# taz.de -- Befangenheitsantrag im Lübcke-Prozess: Richter unter Beschuss
       
       > Der Richter im Lübcke-Prozess appellierte an die Angeklagten, auszusagen.
       > Dafür wird er nun von den Verteidigern attackiert.
       
 (IMG) Bild: Spricht im Lübcke-Prozess offene Worte: Richter Thomas Sagebiel
       
       BERLIN/FRANKFURT taz | Der Satz fiel ganz am Ende des ersten
       Verhandlungstags im Lübcke-Prozess. [1][„Hören Sie nicht auf Ihre Anwälte,
       hören Sie auf mich]“, appellierte Richter Thomas Sagebiel an die
       Angeklagten Stephan Ernst und Markus H. Der Richter Sagebiel wollte damit
       zu einem Geständnis motivieren, sofern es etwas zu gestehen gibt. Im
       Prozess gehe es um schwere Vorwürfe, sagte er. „Nutzen Sie Ihre beste
       Chance, vielleicht Ihre einzige Chance.“
       
       Es ist ein Satz, den Sagebiel so ähnlich auch schon in anderen Prozessen
       sagte. Diesmal aber hat er ein Nachspiel. Denn die Verteidiger des im
       [2][Prozess zum Mord an Walter Lübcke] Mitangeklagten Markus H. stellten
       nach taz-Informationen noch am Dienstagabend einen Befangenheitsantrag
       gegen Sagebiel. Björn Clemens, einer der Anwälte, nannte die Aussage „ein
       starkes Stück“. Die Verteidiger seien „keine Geständnisbegleiter oder
       sonstige Staffage“. Dies werde Sagebiel „schon noch lernen“.
       
       Eine Sprecherin der Oberlandesgerichts Frankfurt am Main bestätigte den
       Eingang des Befangenheitsantrags. Auswirkungen für die Prozessfortsetzung
       am Donnerstag sah sie vorerst nicht, da über Befangenheitsanträge nicht
       sofort entschieden werden müsse.
       
       Bereits beim Prozessauftakt am Dienstag hatten die Verteidiger des
       Hauptangeklagten Stephan Ernst einen Befangenheitsantrag gegen Richter
       Sagebiel gestellt. Dieser habe mit Nicole Schneiders, der zweiten
       Verteidigerin von Markus H., eine Anwältin im Prozess zugelassen, die sich
       in einem Interessenkonflikt befinde. Denn Schneiders vertrat bereits Dirk
       Waldschmidt, den ersten Anwalt von Stephan Ernst. Dem wirft Ernst
       inzwischen vor, ihn zu seinem ersten, angeblich falschen Geständnis
       gedrängt zu haben. Als gegen Waldschmidt damit der Verdacht der
       Strafvereitelung im Raum stand, nahm er sich eine Anwältin, eben Nicole
       Schneiders.
       
       ## Das Gericht will eine Beweisaufnahme starten
       
       Der Sachverhalt ist insoweit pikant, weil die einst befreundeten Ernst und
       Markus H. im Prozess zu Kontrahenten geworden sind. [3][Ernst wirft Markus
       H. inzwischen vor, der eigentliche Mörder von Lübcke zu sein]. Und Ernst'
       Verteidiger beklagen, dass Markus H. über Schneiders nun Interna über ihren
       Mandanten wisse.
       
       Richter Sagebiel hatte die Entscheidung über diesen ersten
       Befangenheitsantrag vorerst zugestellt. Ebenso verfuhr er mit weiteren
       Aussetzungsanträgen der Verteidiger, andere lehnte er ab. [4][Durch die
       Anträge wurde die Anklageverlesung im Prozess zunächst verzögert und konnte
       erst am Nachmittag erfolgen].
       
       Am Donnerstag, dem zweiten Prozesstag, will das Gericht nun in die
       Beweisaufnahme eintreten. Zum Programm äußerte sich Richter Sagebiel nicht.
       Da beide Angeklagten aber vorerst schweigen, ist wahrscheinlich, dass das
       Gericht sich die Videoaufnahme von Ernst ursprünglichem vierstündigen
       Geständnis anschauen wird. Der 46-Jährige hatte dort den Mord an Lübcke
       eingeräumt, das Geständnis später aber zurückgezogen. Die Anklage hält die
       Einlassung dennoch bis heute für glaubhaft. Sie ist, neben einer DNA-Spur
       von Ernst am Tatort, das Kernstück der Anklage. Neben dem Mord wird Ernst
       auch eine Messerattacke auf den irakischen Geflüchteten Ahmad E.
       vorgeworfen.
       
       In Frankfurt am Main hatten am Dienstagabend noch rund 150 Demonstranten
       anlässlich des Prozessauftakts gegen rechtsextremen Terror protestiert.
       „Kein Einzeltäter“ lautete ihr Slogan. Sie forderten, auch das Netzwerk um
       Stephan Ernst und Markus H. aufzuklären.
       
       Mit dem Komplex wird sich in Hessen demnächst auch ein
       Untersuchungsausschuss im Landtag beschäftigen. Am Donnerstag wollen SPD,
       FDP und Linke über die Einsetzung informieren, die noch im Juni erfolgen
       soll. Im Fokus wird hier stehen, [5][warum die Sicherheitsbehörden Stephan
       Ernst und Markus H. vor dem Lübcke-Mord aus dem Blick verloren, obwohl sie
       jahrelang in der rechtsextremen Szene aktiv waren, und wie beide an ihre
       Waffen kamen].
       
       .
       
       17 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Mord-an-CDU-Politiker-Walter-Luebcke/!5692952
 (DIR) [2] /Mordprozess-im-Fall-Luebcke/!5689399
 (DIR) [3] /Mordprozess-im-Fall-Luebcke/!5689399
 (DIR) [4] /Mord-an-CDU-Politiker-Walter-Luebcke/!5692952
 (DIR) [5] /Mord-an-CDU-Politiker-Walter-Luebcke/!5692217
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Walter Lübcke
 (DIR) Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke
 (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Justiz
 (DIR) Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke
 (DIR) Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke
 (DIR) Walter Lübcke
 (DIR) Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Prozess zum Lübcke-Mord: „Ich tat es aus eigenem Antrieb“
       
       Im Lübcke-Prozess wurde das Geständnis-Video des Angeklagten gezeigt. Er
       räumte die Tat dort ein – widerrief die Aussage später aber.
       
 (DIR) Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke: Der Rechtsstaat übernimmt
       
       In Frankfurt hat der Prozess zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten
       Lübcke begonnen. Die Angeklagten schweigen, ihre Anwälte attackieren.
       
 (DIR) Mordprozess im Fall Lübcke: Gegen den Hass
       
       Vor gut einem Jahr wurde CDU-Politiker Walter Lübcke ermordet, am Dienstag
       beginnt der Prozess. Der Versuch einer Rekonstruktion.
       
 (DIR) Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke: Waffenbesitz dank Verfassungsschutz
       
       Der Verfassungsschutz Hessen gab Informationen über einen mutmaßlichen
       Helfer des Lübcke-Mörders nicht weiter. Das hat der Geheimdienst
       eingeräumt.