# taz.de -- Klimabewegung und Diskriminierung: Grüner Rassismus
       
       > Auch die Klimaszene hat ein Rassismusproblem. People of Color sind in der
       > Bewegung vor allem willkommen, wenn sie die Vorzeige-Betroffenen spielen.
       
 (IMG) Bild: Für Tonny Nowshin haben Rassismus und die Klimakrise die gleiche Wurzel
       
       Ich war beim [1][Protest gegen das Steinkohlekraftwerk Datteln 4] dabei,
       aber auf den Fotos danach wurde ich ausgelassen – anders als meine weißen
       Mitstreiterinnen um mich herum. Vor kaum einem halben Jahr ist der
       ugandischen Klimaaktivistin Vanessa Nakate dasselbe passiert. Der
       Unterschied: Diesmal waren Menschen aus der Klimabewegung verantwortlich.
       Menschen, die ich Kolleg:innen und Freund:innen nenne. Als ich in der
       Klimabewegung aktiv wurde, hatte ich nicht erwartet, dass ich ständig über
       Rassismus sprechen müsste. Würden Menschen, die gegen eine Art der
       Ungerechtigkeit kämpfen, nicht auch ein Gefühl für andere Unterdrückung
       entwickeln? Für mich stand das fest. Ich habe aber gelernt, dass die Welt
       viel komplizierter ist als diese rationale Denkweise.
       
       Nach den weltweiten Black-Lives-Matter-Protesten, die durch den Mord an
       George Floyd ausgelöst wurden, brauchte Fridays for Future Deutschland mehr
       als eine Woche, um sich in den sozialen Medien solidarisch zu erklären.
       Und nicht nur das. Fridays for Future likte auch einen Instagram-Kommentar,
       der die Darmstädter Ortsgruppe allen Ernstes dafür kritisierte, sich gegen
       Polizeigewalt und strukturellen Rassismus ausgesprochen zu haben.
       
       All das war beschämend für mich, die sich zwar der Klimabewegung zugehörig
       fühlt, aber als Woman of Color auch eine starke Verbindung zur
       Antirassismusbewegung hat. Die Klimabewegung dort zu verteidigen fällt mir
       angesichts der Vorkommnisse nicht gerade leicht.
       
       ## People auf Color werden unsichtbar gemacht
       
       Die rassistischen Datteln-4-Ereignisse haben es für mich noch schwerer
       gemacht. Am 20. Mai nahm neben Aktivist*innen vieler verschiedener
       Organisationen auch Greenpeace Deutschland daran teil. Danach twitterte
       Greenpeace Fotos der Aktion. Alle anderen waren darauf abgebildet, nur ich
       nicht. In einer Szene hatte ich sogar direkt neben
       [2][Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer] gestanden – aber das Foto
       hörte neben ihr auf. Trotzdem war ich auf dem Post getaggt. Das war,
       weniger als sechs Monate nachdem die [3][Nachrichtenagentur Associated
       Press die ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate aus einem Foto mit
       ansonsten weißen Klimaaktivistinnen wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer
       herausgeschnitten hatte]. Und jetzt wurde schon wieder die einzige
       nichtweiße Aktivistin unsichtbar gemacht.
       
       Ich bin es gewohnt, dass mir auf den Straßen in Deutschland Rassismus von
       Menschen mit rasierten Köpfen und schwarzer Kleidung entgegenschlägt.
       Manchmal kommt er auch von normalen Fremden, die nicht merken, dass sie
       sich rassistisch verhalten. Ich bin es aber nicht gewohnt, so von Menschen
       behandelt zu werden, die ich als Kolleg:innen sehe. Das ist noch schwerer,
       weil ich es selbst am liebsten leugnen würde. Ich wusste erst mal gar
       nicht, wie ich reagieren sollte. Mein erster Instinkt war, mich
       zurückzuziehen. Ich entfernte den Hinweis auf mich von dem Foto.
       
       Dann begann ich mich schuldig zu fühlen, weil ich die eklatante Ausgrenzung
       nicht öffentlich gemacht hatte. Weil ich nicht stärker gewesen war. Nach
       und nach verhärtete sich die übelkeiterregende Erkenntnis. Es ist nicht so,
       dass die Klimabewegung nicht um ihre Probleme wüsste. In der Bewegung gibt
       es vielmehr einen Status quo, dem ich mich anpassen soll: Ich werde in der
       Klimaszene geduldet, solange ich sie mir nicht so zu eigen mache wie die
       weißen Aktivist:innen. Als BIPoC – also Schwarze, Indigene und People of
       Color – sind wir nur willkommen, wenn wir die Vorzeige-Betroffenen spielen.
       
       ## Weiße Menschen, die ihre Privilegien nicht sehen
       
       Auch deshalb habe ich gezögert, über die Zurücksetzung zu sprechen. Es
       macht keinen Spaß, das zu thematisieren. Es ist eine Last, die wir
       nichtweißen Aktivist:innen tragen. Unsere stolzen und starken Momente gehen
       unter in den wahnsinnig unangenehmen Dingen, die andere uns antun. Wie
       viele wissen, dass Vanessa Nakate monatelang allein vor Ugandas Parlament
       gestreikt hat? Wie viele wissen, dass sie zwei Jugendbewegungen auf dem
       afrikanischen Kontinent gegründet hat? Einige Zeitungen nennen sie immer
       noch „das Mädchen, das aus dem Bild mit Greta Thunberg geschnitten wurde“.
       Wer würde Associated Press hingegen als „die rassistische
       Nachrichtenagentur, die eine junge Frau wegen ihres Aussehens nicht
       abgebildet hat“, bezeichnen?
       
       Ich bin Tonny Nowshin, Ökonomin, Wissenschaftlerin, Klimagerechtigkeits-
       und Postwachstumsaktivistin. Ich bin seit 2018 Teil der Klimabewegung.
       Seit vier Jahren organisiere ich Proteste, um die größten Mangrovenwälder
       der Welt zu retten, die Sundarbans. Ich bin eine wunderbare Freundin, eine
       stolze Tochter, eine freundliche Mentorin und eine unnachgiebige Genossin.
       So sollt ihr mich kennen.
       
       Der einzige Grund dafür, dass ich meine unangenehme Erfahrung teile, ist
       dieser: Was Vanessa Nakate, ich und viele andere erleben, passiert
       regelmäßig – innerhalb der angeblich progressivsten Bewegung unserer Zeit.
       Warum? Weil sie immer noch von Menschen dominiert wird, die ihre weißen
       Privilegien nicht sehen, in denen sie es sich gemütlich eingerichtet haben.
       Manche von ihnen wollen den Planeten retten, weil seine Ausbeutung einen
       Punkt erreicht hat, an dem es auch für sie in ihren alten Lebensstilen
       unbequem wird.
       
       Alle anderen – und damit meine ich BIPoC- und weiße Aktivist:innen –
       kämpfen zusammen, um den Planeten zu schützen und eine bessere Zukunft zu
       gestalten. Wir sehen, dass das nur geht, indem wir Rassismus und Klimakrise
       als Querschnittsaufgaben und die Kämpfe als verbunden anerkennen. Wir
       können keines dieser Probleme ignorieren, wenn wir das andere bekämpfen
       wollen. Eine rassistische Klimabewegung kann niemals eine gerechte Zukunft
       schaffen.
       
       Ich habe dort viele inspirierende Menschen gefunden. In einem Jahr wird die
       Bewegung anders aussehen als heute, denn wir bleiben. Und wir schweigen
       nicht mehr über die rassistischen Strukturen in der Klimabewegung.
       
       18 Jun 2020
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tonny Nowshin
       
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