oder Manchester City jüngst
       auffällig zahnlos. Auch das Salär von Neymar hätte sich zumindest zeitweise
       begrenzen lassen. Im Frühjahr 2019 entschied der Internationale
       Sportgerichtshof CAS übrigens, die Uefa müsse eine laufende
       Financial-Fair-Play-Untersuchung gegen Paris Saint-Germain wegen eines
       Formfehlers einstellen.
       
       14 Aug 2020
       
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