# taz.de -- Brasiliens Coronastatistik: Keine Zahlen – keine Vorwürfe
       
       > Brasilien veröffentlicht keine Gesamtzahl der Coronafälle mehr. Damit
       > wolle Präsident Bolsonaro die Toten unsichtbar machen, sagen Kritiker.
       
 (IMG) Bild: Ein Feldkrankenhaus in Manaus. Eigentlich ist das Gebäude eine Schule
       
       Berlin/São Paulo epd/ap | Brasilien veröffentlicht keine Gesamtzahl der
       Corona-Fälle mehr. Die Regierung hat ihre Statistik zur Erfassung der
       Corona-Infizierten und der Toten in Zusammenhang mit Covid-19 geändert, wie
       die die Tageszeitung Folha de São Paulo am Samstag (Ortszeit) berichtet. Es
       wird nur noch die Zahl der Toten in den vergangenen 24 Stunden publiziert.
       
       Am Freitag nahm das brasilianische Gesundheitsministerium eine
       Internetseite offline, die die täglichen, wöchentlichen und monatlichen
       Daten zu Infektionen und Toten in den brasilianischen Bundesstaaten zeigte.
       Am Samstag kehrte die Seite zurück, doch die Gesamtzahlen der Infektionen
       der Bundesstaaten und der Nation waren verschwunden. Die Seite gibt nun nur
       die Zahlen für die vorangegangenen 24 Stunden an.
       
       Die Änderungen widersprechen dem international üblichen Vorgehen und den
       Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Brasilien ist nach den
       USA [1][das weltweit am stärksten von der Corona-Pandemie betroffene Land].
       Mehr als 36.000 Menschen sind offiziellen Angaben bereits an den Folgen
       einer Virus-Infektion verstorben. Die Infektionen steigen immer noch rasant
       an.
       
       Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro bestätigte die Änderung
       der Methode. Außerdem werden die Daten jetzt um 22 Uhr am Abend
       veröffentlich, nach der Hauptnachrichtensendung „Journal Nacional“ des
       TV-Senders Globo, wie Bolsonaro betonte. Bolsonaro twitterte, die
       Gesamtzahlen seien „nicht repräsentativ“ für [2][die gegenwärtige Lage in
       Brasilien].
       
       ## „Verantwortung soll wegmanövriert werden“
       
       Der Richter am Obersten Gericht, Gilmar Mendes, sprach von einer
       Manipulation der Daten, wie sie nur von totalitären Regimen vorgenommen
       werde. Damit solle die Verantwortlichkeit für einen eventuellen Genozid
       während der Pandemie wegmanövriert werden, schrieb Mendes in den sozialen
       Medien.
       
       Parlamentspräsident Rodrigo Maia verlangte unverzüglich eine Rückkehr zu
       der international üblichen statistischen Erfassung. Das sei vor allem für
       die öffentliche Gesundheit wichtig, damit Orte mit Infektionen
       identifiziert werden können. „Es ist offensichtlich, dass volle Transparenz
       fundamental ist“, sagte Maia. Ähnlich äußerten sich zahlreiche
       Epidemiologen.
       
       Ein Rat von Gesundheitsministern von Bundesstaaten kündigte an, gegen
       Bolsonaros Änderungen zu kämpfen. „Der autoritäre, taktlose, inhumane und
       unethische Versuch, die Covid-19-Tode unsichtbar zu machen, wird nicht
       erfolgreich sein“, hieß es in einem Statement des Gremiums.
       
       Nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität sind in Brasilien rund 672.000
       Menschen mit dem Virus infiziert. Allerdings liegt die tatsächliche Zahl
       der Infizierten weitaus höher, da Brasilien weltweit zu den Ländern mit den
       geringsten Testkapazitäten gehört. Nach Berechnungen der Zeitung Folha de
       São Paulo stirbt in Brasilien pro Minute ein Mensch an den Folgen des
       Coronavirus.
       
       7 Jun 2020
       
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