# taz.de -- Der Hausbesuch: Was den Hof bewegt
       
       > Antonia Ley und Simon Arbach sind Teil eines Hofprojekts in
       > Neu-Eichenberg in Hessen, das eine solidarische Landwirtschaft betreibt.
       
 (IMG) Bild: Machen „ihr Ding“: Antonia Ley und Simon Arbach
       
       Antonia Ley und Simon Arbach leben und arbeiten zusammen mit anderen auf
       einem Bauernhof in Neu-Eichenberg. Sie leben von dem, was sie anbauen, und
       kämpfen für freie Ackerflächen.
       
       Draußen: Wuchtige Bauernhäuser drängen sich dicht an dicht die
       Durchfahrtsstraße entlang. Protestbanner hängen an manchen Gartenzäunen. Es
       ist ein Dorf, in dem die Familien seit Hunderten von Jahren zusammenleben,
       sagt Antonia Ley. Ganz anders als sie und die anderen, die in der
       Wohngemeinschaft wohnen.
       
       Drinnen: Die Tür ist offen. Kreuz und quer liegen kleine und große Schuhe
       im Flur. Die Bewohner: acht Erwachsene, drei Kinder und eine Katze.
       Außerdem auf dem Hof: 40 Gemüsekulturen, alleine 300 Zucchini- und 900
       Kürbispflanzen. Eine Treppe führt in den Hof. Von allen Seiten Scheunen und
       Gebäude mit Fachwerk. Auf der umschlossene Fläche, wie eine Insel: ein
       Kinderspielplatz.
       
       Die Bürgerinitiative: An einem Tisch, von dem eingetrocknete Malerfarbe
       bröckelt, sitzen Antonia Ley und Simon Arbach und arbeiten. Sie machen
       nicht wie sonst Gartenarbeit, sondern sind gerade für die Bürgerinitiative
       zugange. Ihre Zuständigkeit: Öffentlichkeitsarbeit. Und ein
       Alternativkonzept ausarbeiten. AktivistInnen halten seit etwa einem Jahr
       einen Acker besetzt, es ist Fläche, die „der Landwirtschaft entnommen
       werden soll“, so sagt es Arbach mit verschränkten Armen: „Das ist eines der
       Themen, die diesen Hof bewegen.“
       
       Das Hofprojekt: Arbach und Ley sind seit wenigen Jahren Teil des
       Hofprojekts, das eine [1][solidarische Landwirtschaft] betreibt. Was das
       bedeutet, erklärt Ley routiniert: Die Ernte wird solidarisch unter den
       KundInnen, die eine Gemüsekiste abonniert haben, aufgeteilt. Sie bekommen
       also mal mehr, mal weniger, der Landwirt immer das Gleiche, auch wenn die
       Ernte mal schlecht ausfällt. Das heißt für den Betrieb vor allem: weniger
       Druck als für die Höfe, die Ley aus ihrer Kindheit kennt. Das Gemüse wächst
       auf zwei Hektar Acker und in Folientunneln: „Kein Landwirt gibt mehr Land
       her.“ Arbach wippelt mit dem Stuhl nach hinten. Dabei gäbe es da 80 Hektar
       feinsten Acker. Der aber soll bebaut werden.
       
       Der Acker: Ein „Sonderbetrieb Logistik“ soll darauf entstehen. Genauer
       gesagt: fünf Hallen. 15 Meter hoch. Die Hauptstraße müsste verlegt werden.
       Das wären 2.000 Lkw-Fahrten mehr, haben sie ausgerechnet. Der Standort in
       Hessen, der sogenannten logistischen Mitte Europas, soll der Gemeinde rund
       200.000 Euro im Jahr bringen. Arbach zuckt mit den Schultern. Was er
       kritisiert: Die Wirtschaftlichkeitsanalyse sei nicht offen diskutiert
       worden.
       
       Widerstand: Der Protest hat schon angefangen, als Arbach 15 Jahre alt war
       und in einem ganz anderen Teil Deutschlands lebte. Seit zwei Jahren sei der
       Widerstand wieder größer und härter geworden. Nachts wurden die Banner
       durchgeschlitzt. Pro-Banner hängen mittlerweile neben Anti-Bannern an der
       Straße. Immerhin: „Wir haben darauf hingewirkt, dass sie sich damit
       auseinandersetzen.“ Die Leute im Dorf meint er. „Es hat eine Diskussion
       gefehlt, bei der alle Stimmen gehört wurden“, sagt Antonia Ley, die alle
       nur „Toni“ nennen.
       
       Antonia Ley: 27, kurze, blonde Haare, die Arme im Wollpulli vergraben. Sie
       beschreibt sich als eine, die früher am liebsten in ihrem Zimmer saß und
       las. Aufgewachsen ist sie auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein. Der
       Kuhstall sei ihr zweites Zuhause gewesen. Schon nach dem Abitur hatte sie
       das Gefühl: Nichts ist so sinnvoll wie Landwirtschaft. Sie studierte
       Agrarwissenschaften in Witzenhausen, zweifelte, stieß auf die solidarische
       Landwirtschaft und landete auf dem Hof, eigentlich nur, um zu ernten. Die
       Wohngemeinschaft habe sie erfolgreich umworben: „Auch wenn das Dorf ein
       krasser Ort ist.“
       
       Von Dorf zu Dorf: Alle Dörfer haben Ähnlichkeiten, sagt Ley, meint ihre
       Heimat und das jetzige Dorf ihrer Wahl: Man kann sich gut integrieren, wenn
       man in die Freiwillige Feuerwehr geht. Bei den Scheunen-Feten tummeln sich
       die Leute, die dort aufgewachsen sind. Es ist leichter, sich aus den
       dörflichen Verstrickungen herauszuhalten, wenn man zugezogen ist. Sie
       schenkt dampfenden Kräutertee in die Tasse.
       
