# taz.de -- Sprache im fossilen Zeitalter: Der Mensch denkt, was er lenkt
       
       > Laut WZB bewegen wir uns seit der Coronakrise mehr zu Fuß fort. Zumindest
       > sprachlich aber dominieren noch immer die Interessen der Ölindustrie.
       
 (IMG) Bild: Immer mehr Menschen gehen durch die Stadt
       
       Endlich mal eine gute Nachricht: In der Coronakrise haben wir das Gehen als
       Verkehrsmittel wiederentdeckt, schreibt das Wissenschaftszentrum Berlin
       (WZB). [1][„Zu Fuß holt auf“], heißt es, jeden dritten Weg machten wir per
       pedes. Not lehrt gehen. Aber sprachlich haben wir wieder mal verloren. Denn
       das WZB schreibt, der Zuwachs beim Laufen (und beim Autofahren, das
       ebenfalls gewinnt) sei beim „Hochfahren der Aktivitäten“ geschehen. Beim
       Hochfahren also. Nicht beim Hochlaufen.
       
       Es gibt fossile Energien, fossile Lagerstätten, fossile Technik und
       [2][eine fossile Lobby]. Es gibt aber auch fossile Sprache. Sie hat in den
       letzten Jahrzehnten unser Denken zugeparkt.
       
       Der Verbrennungsmotor treibt nämlich nicht nur die Blechkisten auf den
       Straßen an, sondern auch unser Denken. Also machen wir Dampf im Job, um
       möglichst viel Kohle zu scheffeln. Wir leben auf der Überholspur, wir
       ziehen an all den lahmen Enten vorbei, wir blinken rechts und fahren links.
       Erst wenn wir alles gegen die Wand fahren, machen wir vielleicht eine
       Vollbremsung. Wir geben sogar auf dem Fahrrad Gas und drücken beim Wandern
       auf die Tube. Selbst Ruhe, Selbstvertrauen und Liebe kann man inzwischen
       tanken.
       
       Wenn es dann richtig gut für uns läuft (!), dann heben wir ab. Wir werden
       zu Überfliegern, die auf jeden Fall eine harte Landung verhindern wollen.
       Wir schreien „Volldampf voraus!“ und schieben eine große Bugwelle vor uns
       her, wir kriegen gerade noch die Kurve, oder wir enden als Totalschaden.
       Danach muss der Konjunkturmotor wieder anspringen, und damit die Maschine
       richtig brummt, müssen wir sie mühsam wieder ankurbeln. Die harte Arbeit
       ist immer noch fossilfrei.
       
       ## Trippeln, schleichen, schwimmen
       
       Denn wenn es uns richtig schlecht geht (!), muss Muskelkraft ran. Wir haben
       uns in eine Sackgasse manövriert – da müssen wir jetzt wohl zurückrudern.
       Wenn wir auf der falschen Welle surfen, kommen wir nur in Trippelschritten
       voran oder treten sogar ganz auf der Stelle. Wir schleichen uns an
       unangenehmen Themen vorbei, die uns sonst vielleicht aus der Bahn werfen.
       Auch wenn vor dem Büro Fahrradparkplätze zur Verfügung stehen: Rad fahren
       im Büro heißt immer noch nach oben buckeln, nach unten treten. Und wenn wir
       nicht wissen, was zu tun ist – dann schwimmen wir.
       
       Hundert Jahre fossile Mobilität haben sich eine Autobahn durch die
       Steilkurven unserer Hirnwindungen asphaltiert. Da sind wir von Elektroautos
       erst mal nicht elektrisiert. Busse oder Buße, wo ist da der Unterschied.
       Beim Nahverkehr denken wir lieber an Sex als an nachhaltige
       Stadtentwicklung.
       
       Es heißt ja, der Mensch ist, was er isst. Wahrscheinlich ist es auch so:
       Der Mensch denkt, was er lenkt. Kleiner Trost: Immerhin gibt es noch keinen
       Fortroll. Es bleibt beim guten alten Fortschritt.
       
       23 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/zu-fuss-holt-auf
 (DIR) [2] /Einfluss-von-Firmen-auf-EU-Klimapolitik/!5666698/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) fossile Energien
 (DIR) Wir retten die Welt
 (DIR) Sprache
 (DIR) Ölindustrie
 (DIR) Wir retten die Welt
 (DIR) Exxon
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Subventionen für die Automobilindustrie: Umweltprämie ohne Umwelt
       
       Mit Milliardenhilfen für neue Autos will die Politik die Wirtschaft wieder
       ankurbeln. Das war schon vor zehn Jahren eine Öko-Katastrophe.
       
 (DIR) Prozess gegen Ölkonzern: Exxon wusste alles
       
       Der Ölkonzern Exxon weiß seit Jahrzehnten, dass sein Geschäft das Klima
       zerstört. Jetzt wird er deshalb in New York verklagt.
       
 (DIR) Studie zu Profit und Klima: Dreht den Ölhahn zu!
       
       Um ausreichend CO2 zu reduzieren, sollten die Ölkonzerne ihre Produktion um
       ein Drittel drosseln. Ihre Investitionen müssten steigen.