# taz.de -- Wegen Corona abgeriegelter Wohnkomplex: Leichte Lockerungen in Göttingen
       
       > BewohnerInnen des wegen Corona abgeriegelten Wohnkomplexes, die zweimal
       > negativ getestet wurden, dürfen das Gebäude wieder verlassen.
       
 (IMG) Bild: Hilferuf in der Groner Landstraße: Das Wohnhaus war unter Quarantäne gestellt
       
       Göttingen taz | Die Stadt Göttingen hat die [1][Beschränkungen für die
       BewohnerInnen des Wohnkomplexes], in dem sich bis zu 200 Menschen mit
       Corona infiziert haben, etwas gelockert: Wer zweimal negativ getestet
       wurde, darf seit Montagabend das Gebäude unter Auflagen und maximal in
       Dreiergruppen verlassen. Wer einkaufen oder eine Runde mit dem Hund drehen
       will, muss eine Maske tragen und sich an den nach wie vor abgesperrten und
       bewachten Zugängen zu dem Gelände ab- und wieder anmelden.
       
       Am Montagabend und Dienstagmorgen waren zunächst allerdings nur wenige
       BewohnerInnen der Anlage unterwegs. In dem Komplex leben insgesamt rund 700
       Menschen, darunter etwa 200 Kinder und Jugendliche, teilweise in äußerst
       beengten Verhältnissen. Nach dem Corona-Ausbruch mit zunächst etwa 100
       Infizierten hatte die Stadt den gesamten Wohnblock abriegeln und unter
       Quarantäne stellen lassen.
       
       Die Menschen werden von der Stadtverwaltung und Hilfswerken mit
       Lebensmitteln und anderen Gütern versorgt. Am Sonnabend war es an einem der
       Eingänge zu [2][heftigen Auseinandersetzungen] gekommen. Bis zu 100
       Personen hatten versucht, die Absperrungen zu überwinden. Sie wurden von
       der Polizei unter massivem Einsatz von Pfefferspray zurückgedrängt.
       
       Vom Hof und aus Fenstern flogen Gegenstände auf die BeamtInnen, acht von
       ihnen seien dabei verletzt worden, sagte eine Polizeisprecherin. Ein Mann
       wurde vorläufig festgenommen. Die Polizei ermittele wegen schweren
       Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung,
       sagte Göttingens Polizeichef Uwe Lührig.
       
       ## Einen Göttinger Lockdown soll es nicht geben
       
       Gleichzeitig hatten am Sonnabend bis zu 250 Menschen in der Nähe der
       Wohnblocks gegen Wohnungsnot und für eine dezentrale Unterbringung der
       betroffenen Familien demonstriert. Diese Forderung wird inzwischen auch in
       einer [3][Online-Petition an die Göttinger Stadtverwaltung erhoben]. Die
       bis Dienstagmorgen weit mehr als 400 UnterzeichnerInnen erklären darin,
       dass insbesondere das Wohl der Kinder gefährdet sei, wenn 700 Menschen auf
       engstem Raum eingesperrt würden. Aber auch für die Erwachsenen sei die
       Situation unerträglich.
       
       „Es geht hier und anderswo so konkret wie prinzipiell um den Umgang des
       Staates mit Menschen, die ohnehin Ausgrenzung erfahren, um das Wohl
       Hunderter Kinder, um Humanität“, sagt die Göttinger Fluchtforscherin Miriam
       Schader, die die Petition initiiert hat. Eine weitere Demonstration unter
       dem Motto „Solidarität mit den Hausbewohnern“ war für Montagnachmittag
       angekündigt.
       
       Durch den massenhaften Corona-Ausbruch sind die Infektionszahlen im
       Landkreis Göttingen stark gestiegen, am Montagabend lagen sie bei 247
       Infizierten. Der Alarmwert von 50 angesteckten Personen pro 100.000
       Einwohner innerhalb einer Woche ist damit erreicht, die Zahl liegt aktuell
       bei 50,34. Anfang Mai hatte die Bundeskanzlerin mit den Länderchefs
       vereinbart, dass bei Erreichen der Quote in einem Landkreis konsequente
       Maßnahmen zur Beschränkung der Corona-Pandemie zu ergreifen sind.
       
       Einen Lockdown für das Göttinger Kreisgebiet wird es aber nicht geben,
       erklärten Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler und Landrat
       Bernhard Reuter (beide SPD). „Der aktuelle Corona-Ausbruch ist auf den
       Wohnkomplex am Rand der Innenstadt beschränkt und unter Kontrolle“, so
       Köhler. „Alle notwendigen Maßnahmen sind ergriffen.“
       
       Am Sonntag hatte es in dem Wohnkomplex einen Todesfall gegeben. Der 42
       Jahre alte Mann war nach Angaben der Stadt nicht an Covid-19 erkrankt. Auch
       stehe der Todesfall nicht im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen am
       Sonnabend.
       
       Die Gruppe Basisdemokratische Linke hatte zuvor eine andere Version
       verbreitet. Danach habe die Lebensgefährtin des Opfers am Absperrzaun
       eindringlich um Hilfe gerufen, weil der Mann unter schwerer Atemnot leide.
       Rettungskräfte seien allerdings erst etwa eine Stunde später eingetroffen –
       nach dem Tod des 42-Jährigen. Offensichtlich sei es für die Lebensgefährtin
       in der „Abschottungssituation“ unmöglich gewesen, Zugang zu dringend
       benötigter medizinischer Hilfe zu erlangen.
       
       23 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Abgeriegeltes-Mietshaus-in-Goettingen/!5690909
 (DIR) [2] /Ausschreitungen-wegen-Corona-Quarantaene/!5690924
 (DIR) [3] https://www.change.org/p/sozialdezernentin-petra-broistedt-corona-in-g%C3%B6ttingen-wohnsituation-entzerren-kindeswohl-sch%C3%BCtzen?utm_source=share_petition&utm_medium=custom_url&recruited_by_id=08d18f0f-d4fe-4fa8-87ec-07df1b2907dd
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
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