# taz.de -- Festnahme von Oppositionellen in China: Noch ein Kritiker weniger
       
       > Der Pekinger Juraprofessor Xu Zhangrun galt als einer der schärfsten
       > Kritiker der chinesischen Führung. Nun wurde er festgenommen.
       
 (IMG) Bild: Sicherheitsbeamter in Peking
       
       Peking taz | Laut Freunden war Professor Xu Zhangrun auf seine Festnahme
       „mental vorbereitet“. An seine Wohnungstür soll er einen Rucksack mit
       Kleidung und Zahnbürste gehangen haben, um für eine Festnahme bereit zu
       sein. Am Montagmorgen stürmten Polizisten seine Wohnung im Pekinger
       Speckgürtel, konfiszierten seinen Computer und nahmen Xu fest.
       
       Der 57-Jährige hatte Jura an der Pekinger Tsinghua-Universität
       unterrichtet, Chinas renommiertester Bildungsstätte. International erhielt
       er erstmals 2018 breite Aufmerksamkeit, als er offen die strikte
       Re-Ideologisierung unter Präsident Xi Jinping kritisierte, der er nun
       selbst zum Opfer fiel. „Das ganze Volk, auch die gesamte bürokratische
       Elite, ist in Orientierungslosigkeit verloren, wie es mit dem Land
       weitergeht“, erklärte er damals.
       
       Noch vor wenigen Jahren gab es in Peking einige „Vorzeigedissidenten“, die,
       von der Regierung geduldet, für Interviews ausländischer Korrespondenten
       bereit standen. Dabei wussten sie natürlich, wo ihre roten Linien
       verlaufen, die sie nicht überschreiten durften.
       
       „Seit Jahren ist allgemein anerkannt, dass selbst die begrenzten geistigen
       Freiheiten, die unter ehemaligen Führern der Kommunistischen Partei
       toleriert wurden, einer erhöhten Bedrohung ausgesetzt sind“, heißt es im
       Sinologie-Journal China Heritage aus Neuseeland, das viele von Xus Werken
       übersetzte. In seinem Fall ginge es um mehr als nur akademische Freiheit:
       „Vielmehr spiegelt es die durch Xi Jinping herbeigeführte Krise wieder,
       Ideen frei zu denken und zu debattieren ohne Beeinflussung der Partei.“
       
       ## Lehren aus der Sowjetunion
       
       Im Dezember 2012 erklärte Xi als damals neuer KP-Chef in einer
       vielbeachteten Rede, China dürfe trotz seines Wirtschaftswachstums nicht
       die Lehren aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion vergessen. Diese sei auch
       daran zugrunde gegangen, dass sie ihre Leitideologie verloren habe und sich
       nicht mehr gegen die Unterwanderung „feindlicher Kräfte“ aus dem Westen
       schützen konnte.
       
       Bald teilte das Zentralkomitee das „Dokument Nr. 9“ aus, das Chinas Kader
       gegen die destabilisierende Gefahr „westlicher Werte“ wappnen sollte,
       darunter der Zivilgesellschaft und des historischen Nihilismus. Kritik an
       der Vergangenheit der Partei, sagte Xi, „beschwört ideologisches Chaos
       herauf“.
       
       Xus Festnahme reiht sich jetzt ein in den strengeren Kurs gegen Opposition
       von innen und außen, den Peking seit der [1][Coronakrise] fährt: Mindestens
       eine handvoll Bürgerjournalisten wurden wegen ihrer Berichte aus Wuhan
       verhaftet. Xu war 2019 von seiner Universität des Amtes enthoben worden.
       Später wurde er vorübergehend unter Hausarrest gestellt, zeitweise vom
       Internet abgeschnitten.
       
       Das Fass zum Überlaufen brachte Xu womöglich mit einem im Februar
       veröffentlichter Essay, der die Regierung für ihre Intransparenz während
       der Frühphase des Virusausbruchs anprangerte: „Die Corona-Epidemie hat den
       verdorbenen Kern der chinesischen Regierungsführung offengelegt“, schrieb
       er: „Als die Pandemie zuschlug, hat sie gezeigt, dass China eine
       bemitleidenswerte Zivilisation und ein spiritueller Zwerg geblieben ist.“
       
       Laut seiner Frau begründete die Polizei Xus Festnahme damit, dass er sich
       bei einer Reise in die Stadt Chengdu der Prostitution strafbar gemacht
       habe. Dieser Vorwurf wird gern gegen Dissidenten erhoben, um sie moralisch
       zu diskreditieren.
       
       6 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) China
 (DIR) Meinungsfreiheit
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) Hongkong
 (DIR) Reinhard Bütikofer
 (DIR) Hongkong
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Langjähriges KP-Mitglied verlässt China: Insiderin gegen „Mafiaboss“ Xi
       
       Die Professorin Cai Xia ist aus der KP Chinas ausgeschlossen worden. Sie
       hatte offen Partei- und Staatschef Xi Jinping angeprangert.
       
 (DIR) Opposition in China: Professor wieder auf freiem Fuß
       
       Xu Zhangrun hatte als einer der wenigen Akademiker die Regierung Chinas
       mehrfach kritisiert. Dafür wurde er festgenommen. Nun durfte er nach Hause.
       
 (DIR) Chinas Macht in Hongkong: First they take Hongkong
       
       Dass China Hongkongs Autonomie so leicht beenden konnte, ist auch
       Deutschlands Schuld. Merkel sollte den Handel mit Peking an Bedingungen
       knüpfen.
       
 (DIR) Chinas Gesetz für Ex-Kronkolonie: Zensur in Hongkongs Bibliotheken
       
       Einige Bücher von Demokratie-Aktivisten sind in Hongkong nicht mehr
       ausleihbar. Autor Joshua Wong macht das neue Sicherheitsgesetz
       verantwortlich.
       
 (DIR) Pekings „Sicherheitsgesetz“ in Hongkong: Demokratiebewegung im Straucheln
       
       Während der Aktivist Nathan Law Hongkong verlässt, fordert Joshua Wong
       Unterstützung von der Bundesregierung. Ein Hardliner wird Behördenchef.