# taz.de -- Die Partyszene macht sich bemerkbar: Die wollen bloß etwas Spaß haben
       
       > Plötzlich sind in der öffentlichen Wahrnehmung aus niedlichen Ravern
       > asoziale, unverantwortliche Elemente geworden. Und das nicht nur in
       > Stuttgart.
       
 (IMG) Bild: Ein Schaufenster der Bedürfnisse
       
       Sie torkeln schon mal morgens um halb sieben durch die Straßen, pinkeln an
       Hauseingänge und werfen ihre halb aufgegessenen Döner auf den Gehweg. Das
       gefällt nicht jedem an den Berliner Partypeople, aber im Großen und Ganzen
       hat man sich doch an sie gewöhnt. Sind ja eigentlich ganz umgängliche junge
       Menschen, die bloß etwas Spaß haben wollen. Ich jedenfalls vermisse sie in
       diesen spaßlosen Coronazeiten schon, gehören sie doch einfach zum Berliner
       Stadtbild.
       
       Doch plötzlich sind in der öffentlichen Wahrnehmung aus eher niedlichen
       Ravern, für die es das Größte ist, einmal in ihrem Leben ins Berghain
       gelassen zu werden, asoziale, unverantwortliche, gar gewaltbereite Elemente
       geworden. Spinner, die sich auf Schlauchbooten direkt vor einem Krankenhaus
       vergnügen, als ob sie nie etwas von einem unschönen Virus gehört hätten.
       Freaks, die in der Hasenheide illegale Partys feiern, wogegen die Polizei
       einschreiten muss. Und jetzt sollen in Stuttgart auch noch diese „Leute aus
       der Partyszene“ [1][für Randale in der Innenstadt] verantwortlich gewesen
       sein.
       
       Die aggressiven Typen, es waren ja hauptsächlich Typen, die ich auf den
       Bildern aus Stuttgart gesehen habe, sahen allerdings nicht so aus wie die
       friedlichen Clubber, die ich so aus der Wilden Renate oder dem About Blank
       kenne. Bei diesen Gestalten wären auch die Awareness-Teams der Berliner
       Clubs überfordert gewesen.
       
       Keine Ahnung, vielleicht feiern wir hier einfach anders als in Stuttgart.
       
       Die Stimmungsmache gegen eine „Partyszene“ – als ob es sie als homogene
       Gruppe wirklich gäbe – erinnert mich an längst vergangen geglaubte Zeiten
       in den Neunzigern. Damals wurde in England der berüchtigte Criminal
       Justice Act beschlossen, der es der Polizei erlaubte, sofort
       einzuschreiten, wenn irgendwo draußen jemand zu „repetitiven Beats“ tanzte.
       
       ## Geht nicht nur um das Vergnügen
       
       Klingt grotesk, war es auch. Dabei ging es vor allem darum, gegen den
       Gebrauch von Drogen vorzugehen; die ersten Ecstasytoten waren damals ein
       großes Thema. In Stuttgart soll der Ärger auch erst losgegangen sein, als
       eine Person von der Polizei wegen Drogenverdachts kontrolliert wurde.
       
       Das Bild, das gerade von den Partyleuten gezeichnet wird, ob in Stuttgart
       oder bei uns, kann der Berliner Clubcommission nicht gefallen. Die will mit
       Unterstützung der Grünen, der Linken und der SPD Clubs den [2][Status von
       Kulturstätten] zuerkennen. Außer dem Berghain, das sich dieses Privileg
       bereits vor Gericht erkämpft hat, gelten diese derzeit noch als
       Vergnügungsstätten. Sind also auf einer Stufe mit Bordellen und
       Spielhallen, wollen aber einen Stellenwert wie Theater und Opernhäuser.
       
       Die Clubcommission fordert dieses Upgrading schon lange. Jetzt, während
       Corona, sei es freilich wichtiger denn je, schütze es doch besser vor
       Verdrängung.
       
       Doch nun ist die Clubcommission erst einmal damit beschäftigt, zu erklären,
       dass grölend durch die Straßen zu ziehen und Coronapartys zu veranstalten
       nicht das ist, was sie unter Kultur versteht, nicht einmal unter
       Clubkultur.
       
       Zweifler von der kulturellen Wertigkeit des Feierns zu überzeugen, das
       dürfte derzeit schwer werden. Die Clubs, in denen sich beweisen ließe, dass
       zum Bumbum von DJ Karotte zu raven genauso geistvoll ist, wie Beethovens
       Fünfter in der Philharmonie zu lauschen, sind gerade geschlossen. Da
       bleiben gerade nur weiterhin die Innenstädte, Parks und Schlauchboote, wo
       die Partyleute nun aus Solidarität mit dem Anliegen der Berliner Clubs
       demonstrieren könnten, dass zu Techno zu tanzen einem quasi hochkulturellen
       Akt gleichen könnte.
       
       Aber ich denke, man müsste es dieses Mal schon sehr viel besser anstellen
       als bisher.
       
       5 Jul 2020
       
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