# taz.de -- Coronavirus Teststrategie: Teststress wird zum Stresstest
       
       > „Testen, testen, testen“ war lange die Devise im Kampf gegen das
       > Coronavirus. Mittlerweile ist klar: Die Kapazitäten der Labore geben das
       > nicht her.
       
 (IMG) Bild: Auf dem Weg zur Coronavirus-Teststation am Berliner Hauptbahnhof
       
       Wenn die Bundeskanzlerin am Donnerstag mit den Ministerpräsident*innen im
       Videochat über das weitere Vorgehen in Sachen Corona berät, wird das Thema
       Teststrategie ganz oben auf der Agenda stehen. Bereits am Montag musste
       Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalaycı (SPD) auf wochenlangen Druck der
       Berliner Labore hin Engpässe einräumen. So werden Pflichttests für
       Reiserückkehrer*innen künftig abgeschafft, aber das Thema Reihentests für
       bestimmte Bevölkerungsgruppen bleibt sozusagen virulent.
       
       Die Testkapazitäten in Berlin liegen derzeit laut Gesundheitsverwaltung bei
       über 56.000 Tests pro Woche, sie wurden bereits massiv ausgebaut. Mitte
       März waren wöchentlich noch rund 20.000 Tests möglich. Insgesamt wurden
       vorletzte Woche 52.226 Tests durchgeführt – eine Auslastung von 93 Prozent.
       
       Das IMD Labor Berlin ist eines von landesweit acht Laboren, die Coronatests
       durchführen. Rund 5.000 sind es hier pro Woche. Auch IMD hat seine
       Kapazität seit März mehr als verdoppelt, mit Nachtschichten und
       Spätschichten, einer Ausweitung des Samstagsdiensts und zwei zusätzlichen
       Labormitarbeitern, wie der ärztliche Leiter Thomas Rasenack erzählt. „Was
       die MTAs (Medizinisch-technische Assistent*innen, Anm. d. Red.) derzeit
       leisten, ist Wahnsinn“, sagt er.
       
       Jede weitere Ausweitung des Testaufkommens überlaste die Berliner Labore,
       sagt Rasenack. Er lehnt Massentests vor dem Hintergrund der aktuellen
       Möglichkeiten generell ab. „Wir brauchen die Kapazitäten für Patienten“ –
       also für die Krankenhäuser und für Menschen mit Symptomen. „Dieses
       Massentesten macht keinen Sinn, das ist ein absolut fragliches Vorgehen der
       Politik.“ Auch aus Sicht des landeseigenen Krankenhauskonzerns Vivantes,
       Mitbetreiber des „Labor Berlin“, ist die „Fortführung der Testungen auf dem
       derzeit sehr hohen Niveau nicht möglich“. Labor Berlin führt mit Abstand
       die meisten Coronatests durch.
       
       ## Mangel an Geräten und Material
       
       Aber lassen sich die Kapazitäten nicht einfach hochfahren? Nein, heißt es
       aus den Laboren: Es mangele an Analysegeräten ebenso wie an
       Verbrauchsmaterialien. „Anfangs waren es die Abstrichtupfer, jetzt sind es
       die Pipettenspitzen“, sagt Laborleiter Rasenack. Wenige Hersteller
       produzierten für die ganze Welt, die Systeme seien nicht austauschbar, weil
       nur Originalmaterialien für die zertifizierten Tests verwendet werden
       könnten.
       
       „Wir wussten am Montag manchmal nicht, ob wir Mittwoch noch arbeiten
       können“, sagt Rasenack. Bisher habe sein Labor Glück gehabt – und einen
       treuen Lieferanten aus Südkorea. Vor allem die großen Hersteller hätten sie
       im Stich gelassen und spät, weniger oder gar nicht geliefert.
       
       Um sparsamer mit den knappen Laborkapazitäten umzugehen, wird auch über
       „Pooling“ diskutiert – das gemeinsame Testen mehrerer Proben, die dann nur
       bei einem Positivtest nochmals einzeln getestet würden. Sein Labor habe
       sich aber gegen die Einführung dieser Methode entschieden, so Rasenack, sie
       sei noch zu unsicher und aufwändig.
       
       Die Engpässe in den Laboren seien mit Ansage gekommen, sagt der
       Laborleiter. Schon Anfang April habe es ein Treffen der Berliner Labore mit
       der Gesundheitssenatorin gegeben, bei dem man verdeutlicht habe, dass die
       Kapazitäten nur bedingt erweitert werden könnten. In einem Brandbrief
       wandten sich die Labore in der vergangenen Woche an Senatorin Kalaycı und
       den Regierenden Bürgermeister. Charité-Virologe Christian Drosten und
       Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach unterstützten den Appell am Wochenende
       öffentlich.
       
       ## Keine Tests mehr für Reiserückkehrer*innen
       
       Am Montag räumte Kalaycı schließlich Engpässe ein, woraufhin die
       Gesundheitsminister der Länder noch am Montagnachmittag die Testpflicht für
       Reiserückkehrer*innen aus Risikogebieten zugunsten einer Quarantänepflicht
       mit anschließender Testmöglichkeit kippten. Symptomfreie Rückkehrer*innen
       aus Nichtrisikogebieten sollen sich gar nicht mehr kostenlos testen lassen
       können. In Kraft treten soll die Neuregelung aber erst zum Ende der
       Sommerreisezeit in allen Bundesländern. Das genaue Datum wird laut
       Gesundheitsverwaltung noch diskutiert.
       
       Ausgestanden ist das Problem mit den Testkapazitäten möglicherweise auch
       dann noch nicht. Bei der Videoschalte mit der Bundeskanzlerin soll – wie
       von Krankenhäusern und Sozialverbänden gefordert – über regelmäßige Tests
       von Krankenhauspersonal und Pflegekräften diskutiert werden. In Berlin
       können sich symptomfreie Lehrer*innen und Kita-Erzieher*innen bereits
       kostenlos testen lassen.
       
       Laut der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) kommt es dabei
       derzeit zu enormen Engpässen. Testtermine seien zum Teil erst für einen
       Zeitpunkt drei Wochen nach Anmeldung vergeben worden, sagt der
       GEW-Vorsitzende Tom Erdmann. Die Zusage des Senats sei angesichts dessen
       „Augenwischerei“ und erzeuge Frust bei den Lehrkräften.
       
       ## Warten auf neue Testverfahren
       
       In der Herbst-Winter-Saison werde sich das Testaufkommen in den Laboren
       wohl noch einmal erhöhen, sagt Laborleiter Thomas Rasenack. Da
       Grippesymptome denen von Covid-19 ähneln, dürfte es auch da mehr Testbedarf
       geben. „Interessant wird, ob die Maskenpflicht auch zu einem Abflachen der
       Grippewelle führt“, sagt er.
       
       Für Rasenack sind Massentests erst mit neuen Testverfahren machbar. Seiner
       Einschätzung nach könnten in den kommenden Monaten zunehmend Antigen-Tests
       die aufwändigen PCR-Tests ablösen. Die neuen Tests müssten sich aber erst
       etablieren.
       
       27 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manuela Heim
 (DIR) Claudius Prößer
       
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