       Anders: Niemand von ihnen sei hier aufgewachsen, sagt Simon Arbach. Die
       DorfbewohnerInnen kämen immer wieder auf den Hof und fragen: „Wo ist der
       Chef?“ Den gibt es hier aber nicht, sagt Arbach: „Wir sind die Einzigen
       hier, die ökologische Landwirtschaft betreiben. Für die sind wir anders.“
       Hippies, Ökos, Studenten. Er runzelt die Stirn: „Ich hab da kein Bock
       drauf, so genannt zu werden. Ich studiere seit 15 Jahren nicht mehr.“ Er
       wolle hier ernst genommen werden.
       
       Simon Arbach: 35, rötlicher Bart und Brille, ist der Älteste im Projekt. Es
       ist in der Eifel aufgewachsen, wurde Ingenieur, landete bei der urbanen
       Gartenszene in Göttingen. Von dort war der Weg nicht weit zur solidarischen
       Landwirtschaft. Was er daran mag: die Verteilung jenseits des Marktes,
       autonome Strukturen. Landwirtschaft in Prinzipien gefasst. Das schien ihm
       wertvoller als ein festes Gehalt.
       
       Autodidaktisch: Arbach steht mit den Händen in den Hosentaschen in der
       Scheune vor einer Pinnwand mit Excel-Tabellen. Der Anbauplan. Daneben: eine
       Kiste voll Sonnencreme. An einer Wäscheleine hängen Arbeitshandschuhe. Der
       Boden ist staubig. Ohne zu wissen, wie es geht, so einen Anbau zu machen,
       sei es anfangs schon sehr anstrengend gewesen.
       
       Kooperation: Der Traktor ist aus dem Jahr 1965. Zum Ernten, rückenschonend
       im Liegen, hat Arbach selbst ein Gerät gebaut, mit einem Elektromotor, den
       er aus einem E-Roller ausgeschlachtet hat. Dafür werde man auch schon mal
       schief angeschaut. Einen Traktor geliehen oder einen Rat, wie man etwas
       machen könnte, das bekäme man trotzdem immer von den DorfbewohnerInnen.
       Manche seien neugierig, was in der Bürgerinitiative und auf dem Hof
       passiert, Arbach schiebt mit seiner Schuhspitze Sand hin und her, andere
       seien skeptisch.
       
       Irritation: Sie haben Schwierigkeiten zu verstehen, wie unübersichtlich wir
       hier auf dem Hof leben, sagt Antonia Ley. Die DorfbewohnerInnen fragen
       sich, welche Frau zu welchem Mann und welches Kind zu welcher Frau gehört.
       „Mich amüsiert die Irritation.“ Ley sieht es so: Hier kann sie so sein, wie
       sie ist. Auf der Wäscheleine im Hof weht im Regen ein Transparent. Darauf
       steht: „Bleibt auf dem Lande und wehrt euch täglich“.
       
       Sorgen: [2][2018 sei ein krasses Jahr gewesen]. Antonia Ley hält die Arme
       hinter dem Rücken verschränkt: „Da hatte ich richtig doll mit Angst zu
       tun.“ Auf ihrem Regenmesser konnten sie für drei Monate keine nennenswerten
       Regenwerte messen. Was, wenn es nicht mehr regnet?
       
       Krisenresistenz: „Wir bewegen uns in einer Menge Krisen“, sagt Simon
       Arbach, meint Corona, aber auch den Klimawandel. Eine solidarische
       Landwirtschaft könne so etwas besser abfangen: „Wir sind krisenresistenter.
       Wir können auch eine krumme Gurke verkaufen, weil sie lecker ist.“ „Es ist
       ein großer Luxus“, sagt Ley: Sie ist ihr eigener Chef. Gehälter werden fair
       ausgehandelt. Sie kennt diejenigen, die ihr Gemüse essen. Trotzdem: „Auf
       eine Rente brauche ich nicht zu hoffen.“ Ihre Rente sei eine andere: das
       Wissen um Saatgut.
       
       Harte Arbeit: „Da sind Lohn-Ungerechtigkeiten, die wir hier nicht alleine
       aufgelöst bekommen“, sagt Arbach. Er steht im Hof, Schwalben schweben im
       Tiefflug darüber. Er meint die prekären Bedingungen für Landwirte. Es sei
       eine harte Arbeit. „Aber ich sehe nichts, was mich gleichermaßen erfüllt.“
       Da tritt ein Kind auf den Fußabtreter vor der Eingangstür und zieht an der
       Glocke. Ein Signal: Mittagessen!
       
       27 Jun 2020
       
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