# taz.de -- Protest für Medienfreiheit in Ungarn: Tausende gegen Orbáns Zugriff
       
       > Der Chefredakteur des Internet-Portals index.hu ist von den Gefolgsleuten
       > des Premiers geschasst worden. Jetzt haben sich nicht nur seine
       > Mitarbeiter mit ihm solidarisiert.
       
 (IMG) Bild: „Es reicht uns!“ war einer der Slogans, die am Freitag auf der Demo in Budapest skandiert wurden
       
       Budapest dpa/ap | Tausende Menschen haben am Freitagabend in Budapest gegen
       die Einschränkung der Medienfreiheit in Ungarn protestiert. Die Teilnehmer
       zogen vom Gebäude der Redaktion des Internet-Portals index.hu vor den
       Amtssitz von Ministerpräsident Viktor Orbán auf der Budaer Burg. Sie riefen
       „Demokratie!“ und „Es reicht uns!“. Zu dem Protest aufgerufen hatte die
       oppositionelle liberale Partei Momentum.
       
       Am Mittwoch hatten die Eigentümer des Portals – Geschäftsleute aus dem
       Umfeld Orbáns – die Entlassung des Chefredakteurs Szabolcs Dull
       durchgesetzt. Zuvor war es zu einem Vertrauensverlust zwischen Mitarbeitern
       und der Verwaltung der Nachrichtenwebsite gekommen. Dieser war damit
       verbunden, dass index.hu sein „Unabhängigkeitsbarometer“ von „unabhängig“
       zu „in Gefahr“ änderte. Die Verwaltung von index.hu fand, dass dies
       negative Auswirkungen auf die Werbeeinnahmen hatte. Die Forderung der
       Belegschaft nach Wiedereinstellung Dulls lehnte das Management ab.
       
       Am Freitag reichten daraufhin die gesamte Führung des Portals sowie wie
       fast alle Mitarbeiter ihre Kündigung ein. Sie begründeten ihren Schritt
       damit, dass die professionelle Unabhängigkeit und die Zukunft der Webseite
       durch die Entlassung von Szabolcs Dull gefährdet seien. Wie es mit der
       beliebtesten Nachrichten-Webseite des Landes weitergeht ist nun ungewiss.
       
       index.hu befand sich schon seit Jahren mehr oder weniger indirekt im Besitz
       von Geschäftsleuten, die von Orbán abhängen. Eine zwischen Eigentümer und
       Redaktion geschaltete Stiftung garantierte bisher die Unabhängigkeit und
       Autonomie der Redaktion. Zugleich hing die Konstruktion an einem seidenen
       Faden, weil die Eigentümer letztendlich das letzte Wort haben.
       
       Zuletzt waren von ihnen Vorstöße gekommen, inhaltliche Bereiche des Portals
       organisatorisch auszugliedern – offensichtlich von der Absicht geleitet,
       ihm die politische Schärfe zu nehmen. Dull und die Redaktion widersetzten
       sich diesen Bestrebungen beharrlich. Ministerpräsident Orbán wiederum hatte
       das Portal als „Fake-News-Fabrik“ bezeichnet.
       
       Außer index.hu gibt es kaum mehr reichweitenstarke Medien in Ungarn, die
       nicht von Orbán und seinen Gefolgsleuten kontrolliert werden. Die drohende
       Ausschaltung des Portals begann nur wenige Tage, nachdem Orbán auf dem
       EU-Sondergipfel über Haushalte und Corona-Hilfen hatte erreichen können,
       dass die Auszahlung von EU-Geldern an Mitgliedsstaaten [1][nur mehr noch in
       verwässerter Form an Kriterien der Rechtsstaatlichkeit gebunden wird].
       
       Die EU-Vize-Kommissionspräsidentin und Kommissarin für Werte und
       Transparenz, Vera Jourova, bekundete erst vor kurzem ihre Unterstützung für
       das Internet-Portal drückte und den Beschäftigten ihre Solidarität aus. Sie
       verfolge die Lage bei index.hu mit Sorge, erklärte sie.
       
       Seit Orbán 2010 wieder an die Macht kam, [2][hat die Pressefreiheit in
       Ungarn deutlich nachgelassen]. Die Regierung kontrolliert Hunderte
       Medienorganisationen über eine Stiftung. Dazu finanziert sie sie mit
       Steuergeldern, unabhängig von der Anzahl der Zuschauer oder Leser.
       
       25 Jul 2020
       
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